Hamburg. Wenn nun ein frisches Jahr anbricht, könnte ein guter Vorsatz lauten, 2019 gezielt etwas gänzlich Neues zu erleben. Sich also auf bisher Ungesehenes und Unerhörtes einzulassen. In Hamburg existieren zahlreiche Clubs, in denen sich junge Popkünstler ausprobieren können. Wo Newcomer erste Bühnenerfahrung sammeln. In denen sich noch unbekannte Bands entdecken lassen. Für dieses ganz besondere beglückende Pioniergefühl: „Ich habe sie schon gesehen, als sie noch niemand kannte.“ Man denke nur an den Auftritt des heutigen Superstars Adele 2007 im Grünen Jäger vor nur gut 50 Leuten.
Newcomer sind Rückgrat und Jungbrunnen der Musikstadt Hamburg. Ohne neue Musik keine Szene, keine Diversität, keine Spannung. Und es gibt zahlreiche Hamburger Veranstalter, die couragierten Nachwuchs mit Herz, Geduld und Risikofreude suchen und präsentieren. Die Rock-orientierte Astra-Stube und das Electro-affine Fundbureau bieten an der Sternbrücke Expe-rimentierfelder in schroffem Ambiente.
Das Logo im Univiertel und das Hafenklang an der Elbe leisten seit Jahrzehnten Kärrnerarbeit in Sachen Punk, Rock und artverwandt Lautem. Und wer es noch härter mag, wird im Headcrash am Hamburger Berg fündig. Mittelgroße Spielstätten wie das Knust im Karoviertel, das Uebel & Gefährlich im Feldstraßenbunker sowie der Nochtspeicher auf St. Pauli buchen stetig Novizen von Pop über Hip-Hop bis Country für ihre Bühnen, ebenso kleinere Läden wie Häkken und Kukuun im Klubhaus am Spielbudenplatz.
Große Herausforderungen
Doch auf Newcomer zu setzen ist an große Herausforderungen gekoppelt. Bei etablierten Acts, die in großen Hallen auftreten, schnellen die Kartenpreise in die Höhe. Bei Musikern, die sich noch keine üppige Fanbasis erspielt haben, funktioniert der Eintritt in kleinen Clubs häufig nach dem Hut- oder Spendenprinzip, um die Schwelle niedrig zu halten.
„In Zeiten, in denen Festivaltickets bis zu 200 Euro pro Stück kosten, sparen Konzertgänger häufig(er) an anderer Stelle. Sowohl die Clubs als auch die Künstler können maximal hoffen, bei Nachwuchskonzerten kostendeckend zu arbeiten“, erläutert Thore Debor, Geschäftsführer des Clubkombinats Hamburg, in dem derzeit rund 160 Clubbetreiber und Veranstalter organisiert sind. Und er fügt hinzu: „Diese Musikspielstätten sind oft eine One- (Wo)man-Show, bei der eine Person von Catering, Abendkasse, Werbung bis hin zu Tontechnik alles alleine stemmt.“
Einmal im Jahr, das nächste Mal am 24. Januar 2019 im Docks, kürt das Clubkombinat daher mit seinem Club Award auch den Club mit der stärksten Newcomerförderung. Zu den bisherigen Preisträgern zählen etwa der schwimmende Barkassenclub Frau Hedis Tanzkaffee, das Rock-Zuhause Molotow am Ende der Reeperbahn, das Freundlich + Kompetent im Barmbeker Mundsburg-Center, das Stellwerk im Harburger Bahnhof sowie die Pooca Bar am Hamburger Berg.
Auch in Elbphilharmonie spielt Nachwuchs
Zwei besondere Förderprogramme hält der Musikerverein RockCity Hamburg im kommenden Jahr parat: Bei sechs „RockCity On Air Konzerten“ können Neueinsteiger ab April ihre Albumreleasekonzerte aufzeichnen lassen – spätere Ausstrahlung beim NDR inklusive. Zudem sucht RockCity gemeinsam mit der Elbphilharmonie für die Reihe „Made in Hamburg“ wieder Newcomer aus, die im Kleinen Saal des neuen Wahrzeichens spielen. Noch läuft die 2019er-Auswahl für beide Formate (Bewerbungen: music@rockcity.de).
Ein Pflichttermin, um sich von Grünschnäbeln und Beginnern aller Stile durchpusten zu lassen, ist das Reeperbahn Festival (18.–1.9.2019). Doch ohne die Ausdauer, mit der sich Clubbetreiber dem Newcomer-Aufbau widmen, wäre solch eine Großveranstaltung nicht denkbar. Und immer wieder finden sich Passionierte, die das Jahr über unpolierte Pop-Perlen ins Rampenlicht rücken. Sodass der Glanz erahnbar wird und das Raue aufs Schönste funkelt. Sei es ein einflussreicher Veranstalter wie FKP Scorpio, der sein jährliches Newcomer-Festival „Mucke bei die Fische“ nun zur Reihe ausweitet (siehe Interview). Sei es das Sommerprogramm Knust Acoustics, das auf dem Lattenplatz am Neuen Kamp seit 2011 leisetretende Singer-Songwriter unter freiem Himmel aufspielen lässt. Sei es das Projekt „Ladies. Artists. Friends.“, das verstärkt Musikerinnen Aufmerksamkeit beschert.
Neues Material testen
Oder seien es die Open Stages der Stadt, bei denen sich Anfänger ausprobieren und Erfahrene neues Material testen können. Der Hörsaal in der Talstraße bietet jeden ersten Mittwoch im Monat eine offene Bühne für Musik, Poetry und Comedy. Der Bahnhof St. Pauli wiederum lädt regelmäßig zur Hamburger Songwriter Battle: Am 11. Januar treten im Keller des Klubhauses das nächste Mal Talente gegeneinander an.
Auch der Klub.K nahe St. Katharinen hat ein großes Herz für Unentdecktes: Jeden zweiten Donnerstag eines geraden Monats gibt es eine Open Stage für Solokünstler an Gitarre oder Klavier sowie für ganze Bands, da auch ein Schlagzeug bereit steht. Mitbetreiberin Anne-Katrin Gülck bringt die Liebe zu Newcomern auf den Punkt: „Hamburg hat so viele tolle Leute zu bieten, die (noch) keine Bühne haben. Ihr Mut muss belohnt werden. Und es entstehen immer wieder gemeinsame Projekte unter den Musikern.“ Netzwerke, die das popmusikalische Leben in Hamburg zusammenhalten. Und schwingen lassen.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Kultur & Live