Das Image der Elbphilharmonie sinkt mit jeder Kostensteigerung und jeder Terminverzögerung. Ein Gespräch mit PR-Professorin Annette Uphaus-Wehmeier über Rettung aus dieser Not.

Hamburg. Das Thalia gastiert beim Berliner Theatertreffen – und was schreibt Regisseur Luk Perceval bei „Überschätztes Bauwerk“ in den „Tagesspiegel“- Fragebogen? „Elbphilharmonie in Hamburg“. Ein Beweis mehr für die mächtige Image-Schieflage. Und ein Grund mehr, um mit der Hamburger PR-Professorin Annette Uphaus- Wehmeier darüber zu sprechen.

Hamburger Abendblatt: Die beste PR für die Elbphilharmonie machen momentan ja wohl Berlins Flughafen und Stuttgart 21. Verglichen damit geht’s uns noch gut.

Annette Uphaus-Wehmeier: Stimmt, denn die Elbphilharmonie ist als Idee und Konstrukt positiv besetzt.

Bei verzehnfachtem Preis?

Uphaus-Wehmeier: Das muss man davon losgelöst sehen. Wir reden davon, wie das Gebäude mit seiner Silhouette an der Elbe positioniert ist. Bei Stuttgart 21 ist ja das Projekt umstritten.

Werbung soll überreden, PR will überzeugen. Dann haben die Elbphilharmonie- Verantwortlichen noch gut zu tun.

Uphaus-Wehmeier: Ja. Für PR genügt es eben nicht, Plakate aufzuhängen und zu sagen: Nun ist alles gut und schön. Sie versucht, an unterschiedliche Zielgruppen jeweils passende Botschaften zu senden. Was für Hamburg gilt, gilt erst recht über die Stadtgrenzen und Deutschland hinaus.

Aber das gesamte Projekt hat ein Image- Problem, und kein kleines.

Uphaus-Wehmeier: Das ist in der Tat groß und hat eine bis dato unbekannte Dimension. Als der Bau-Entschluss fiel, gab es allenthalben Euphorie. Mit immer neuen Verzögerungen verschlechterte sich die Stimmung. Doch diese Herausforderung kann man meistern. Natürlich muss man selbstkritisch sein und darf nicht so tun, als ob das alles nicht passiert sei.

Das Kind ist noch nicht rettungslos im Brunnen versunken?

Uphaus-Wehmeier: Ich würde jetzt einen klaren Schnitt machen. Für kluge PR gilt es, eine Situationsanalyse zu erstellen. Wo liegen Chancen und Risiken, Schwächen und Stärken? Man kann nur durch gute strategische Kommunikation etwas bewirken. Aber das geht nicht von heute auf morgen, nicht von 2013 auf 2014. Jetzt müsste man es hinbekommen, dass die Elbphilharmonie nicht länger mit negativen Begriffen verbunden wird. Und das dauert.

Aber wie soll das gehen? Jeder hat das ganze Elend bombenfest im Gedächtnis.

Uphaus-Wehmeier: Durchs Internet wird es einstweilen auch im kollektiven Gedächtnis bleiben. Gerade deshalb muss man versuchen, die Elbphilharmonie bei den unterschiedlichen Zielgruppen neu zu kommunizieren, auch intern. Dass beispielsweise nicht nur die Konzertbesucher davon partizipieren werden. Es geht auch darum, was eine Stadt prägt. Und ich würde es auch mit etwas Humor versuchen.

Vielen ist bei jetzt 789 Millionen Euro Gesamtkosten jedes Lachen vergangen.

Uphaus-Wehmeier: Natürlich ist es das. Aber man muss jetzt sagen: Das Projekt wird vollendet, es startet neu, wir möchten es in ein anderes Licht setzen. Das heißt nicht, dass man Schwächen leugnet. So wie es Baden-Württemberg mit ,Wir können alles. Außer Hochdeutsch‘ erfolgreich propagiert hat. Damit hat sich das Ländle selbstbewusst, aber mit Augenzwinkern positioniert.

Also: Wir können eine Menge. Aber Elbphilharmonie gerade eher nicht?

Uphaus-Wehmeier: Nein, im Gegenteil: Wir können Elbphilharmonie. Es ist nur anders gelaufen. Und das Positive wird später sichtbar. PR schafft Beziehungen; sie aufzubauen, zu pflegen und zu stärken, das dauert. Eine Maßnahme daallein genügt nicht. Man braucht eine Strategie, an der man festhält.

Sie sind auch Endverbraucher. Sehen Sie etwas, was wie eine gute Strategie wirkt?

Uphaus-Wehmeier: Gute Strategien erkennt man nicht auf den ersten Blick. Und dass sich eine Form von Schadenfreude entwickelt hat, mag auch damit zu tun haben, dass es anfangs hieß: Hamburg baut ein Wahrzeichen. Das habe ich damals schon kritisiert. Ein Wahrzeichen muss sich entwickeln; es entsteht erst in der Wahrnehmung durch andere. Ich kann auch nicht sagen: Ich schreibe jetzt einen Hit.

Gibt es Beispiele für gelungene Reha?

Uphaus-Wehmeier: Ein Fall, bei dem man gut aus einer kommunikativen Krise herauskam, war der Elchtest bei der A-Klasse. Der hat Mercedes am Ende nicht zum Schaden gereicht.

Die Elbphilharmonie wird von der Stadt immer wieder nicht als Kultur-Projekt thematisiert, sondern als Produkt und Teil des Stadtmarketings.

Uphaus-Wehmeier: Da haben Sie recht, das muss man anders sehen. Man muss mehr Empathie an das Thema bringen. Das gilt auch für das Marketing.

Viele mögen dieses Projekt aber überhaupt nicht mehr hören oder sehen.

Uphaus-Wehmeier: Mag sein. Es ist aber da, obwohl irgendwie auch nicht. Eine unglaubliche Herausforderung, die man aber meistern kann und muss.

Genügt es denn, wie es jetzt passiert, vor allem Konzerte zu veranstalten, also das zu tun, was ohnehin ansteht?

Uphaus-Wehmeier: Nein, da muss man mehr tun. Da ist viel Kreativität gefordert. Die Elbphilharmonie soll ja nicht nur Musik anbieten.

Hat das bei vielen verheerende Image dieses Kulturprojekts auch mit der Hamburger Kaufmannsmentalität zu tun, dass sich so etwas immer rechnen muss, bevor es als gut angesehen wird?

Uphaus-Wehmeier: Das kann sein. Das verbindet auch dieses Thema mit der PR an sich. Die sich - bevor sie wirken kann - rechnen soll.

Was würde gute PR diesem Projekt in der nächsten Zeit bringen?

Uphaus-Wehmeier: Es geht ja eben nicht, dass man jetzt etwas macht und pünktlich in einem halben Jahr sind alle begeistert. PR ist Beziehungsmanagement. Beziehungen kann man nur durch Kommunikation aufbauen, und die sollte immer wechselseitig sein.

Auf der Elbphilharmonie-Website gibt es zehn Fragen an Generalintendant Lieben- Seutter, da wird die Dauerkrise nicht thematisiert. Auch nicht bei den zehn Fragen an die Architekten. Es gibt eine Projekt-Zeitleiste, die 2012 endet. Bei der Stiftung ist bei den „Häufig gestellten Fragen“ das Thema „Musik“ an letzter Stelle, der Suchbegriff „Krise“ geht ins Leere. Klug geht anders, oder?

Uphaus-Wehmeier: Wenn Sie so wollen: Ja. Darüber reden, was man tut, und Verständnis zu gewinnen suchen, darum geht es. Verzögerungen und Schwierigkeiten zu negieren ist mit Sicherheit nicht richtig. Aber es kommt darauf an, wie man es macht. Man kann von keiner Organisation erwarten, dass sie selber die kritischen Punkte in den Mittelpunkt stellt. Aber um Vertrauen zu erwecken – und Vertrauen ist ein zentraler Begriff in der PR –, muss man auch schwierige Punkte ansprechen.

Je größer die Probleme, desto größer auch die Chancen?

Uphaus-Wehmeier: So kann man das nicht sagen. Aber mit Sicherheit sind kritische Situationen oft auch Wendepunkte zum Besseren.

Ohne unhöflich zu sein: Worte über Verkantungen und Wendepunkte haben wir so oft gehört, es fehlt einem längst der Glaube. Ein Großteil des Ensembles dieses Trauerspiels hat sich nicht geändert. Es passiert nichts, das ist der Eindruck.

Uphaus-Wehmeier: Dann ist es jetzt Zeit, dass etwas passiert.

Kann es nicht sein, dass es bereits zu spät ist für PR und schon Zeit für Werbung?

Uphaus-Wehmeier: Nein. PR nutzt ja auch Mittel aus der Werbung. Kommunikation ist das Einzige, was diesem Projekt jetzt guttäte.