Berlin. Mit „Rogue One“ startet das erste Spin-off von „Star Wars“. Das Gute daran: Es zeigt, wie es nicht weitergehen sollte mit der Reihe.
Da ist sie nun also wieder, die Kinderfantasiewelt des George Lucas, in der es sprechende Roboter gibt und finstere Armeen, Weltraumkreuzer und Todesplaneten, holde Prinzessinen und Lichtschwerter, hässliche Aliens und eine alles durchwirkende Kraft namens „Macht“. Vor ziemlich genau einem Jahr noch hatten wir darüber staunen können, wie viel Charme dieser uns doch seit Jahrzehnten bekannten Welt noch innewohnt – weil J.J. Abrams den siebten Teil der Saga mit viel Liebe, Nostalgie und Humor ausstattete. So wurde „Star Wars – Das Erwachen der Macht“ zu einer Rückkehr in das gemütliche Wohnzimmer, in dem wir schon vor Jahrzehnten die ersten Folgen in der Fernsehwiederholung sahen. Im Vergleich dazu ist „Rogue One“ wie eine Zwangsvisite in der Autobahnraststätte Köckern-West.
„Rogue One“ (das Wörterbuch bietet zu „rogue“ die Übersetzung „aggressiver Einzelgänger“ an) ist ein Spin-Off der Serie – eine ausgekoppelte Geschichte im selben Ambiente also. Die Plastikmonturen der Sturmtruppen tauchen genauso auf wie die altbekannten Raumfahrzeuge – die bekannten Gesichter aber nicht. Und auch beim Vorspann hat man sich für einige Abweichungen vom gewohnten Standard entschieden. Regisseur Gareth Edwards hat schon mit anderen Großproduktionen wie „Godzilla“ (2014) gezeigt, dass er seelenlose Materialschlachten auf der Leinwand gut beherrscht.
Eine traumatisierte Kindheit
Und diese ist besonders unerfreulich, weil sich das Drehbuch (Chris Weitz) noch nicht einmal den Anschein einer Mühe gibt, die altbekannte Geschichte um den Kampf zwischen Rebellen und Imperium mit neuem Leben zu füllen. Sie versetzt uns zurück in die Zeit vor dem ersten Teil – oder anders: vor Episode IV.
„Star Wars“ geht mit „Rogue One“ weiter
Das Imperium hat gerade die Macht über die Galaxie an sich gerissen und schickt sich an, mit dem Todesstern die ultimative Superwaffe zu bauen. In der Hauptrolle sehen wir Jyn Erso (Felicity Jones), von deren zerrütteter Kindheit wir in einer Rückblende erfahren: Ihr Vater Galen Erso (Mads Mikkelsen) war einer der führenden Ingenieure beim Bau des Todessterns, zog sich aus Gewissensgründen zurück, wurde vom Imperium aufgestöbert und zur Vollendung seiner Arbeit gezwungen. Ihre Mutter wurde bei der Festnahme erschossen, woraufhin die junge Jyn sich allein durchschlagen musste und sich für ein kleinkriminelles Leben zwischen schwerer Körperverletzung, dem Besitz gestohlener Güter und der Fälschung imperialer Dokumente entschied.
Die junge, starke Frau im Zentrum, die nicht nur den Schergen des Imperiums, sondern auch allen möglichen anderen abgewrackten Gestalten des Weltenraums zeigt, wo das Lichtschwert hängt: das war im siebten Teil eine schöne Idee, die noch an Fahrt aufnahm durch die Besetzung mit Daisy Ridley, die man bis dahin kaum kannte und die neben Harrison Ford kaum zu verstecken brauchte. In „Rogue One“ verpufft es zu einer Randnotiz, auch wenn mit Felicity Jones eine viel erfahrenere Kraft am Werk ist. Die schablonenhafte Dramaturgie und die schamlos recycleten Dialoge machen sie, das ist die vielleicht traurigste Nachricht, als Schauspielerin beinahe unsichtbar.
Für Komik ist der Roboter da
An ihrer Seite steht, wir ahnen es, ein lustiger Roboter, der diesmal nicht C3PO oder R2D2 heißt und auch nicht BB8, sondern K-2SO, ein umprogrammierter Imperiumsdroide, der mit Vorliebe die Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorstehender Katastrophen errechnet und die bösartigen, aber gleich aussehenden Exemplare der Gegenseite dauernd in die Irre führen muss.
Es geht in dieser Explosion aus Aktivismus im folgenden darum, dass Jyn Erso zusammen mit ihrem blassen Counterpart Cassian Andor (Diego Luna) die Pläne für den Bau des Todesplaneten erbeuten muss – freilich erst nachdem sie sich mit dem Einzelkämpfer Saw Gerrera verständigt hat.
Dessen Rolle wird von Forest Whitacker gespielt, der mit seinem kurzen Auftritt leider weit von einer tragenden Rolle entfernt ist und dem Film mit seiner eigenwilligen Exzentrik sicher mehr Substanz hätte schenken können. So aber ist er nur der Pausenclown auf dem Weg dahin, was man das große Finale des Films nennen wollte – wenn es denn groß oder wenigstens ein Finale wäre. Aber darüber sollen – auch mit Rücksicht auf die harte Fangemeinde, die sich keine Wortmeldung aus dem Star-Wars-Universum entgehen lassen will – hier nichts weiter verbreitet werden.
Ein Mythos wird beschädigt
Wenn man etwas Positives aus den 134 Minuten von „Rogue One“ mitnehmen will, dann vielleicht eine Idee davon, wie es auf keinen Fall weitergehen kann mit diesem galaktischen Märchen, das sich in seinem Zwang zur Wiederholung so langsam den eigenen Mythos zerstört: Es reicht nicht, sich auf Standardrezepte zu verlassen und diese mit den neuesten Errungenschaften aus dem technischen Zauberkasten zu übertünchen. Es ist nicht genug, dramaturgische Ideen nur zu variieren. Man muss sich schon auch etwas Neues trauen - neue Figurenkonstellationen, unvorhersehbare Wendungen. Das ist immer ein Risiko, und daran fehlt es hier. Schlechte Geschichten lassen sich nicht künstlich aufbrezeln. Sie offenbaren ihre Armut nur in überteuerter Kleidung.