300 Jahre war das Passionsoratorium von Reinhard Keiser verschollen. Jetzt ist es erstmals auf CD zu erleben.

Hamburg, im April 1705. Ein Skandal erschüttert die Musiklandschaft. Die feine Gesellschaft bebt vor Empörung und kriegt sich gar nicht mehr ein, „weil viel Frauen geblößet auß der Opera mit sungen und ein rechtes Theatrum darzu auffgeschlagen war“, wie ein Chronist notiert. Sängerinnen mit nackten Schultern. Geistliche Musik auf einer Schaubühne, gegen Eintritt von acht Schilling. Und das während der Fastenzeit!

Unerhört, ein absolutes No-Go. Und deshalb vielleicht auch eine gewiefte PR-Aktion. Denn Reinhard Keiser, der wichtigste Komponist der Gänsemarktoper und sein Librettist Christian Friedrich Hunold, hatten etwas völlig Neues auf den Markt geworfen: Ein Stück mit dem Titel „Der blutige und sterbende Jesus“, das Elemente aus Oper und geistlicher Musik vereint.