Berlin. Ulrich Noethen will mit seiner Rolle in „Das Tagebuch der Anne Frank“ der jüngeren Generation ein Stück Weltliteratur näher bringen.

Während der NS-Herrschaft versuchte der jüdische Kaufmann Otto Frank (1889–1980) alles, um seine Familie zu retten. Fast zwei Jahre konnten sie sich in einem Hinterhaus in Amsterdam verstecken. In dieser Zeit schrieb Tochter Anne Frank ihr berühmtes Tagebuch. Nun folgt eine weitere Verfilmung von „Das Tagebuch der Anne Frank“ mit Ulrich Noethen (56) in der Rolle des Otto Frank. Markus Tschiedert sprach mit Ulrich Noethen über die Bedeutung des Films.

Frage: Haben Sie sofort zugesagt, als Ihnen die Rolle angeboten wurde?

Ulrich Noethen: Da musste ich nicht in mich gehen. Es ist der erste Kinofilm aus deutscher Produktion. Das sehe ich als einen großen Vertrauensbeweis, wenn der Regisseur auf dich zukommt und die Frage stellt, ob du das machen willst. Na klar!

Frage: Warum ist dieser Film so wichtig?

Ulrich Noethen: Man denkt, „Das Tagebuch der Anne Frank“ ist Weltliteratur, die jeder kennt. Aber das ist dann doch nicht so. Die jüngere Generation hat vielleicht eine Vorstellung davon, aber die Geschichte muss eben mit einer neuen Filmsprache wieder erzählt werden.

Frage: Was ist diesmal anders?

Ulrich Noethen: In der Mehrzahl der bisherigen Filme wurde Anne Frank fast wie eine Heiligenfigur auf den Sockel gestellt. Das tun wir nicht und ich glaube, dass dieser Weg der richtige ist, weil wir der heutigen Generation einen ganz anderen Zugang zu dieser Figur ermöglichen. Bei uns wird Anne Frank doch mehr wie ein Teenager gezeigt. Viele denken, dass das damals im Dritten Reich ganz andere Menschen waren. Aber das stimmt nicht. Es sind gerade mal zwei Generationen vergangen, da hat sich menschlich nicht so viel verändert.

Frage: Wann haben Sie das „Tagebuch“ zum ersten Mal gelesen?

Ulrich Noethen: Ich habe es zusammen mit meiner Mutter gelesen und was mir in Erinnerung blieb, ist ein Bild von Anne Frank in einem kleinen dunklen Verschlag ohne Licht und Luft, die vor sich hinkauert und darauf wartet, dass ihr jemand etwas zum Essen und zum Trinken gibt. Das war zumindest meine kindliche Vorstellung davon.

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Frage: Ist es eher Fluch oder Segen, eine Rolle zu übernehmen, die schon mehrfach interpretiert wurde?

Ulrich Noethen: Weder noch! Man steht unter Umständen auf den Schultern von Riesen, die diese Rolle bereits gespielt haben. Die anderen Filme habe ich mir jedoch nicht angeschaut, weil ich selbst meinen Zugang zu der Figur finden wollte.

Frage: Otto Frank war der einzige der Familie, der den Holocaust überlebte. Inwiefern haben Sie nochmals seinen Weg nachverfolgt?

Ulrich Noethen: Biografisch habe ich mich natürlich nochmals mit Otto Frank beschäftigt. Wir wissen, dass er, nachdem er vom Tod seiner Familie erfahren hatte, in tiefe Depressionen gefallen ist. Dann tauchten die Tagebücher seiner Tochter auf, die auch er mit Erstaunen gelesen hatte und es teilweise auch nicht so toll fand, wie sie über die Entdeckung ihrer Sexualität oder über Ungereimtheiten in der Familie berichtete. Das hatte er anfangs alles weggelassen, später wurde eine komplette Fassung vom Anne-Frank-Fonds herausgebracht, die wissenschaftlich fundiert ist. Otto Frank hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, diesen Text der Welt zu geben, was für die Darstellung der Figur jedoch nur bedingt eine Rolle spielte.

Frage: Wie war es für Sie, einen neuen Zugang zu der Figur des Otto Frank zu finden?

Ulrich Noethen: Ich habe mich in die Situation eines Vaters hineingedacht, der versucht, seine Familie vor tödlichen Bedrohungen zu schützen und einen Weg daraus zu finden. Bei jeder Entscheidung, die getroffen wird, fragt er sich, ob sie richtig ist. In seinem Hinterkopf weiß er natürlich, dass er sich nie sicher sein kann.

Frage: Der Film wurde tatsächlich in engen Räumen mit vielen Menschen gedreht. Wie beklemmend war das für Sie?

Ulrich Noethen: Das war nicht so sehr beklemmend, aber es trug dazu bei, sich in diese Figur hineinzudenken. Es war vor allem eine Herausforderung an die Disziplin aller Beteiligten, sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten. Man konnte aber schon bemerken, dass die Nerven teilweise blank lagen. Es war in der Tat sehr beengt. Dann kam noch der technische Apparat dazu, womit alles immer wieder neu geordnet werden musste. Da war sehr viel gegenseitige Rücksichtnahme angesagt, anders ging es nicht.

Kinostart, Donnerstag, 3. März