Cannes. Regisseur Steven Spielberg hat mit „Big Friendly Giant“ sein erstes Märchen verfilmt. Die Arbeit weckte Erinnerungen an seine Kindheit.

Mit „BFG – Big Friendly Giant“, einer Adaption von Roald Dahls Kinderbuch „Sophiechen und der Riese“, verfilmt Steven Spielberg (69) erstmals ein Märchen. Der dreimalige Oscargewinner gibt sich locker, kommt superpünktlich. Mit Margret Köhler plaudert Steven Spielberg über das Verlangen nach neuen Themen, die Liebe zum Film und warum er Vater wurde.

Wie viel Kind steckt in Ihnen, wenn Sie ein Fantasyabenteuer wie „BFG – Big Friendly Giant“ verwirklichen?

Spielberg: Da werden Erinnerungen an meine eigene Kindheit wach. Kinder sind etwas Wunderbares, sie existieren einfach, wissen nicht, was falsch oder richtig ist. Kindheit bedeutet ein schmales Zeitfenster, Jahre einer scheinbar endlosen Freiheit, bevor wir Entscheidungen fällen müssen, das Gehirn uns Verhaltenssignale gibt. Im Kino können wir diese Gefühle von damals noch einmal erleben. Ich liebe die Arbeit mit Kindern, sie sind so wahrhaftig, ganz ohne Hintergedanken.

Was waren Sie für ein Kind?

Ich war mein eigenes Monster, hatte Angst vor allem und flüchtete mich in grenzenlose Fantasie. Da kriegte ein Stuhl auch schon mal richtige Füße, machte sich selbstständig und klopfte an meine Tür. Oder aus Wolken wurden Saurier. Meine Eltern befürchteten, ich hätte große mentale Probleme, und wollten mich schon zum Arzt schleppen, weil ich ständig Dinge sah, die nicht existierten.

Warum ausgerechnet die Verfilmung von Roald Dahls Kinderbuch?

„BFG“ ist meine erste Märchenverfilmung. Ich musste auf keine Fakten Rücksicht nehmen wie bei historischen Filmen wie „Lincoln“ oder „Amistad“, sondern konnte meiner Fantasie freien Lauf lassen. Gemeinsam hingen wir unseren Träumen nach. Ich war richtig hungrig nach verrückten Ideen und Einfällen.

Welcher Ihrer Filme ist Ihr Liebling?

Ich habe keine Lieblingsszene, auch keinen Lieblingsfilm. Weltweit am besten funktionierte „Schindlers Liste“, die nachhaltige Wirkung führte später zur Gründung meiner Shoah Foundation, die Berichte von über 2000 Holocaustüberlebenden gesammelt und archiviert hat. Der Film war ein Fanal für Toleranz und sensibilisiert gegen jegliche Form von Hass und Menschenverachtung. Nach diesem Werk brauchte ich erst einmal eine Pause von drei Jahren.

Schauen Sie sich Ihre Filme noch einmal an?

Mit jedem meiner sieben Kinder musste ich mir „E.T. – Der Außerirdische“ anschauen, auch mit meinen zwei Enkeln, also insgesamt neunmal in den vergangenen 25 Jahren. „E.T.“ weckte übrigens in mir den starken Wunsch, Vater zu werden. Das Ergebnis: Drei Jahre später kam mein erster Sohn zur Welt. Durch meine Kinder bin ich immer auf dem Laufenden über aktuelle Musik, soziale Medien oder das Kino. Und wenn sie mir einen Film ans Herz legen, gucke ich ihn mir an. Kinder und Eltern sollten einander zuhören, sich gemeinsam entwickeln und voneinander lernen.

Wenn Sie zurückblicken: Haben sich Ihre Träume als junger Filmemacher erfüllt?

Mein Appetit ist im Laufe der Jahre nicht kleiner, sondern größer geworden. Allerdings ist das Filmemachen eine körperlich sehr anstrengende Angelegenheit. Trotzdem: Je mehr ich arbeite, umso mehr will ich arbeiten. Das Wichtigste, was ich erreicht habe, ist das Recht, über meine Projekte entscheiden zu können, das Recht, meine Geschichten erzählen zu können, ohne Einengung von außen. Künstlerische Freiheit ist das A und O allen kreativen Schaffens.