Hans-Jochen Jaschke und Kai Diekmann sind gut befreundet. Im Hamburger Abendblatt reden der Geistliche, der heute Dienstjubiläum feiert, und der katholische Journalist über Karrieren und Kirche, die Macht der Medien – und die Zukunft

Hamburg. Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke und Kai Diekmann, der Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, sind seit langem freundschaftlich verbunden. Ein Jubiläum führte den Geistlichen und den katholischen Journalisten jetzt in der Abendblatt-Redaktion zusammen: Heute vor genau 25 Jahren wurde Jaschke zum Bischof geweiht. Er ist damit der dienstälteste Bischof, der je in Hamburg tätig war.

Hamburger Abendblatt: Herr Diekmann, was haben Sie im Januar 1989 gemacht?
Kai Diekmann: Ich war auf dem Sprung – sozusagen auf dem Seitensprung. Es ging vom Bonner Büro der „Bild“-Zeitung zum Burda-Verlag nach München. Irgendwann in der Zeit erinnere ich mich auch an eine Reise nach Prag.

Seitdem sind Sie, Herr Jaschke, Weihbischof. Wie hält man das so lange aus?
Hans-Jochen Jaschke: Ich komme mir manchmal vor wie ein Krokodil. Ich schwimme immer noch im Teich, wo auch andere herumgeschwommen sind. Aber ich habe niemanden weg oder gar tot gebissen. Eine gewisse Energie, Lust am Leben und Ausdauer gehören dazu.

Die lange Amtsdauer verbindet Sie beide, den Geistlichen und den Chefredakteur.
Diekmann: Verglichen mit der Amtszeit von Bischof Jaschke bin ich noch grün hinter den Ohren. Grundsätzlich gilt: Um viele Jahre in einer Führungsposition erfolgreich zu sein, ist es wichtig, sich immer wieder neu zu erfinden und sich für etwas Neues zu begeistern. Wenn man die Chance hat, sich neu zu erfinden ...

... was man bei Ihnen auch sieht ...
Diekmann: ... und es einem gelingt, die Erfahrungen mit Leidenschaft zu verbinden, dann ist das keine ganz schlechte Kombination.

Warum hat Weihbischof Jaschke es nicht geschafft, auf der kirchlichen Karriereleiter noch höher zu klettern?
Diekmann: Geht es darum? Er kann in seiner Rolle als Weihbischof seine Stimme im Medienkonzert viel besser und vor allem viel freier erheben. Insofern war es für die Kirche ein großes Geschenk, dass er – um einen Vergleich aus dem Redaktionsleben zu wählen – der großartige Fotograf, der Künstler, geblieben und nicht Chef der Fotoredaktion geworden ist.
Jaschke: Ich habe immer Ja zu dem gesagt, was auf mich zukam. Als Mann der Kirche lasse ich mich rufen, letztlich immer von Christus, dem Herrn der Kirche. Bischof bin ich ein für alle Mal. Sicher, ich wäre gern Leitender Bischof in Hamburg geworden.

Aber nun ist es zu spät.
Jaschke: Ich bin jetzt 72 Jahre alt. Vielleicht wurde ich auch deshalb nicht der Leitende, weil ich nicht ganz ins Schema passen will. Ich sage, was ich denke und verbrenne mir auch mal den Mund.

Mussten auch Sie sich in Ihrem Amt immer wieder neu erfinden und verändern?
Jaschke: Zuerst war ich Pfarrer in Quakenbrück mit 10.000 Einwohnern, 30 Prozent Katholiken, 70 Prozent Protestanten. Da war ich gewissermaßen der „Erste“ zusammen mit dem evangelischen Pastor. Dann kam ich in die Weltstadt Hamburg – natürlich steigt einem das erst mal in den Kopf. Der Alltag kehrt schnell ein, aber ich habe Historisches erleben dürfen: ganz besonders den Fall der Mauer mit der deutschen Einheit. Und 1992 wurde Maria Jepsen zur weltweit ersten lutherischen Bischöfin gewählt. So wurden wir gleichsam zum Bischofspaar von Hamburg.

Rein freundschaftlich.
Jaschke: Bis heute sind wir gute Freunde. Wir mögen uns und können uns auch scharf kritisieren. Ein weiterer Meilenstein war die Gründung des Erzbistums 1995, das neue kirchliche Chancen eröffnete. In dieser Zeit habe ich meine neue öffentliche Rolle gefunden.

„Bild“ hat da kräftig mitgeholfen.
Jaschke: Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zum Abendblatt, zu „Bild“, zum NDR. In Hamburg ist das alles recht unkompliziert.
Diekmann: Bevor Bischof Jaschke nach Hamburg kam, erlebten wir Katholiken diese schöne Stadt als Hardcore-Diaspora. Mit ihm hat sich das zum Glück geändert: Endlich war da einer, der sich als Bischof auf die Bühne stellte, unserer Kirche in Hamburg ein Gesicht gab und sich bei jeder Gelegenheit einmischte. Wir Katholiken wurden selbstbewusster.

Wie haben Sie einander kennengelernt?
Jaschke: Über meiner Wohnung lebten ganz sympathische Leute – die Körzdörfers.
Diekmann: Meine ältesten Hamburger Freunde.
Jaschke: Und die haben mich schon am ersten Tag gefragt, ob ich ihren Sohn taufe. Was ich dann natürlich auch gemacht habe.
Diekmann: Später fragten auch wir Bischof Jaschke, ob er unsere vier Kinder tauft.
Jaschke: Was ich dann ebenfalls übernommen habe.

Sind Sie Beichtvater der Familie Diekmann?
Jaschke: Beichtvater, das nicht. Wir reden ganz ehrlich und offen miteinander.
Diekmann: Diese Offenheit schätze ich an ihm, privat und beruflich. Er ist ein Glücksfall für die Kirche. Bischof Jaschke lässt sich in kein Schema pressen. Ich kenne kaum einen Amtsträger der katholischen Kirche in Deutschland, der so glasklar formuliert.

Am liebsten in den Medien.
Jaschke: Wenn mich Fernsehanstalten und Journalisten anrufen, dann sage ich in der Regel „Ja“. Die Aufgabe ist mir irgendwie zugewachsen, offenbar weil ich das wohl nicht ganz schlecht mache.

Sie wirken im Fernsehen sympathisch.
Jaschke: Ich bin unabhängig, kein Funktionär und nicht Sprecher der Kirche.

Gibt es Kritik an ihren öffentlichen Auftritten?
Jaschke: In der Kirche wird sie manchmal eher zwischen den Zeilen geäußert. Unflätige Reaktionen gibt es natürlich übers Telefon, im Internet und per E-Mail.

In „Bild“ kommen Sie immer gut weg. Lesen Sie das Blatt?
Jaschke: Zuerst lese ich morgens das Hamburger Abendblatt. Die „Bild“ kaufe ich mir oft genug.

Kann man als Katholik in einer so zentralen Position bei „Bild“ wie Kai Diekmann arbeiten?
Jaschke: Was denken Sie! Ein Katholik ist ein freier Mensch wie jeder andere auch. Die Grundmelodie dieser Zeitung soll doch Anstand, Gutes zu tun, ein Herz für Kinder zu haben, sein. Manchmal trieft es mir zu sehr vor Blut und Tränen, und es werden weniger gute Gefühle bedient. Was journalistische Fairness angeht, habe ich den Eindruck, dass Leute auch schon mal bewusst klein gemacht werden.

An wen denken Sie?
Jaschke: Bei Christian Wulff fand ich es nicht gut, dass „Bild“ nachgetreten hat, als er schon am Boden lag.
Diekmann: Da muss ich Ihnen jetzt widersprechen, das haben wir nicht getan. „Bild“ war in der Causa Wulff journalistisch blitzsauber. Ich darf daran erinnern, dass wir für unsere Wulff-Berichterstattung hier in Hamburg mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet worden sind. Was die Fairness angeht: Sogenannte Intelligenzblätter wie die „FAZ“ hatten kein Problem damit, die Rotlichtgerüchte um die damalige Präsidenten-Gattin zu thematisieren – „Bild“ hat dies kein einziges Mal getan.
Jaschke: Aber der Eindruck entsteht, hier wird eine bestimmte Person aufs Korn genommen. Die „FAZ“ und andere machen es auf ihre Weise, durchaus bissig und nicht ohne Schadenfreude. „Bild“ hat die großen Schlagzeilen.

Schlagzeilen gab es auch gegen den Limburger Bischof. Fanden Sie den Fall Tebartz-van Elst in „Bild“ fair behandelt?
Jaschke: Anfangs habe ich mich an dem Wort „Protz-Bischof“ gestoßen. Er ist vom Typ her kein protziger Mensch. Aber das ist eben die „Bild“-Sprache.
Diekmann: Ich fand es bemerkenswert, wie sehr der Fall Tebartz-van Elst vor allem die Gemüter von Nicht-Katholiken bewegt hat. Ich würde mir wünschen, dass beispielsweise die Hamburger Bürger an ihre Politiker im Fall der Elbphilharmonie die gleichen Maßstäbe anlegen würden. Da geht es nämlich um unserer aller Steuergelder.

Was muss die Kirche tun, um in den neuen, digitalen Medien positiv präsent zu sein?
Diekmann: Sie muss die neuen Möglichkeiten nutzen. Was sie inzwischen auch tut. Mein Favorit ist im Moment der Twitter-Account des Kölner Doms. Der setzt jede Stunde einen Tweet ab: „Dong Dong“ – entsprechend der laufenden Uhrzeit.

Witzig. Aber „Bild“ hat keine Korrespondenten mehr im Vatikan.
Diekmann: Weil wir nicht mehr Papst sind, haben wir entschieden, dass wir dort kein Drei-Mann-Büro mehr brauchen. Wir setzten auf die modernen Kommunikationstechnologien – und auf die Lufthansa.

Wie politisch darf die Kirche sein?
Jaschke: Kirche ist niemals unpolitisch. Aber sie darf nicht direkt Politik machen. Im Namen der Kirche möchte ich nicht hören, was politisch richtig oder falsch ist, etwa beim Rückkauf der Energienetze. Im Namen der Kirche kann ich auch keine politische Sonderlösung für die Flüchtlinge in Hamburg einfordern.

Sie kritisieren gerade die evangelische Kirche.
Jaschke: Bestimmte Kreise. Kirche muss für die Menschen, Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung eintreten, aber nicht für bestimmte Parteien.
Diekmann: Ich fand den Satz von Bischöfin Käßmann „Nichts ist gut in Afghanistan“ für unsere Soldaten, die dort unten Dienst tun, grauenhaft.
Jaschke: Mich hat dieser Satz einer kirchlichen Autorität empört. Es besteht ein Uno-Mandat und viele Verantwortliche setzen sich mit allen Kräften für die Menschen in Afghanistan ein.

Kirchliche Autoritäten gelten längst nicht mehr so viel. Nehmen wir zum Beispiel die Sexualmoral der katholischen Kirche. Ihr folgt doch kaum einer noch nach.
Diekmann: Die Pille spielt in der gelebten Wirklichkeit der Katholiken in Deutschland doch schon lange keine Rolle mehr. Es gibt für die Gläubigen wichtigere Fragen.

Welche?
Diekmann: Die Ökumene, die Zulassung geschiedener Wiederverheirateter zur Eucharistie und die Frage, wie Menschen mit krankhafter sexueller Veranlagung von den Priesterseminaren ferngehalten werden können. Dazu gehört für mich die Frage, ob der Zölibat nicht viele geeignete Priester-Kandidaten abschreckt und ausgerechnet Pädophile bis zum heutigen Tag anzieht.
Jaschke: Das sind Verfehlungen Einzelner. Grundsätzlich möchte ich den Zölibat als eine eigene, natürlich freiwillige Lebensform erhalten. Er tut der Gesellschaft gut als Zeichen für eine bewusste Entscheidung für ein Leben mit Christus und für eine ganz neue Familie. Aber die Kirche muss auch einen Weg finden, in größerer Zahl verheiratete Männer zu Priestern zu weihen. Wir brauchen sie und ihre Erfahrung. Auch die Frauen müssen einen wichtigen Platz in der Seelsorge haben.

Dass es die Kirche in 30 Jahre noch gibt, dürfte unstrittig sein. Gibt’s die gedruckte „Bild“ auch künftig noch?
Diekmann: Ich bin davon überzeugt, dass die „Bild“-Zeitung auch in 20 Jahren die größte Zeitung in Deutschland und Europa ist – sei es gedruckt oder auf digitalen Trägern. Wenn ich mir eine Wagner-Oper anhören will, habe ich das vor 20 Jahren per Schallplatte getan. Heute lade ich sie mir von iTunes herunter. Mich interessiert nicht das Trägermedium, sondern dass es gelingt, die Marke „Bild“ von der analogen in die digitale Welt zu transformieren. Papier ist begrenzt, aber die digitalen Oberflächen bieten Chancen in jeder Dimension.

Herr Jaschke, was planen Sie in den nächsten Jahren?
Jaschke: Das Amt werde ich noch drei Jahre lang ausüben – in der Caritas, bei der Bundespolizei, in der Öffentlichkeit unserer Gesellschaft. Das Wichtigste bleibt für mich aber der offene Blick für die Menschen und die Sympathie.
Diekmann: Die Marke Jaschke hängt nicht am Amt. Er wird auch danach eine kraftvolle Stimme Gottes sein.

Hat die Marke Diekmann in ihrem Berufsleben publizistische Fehler gemacht?
Diekmann: Wer von uns ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein.

Wird Gott ihm diese Fehler vergeben?
Jaschke: Bei Gott gibt es keine „billige Gnade“, aber seine Güte ist größer als alle Fehler, die jeder von uns macht.