Hamburg. Der britische Erfolgsautor John Lanchester hat mit „Die Mauer“ einen bedrückenden wie faszinierenden Roman geschrieben.

Früher war alles besser, glauben viele Menschen. In Zukunft wird alles schlechter, vermuten noch viel mehr. Wer die derzeitigen Debatten verfolgt, bekommt die Angst vor dem Morgen im Stundentakt serviert. Der Klimawandel, die allgegenwärtige Populismuswelle und vermeintliche Völkerwanderungen verunsichern die Menschen. Das Negative wird fortgezeichnet und steigert sich. Es ist die Zeit der Dystopien, der negativen Zukunftsentwürfe. In den 1970er-Jahren verschlangen viele Menschen den Öko-Klassiker „Hier sangen früher Vögel“ von Kate Wilhelm, zu Volkszählungszeiten lasen sie „1984“ von George Orwell oder im Flüchtlingsherbst 2015 das schlimme Werk „Das Heerlager der Heiligen“ von Jean Raspail.

Bei den Neuerscheinungen füllen die Dystopien bald Schrankwände. Da sollte es skeptisch stimmen, wenn der Verlag Klett-Cotta das neue Buch von John Lanchester arg marktschreierisch promotet: „Migration, Klimawandel, Brexit – „Die Mauer“ – der Roman der Stunde“. Das klingt nach munterem Bestsellerbasteln – man nehme die Themen der Zeit und fabuliere darum einen Roman. Lanchester, der in Hamburg zur Welt kam und im Fernen Osten aufwuchs, ist spätestens seit seinem Finanzkrisenroman „Das Kapital“ für solides Bestseller-Handwerk bekannt. Aber „Die Mauer“ ist mehr, viel mehr. Das Buch ist ein so lesenswerter wie verstörender Ausflug in die Zukunft, die vage genug bleibt, um das Kopfkino anzuwerfen.