Essen. In „Daheim in den Bergen“ spielt Valerie Niehaus eine Zwillingsrolle. Die kleinen und großen Dramen werden wieder einfühlsam erzählt.

Wozu braucht es große Worte, wenn kleinste Signale und kurze Blicke so ungleich beredter sind. Zusammen haben Walter Sittler und Max Herbrechter in der Alpen-Saga „Daheim in den Bergen“ gefühlt gerade einmal zehn Dialogsätze.

Doch wie beide als verfeindete Bauern-Patriarchen Sebastian Leitner und Lorenz Huber, gequält vom Zwiespalt der Empfindungen, allmählich auf eine Aussöhnung zutreiben, wie aus dem Gegeneinander zumindest ein Nebeneinander wird, das ist an Intensität kaum zu überbieten und gehört zu den großen Momenten der neuen Episode „Schwesternliebe“.

„Daheim in den Bergen“ ist kein biederer Heimatfilm

Als die kleine ARD-Reihe mit dem vieldeutigen Titel „Daheim in den Bergen“ vor Jahresfrist startete, waren im Nu alle Befürchtungen ausgeräumt, es könne sich um die Neuerfindung des Heimatfilms handeln. Keine Spur von Krachleder-Folklore. Die herrliche Alpenkulisse ist lediglich die Folie für ein eindringliches Familien- und Beziehungsdrama, das sich so überall abspielen könnte.

Wer als Zuschauer erst jetzt in die Bergwelt einsteigt, muss nicht viel zur Vorgeschichte wissen: Vor zwei Jahrzehnten verursachte Lorenz Huber bei einer Alkohol-Fahrt den Unfalltod des jüngsten Leitner-Sohnes. Aus Freunden wurden Feinde, in der Folge verlor Huber einen Großteil seines Grundbesitzes.

Auch die Beziehungen der Kinder – Marie Huber (Catherine Bode) und Georg Leitner (Thomas Unger), Lisa Huber (Theresa Scholze) und Florian Leitner (Matthi Faust) – scheiterten an der Familienfehde. Die Erinnerung daran, was einmal war und was hätte sein können, blitzt zwar immer wieder auf, wird aber gleich wieder verdrängt.

Mit einfühlsamer Hand und Gespür für Authentizität gedreht

Nur Marie ist die reflexhafte Verdrängung einmal nicht gelungen – nun ist sie schwanger von Georg. Der wiederum kämpft mit seiner Ex-Frau erbittert um das Sorgerecht für die kleine Tochter. Mit leichter, einfühlsamer Hand und viel Gespür für Authentizität entwickelt Regisseur Michael Zens solche großen und kleinen Dramen rund um die beiden Familien (Buch: Brigitte Müller).

Was tun, wenn das scheinbar Einfache so schwierig ist, wenn das Richtige grundfalsch sein kann und das Naheliegende die denkbar schlechteste Orientierungshilfe bietet?

Valerie Niehaus steht im Zentrum von „Schwesternliebe“

Wie in den ersten beiden Episoden, so werden auch in „Schwesternliebe“ viele Probleme stellvertretend von den wechselnden Sommergästen ausgetragen. Im Zen­trum steht diesmal Valerie Niehaus, die in den 90er-Jahren mit der Soap „Verbotene Liebe“ berühmt wurde, in einer Doppelrolle.

Als toughe Lena versucht sie, den offenbar skrupellosen Geschäftspartner ihrer verzweifelten Zwillingsschwester Leonie auszutricksen. Leonie wiederum will ihre Schwester mit dem feschen Christian (Julian Weigand) verkuppeln. Niehaus’ souveräner Wechsel zwischen den grundverschiedenen Charakteren sorgt in dieser Alpensaga für erfrischende Akzente.

Fazit: Rundum überzeugender dritter Teil der einfühlsamen alpenländischen Familiensaga. Weiter geht’s am kommenden Freitag.

ARD, Freitag, 26. April, 20.15 Uhr

(Wolfgang Platzeck)