Berlin. „Creed“ ist eine Fortsetzung der Rocky-Saga. Sylvester Stallone spielt den krebskranken Trainer und überzeugt auf der ganzen Linie.

„Star Wars“ beherrscht derzeit die Kinocharts auf dieser Welt. Als schwitziges Gegenstück zum synthetischen Sternenspielzeug hat in den USA aber ein gänzlich anderer Film eine vor allem männliche Zuschauerschaft im Sturm erobert. Sylvester Stallone schlüpft darin noch einmal in die Rolle seiner Leinwandikone: Rocky Balboa.

Wichtiger ist im Wahrnehmungshorizont der männlichen Generation „modern“, dass ein neuer, junger Held aufgeboten wird. Dessen Nachname macht dann auch den Filmtitel aus: „Creed“.

Aus den Tiefen der Einsamkeit

Um das zu verstehen, muss man in das Jahr 1986 zurückblenden, als im vierten Rocky-Film der farbige Boxchampion Apollo Creed unter den Schlägen einer russischen, hochgezüchteten und hünenhaften Kampfmaschine, damals verkörpert von Dolph Lundgren, tödlich getroffen im Ring zu Boden sinkt. Creed hatte einen unehelichen Sohn gezeugt, der aber erst nach des Vaters Tod zur Welt kam – Adonis „Donnie“ Johnson. Später wird er den Nachnamen seines Vaters annehmen und als Adonis Creed in den Ring steigen.

Adonis Creed verfügt schon als Kind über harte Kämpfergene – und die will er im Andenken an seinen Papa angemessen ausleben. Dafür kündigt er einen hoch dotierten Bürojob und übersiedelt von Los Angeles nach Philadelphia, wo Apollos einstmals größter Rivale im Ring, Rocky Balboa, ein italienisches Restaurant führt. Ansonsten lotet Balboa – nach dem Tod von Managerkumpel Paulie und Ehefrau Adrian – die Tiefen täglicher Einsamkeit aus. Dass nun Apollos Sohnemann aufkreuzt und Rocky als Trainer anheuern möchte, schmeichelt der Eitelkeit, weckt aber auch bitter notwendige Lebenskräfte, als bei Rocky Krebs diagnostiziert wird.

Selbstironie beim Abgesang

Sylvester Stallone wird in diesem Jahr 70 und stimmt – klug – den unwiderruflichen Schwanengesang auf seinen Leinwandhelden Rocky Balboa an. Das macht er einerseits mit viel Pathos, aber auch mit einer deftigen Portion Selbstironie. Er ist das emotionale Zentrum des Films. Und er veredelt es, indem er geradezu bewundernswert beiläufig eine der besten schauspielerischen Leistungen seiner Karriere zeigt.

Weit weniger interessant ist, was um ihn herum passiert, denn es hat sich so ziemlich nichts geändert im Rocky-Kosmos. Ein Neuling, krasser Außenseiter zudem, muss erst an körperlicher Frische und charakterlicher Stabilität arbeiten, bevor er dann im Ring endlich gegen den amtierenden Weltmeister antreten kann. Michael B. Jordan, 2013 in der engeren Wahl für den Sexiest Man Alive, spielt Adonis Creed mit einem Gesicht, das für Reklamefotos für Rasierwasser gut geeignet sein mag, im Bewegtbild aber nur die Nähe zu Beton und kalter Spucke dokumentiert. Für Romantische gibt Tessa Thompson eine spröde Musikerin, die an progressiver Gehörlosigkeit leidet. Die Prügelei im Ring bestreitet Tony Bellew als Gewaltprolet aus Liverpool.

Weniger wäre mehr gewesen

Ryan Coogler stellt nach seinem (nur in Amerika erfolgreichen) Independent-Film „Nächster Halt: Fruitvale Station“ (2013) jegliche Regieleistung in den Dienst der Marke Rocky, was immerhin erstklassige Kamera- und Schnitttechnik in den Kämpfen bedeutet. Ansonsten gilt wie stets, dass Deckung vernachlässigt wird. Man protzt mit Muckis, aber im dicken Bizeps steckt anscheinend nur Power für zwei Klimmzüge. Der Film ist 130 Minuten lang, und er wäre deutlich unterhaltsamer, wenn er eine halbe Stunde kürzer wäre.

Die Fortsetzung von „Creed“ ist bereits geplant. Sie soll im November 2017 in die US-amerikanischen Kinos kommen. Das jedenfalls teilte der Chef der Produktionsfirma MGM vor wenigen Tagen mit.