Mit der Ausstellung „Der Tod und das Meer“ widmet sich das Altonaer Museum nach viermonatiger sanierungsbedingter Schließung der Seefahrt und dem Leben an der Küste

Hamburg. Zwischen Angst und Hoffnung schwebt die junge Frau, die am Strand sitzt und auf die aufgewühlte See blickt. Sie birgt ihre kleine Tochter im Arm, und der Junge, der neben seiner Mutter im Sand kniet, zeigt mit dem Finger aufs Meer. „Wartende Fischersfrau“ heißt das Ölbild, das Heinrich Tank 1840 gemalt hat und das nun als Plakatmotiv für die Ausstellung „Der Tod und das Meer“ dient. Nach viermonatiger sanierungsbedingter Schließung ist die interdisziplinäre Schau anlässlich des 150. Jubiläums des Altonaer Museums zu sehen, das 1863 gegründet wurde.

Das Verhältnis von Natur und Mensch, das künftig das Profil des Hauses noch stärker bestimmen soll, bildet das Leitmotiv der Ausstellung. Die Kuratorinnen Nicole Tiedermann- Bischop und Verena Fink haben das Thema sowohl unter kunsthistorischen als auch kulturgeschichtlichen Gesichtspunkten beleuchtet und in sehr verschiedene Aspekte gegliedert. Es geht um die Naturgewalt des Meeres, das zwar die Lebensgrundlagen der Küstenbewohner bildet, sich zugleich aber immer wieder als bedrohlich erweist. Das Meer birgt Gefahren, es ist ein Mythos und schließt stets die Möglichkeit ein, dass Menschen versagen. Der Sturm, der plötzlich aufkommt und Schiff und Mannschaft überfordert, ist eine menschliche Grunderfahrung, die sich trotz allen technischen Fortschritts nicht überwinden und niemals außer Kraft setzen lässt. Schiffbruch erleiden, ist als metaphorische Prägung weit über den ursprünglichen Zusammenhang hinaus zum Synonym für menschliches Scheitern geworden.

In der Ausstellung begegnen uns aber zunächst Schiffsuntergänge im ganz ursprünglichen Sinn. Kunstwerke und Dokumente erinnern zum Beispiel an den Untergang der „Titanic“ oder der „Cap Arcona“. Auch ein originales Bullauge der 1945 versenkten „Wilhelm Gustloff“ verweist auf eine Tragödie, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. Auf einem 1854 entstandenen Gemälde von Eduard Schmidt ist in aufgewühlter See eine gekenterte Brigg zu sehen, deren Mannschaft sich im Ruderboot an die Westküste von Helgoland zu retten versucht. Die glückliche Errettung aus tödlicher Gefahr ist ein wichtiges Motiv, das schon in antiken Dichtungen und in der Bibel vorkommt. Ein Beispiel ist der alttestamentliche Prophet Jona, der sich seinem göttlichen Auftrag zu entziehen versucht, bei stürmischer See über Bord geworfen, aber von einem großen Fisch verschluckt wird, der ihn später unversehrt an Land spuckt. Zu sehen ist ein im 17. Jahrhundert entstandenes Präparat eines Heringshais, der in seinem Maul die Figur des Propheten hält.

Die Geschichte der Seenotrettung, die Piraterie, aber auch der Umgang von Mensch und Gesellschaft mit Tod und Trauer sind Themen, die mit Bildern, Grafiken und historischen Objekten und Dokumenten aufgezeigt werden. 170 Exponate kommen aus dem Bestand des Altonaer Museums, etwa 80 weitere Leihgaben aus anderen Museen und privaten Sammlungen.

Immer wieder gibt es sehr direkte Bezüge zur norddeutschen Küste. So schildert Carl Ludwig Jessens eindrucksvolles Gemälde „Begräbnisfeier“ von 1897 eine Szene auf Sylt. In der Bildmitte steht ein Sarg, der von einem evangelischen Pastor und zahlreichen trauernden Männern und Frauen umgeben ist. Im Hintergrund erkennt man die Kirche von Keitum. Das Gemälde gibt nicht zu erkennen, ob es ein üblicher oder ein außergewöhnlicher Trauerfall war, ob der Tod hier Resultat von Krankheit oder Seenot gewesen ist. Aber die Grabsteine auf den Friedhöfen vieler Küstenorte, die in der Ausstellung auf Fotografien dokumentiert werden, geben häufig Auskunft über das Schicksal des Verstorbenen. Und oft ist der Tod auf dem Meer nicht nur die persönliche Tragödie eines Seemanns gewesen, sondern stürzte auch dessen Hinterbliebenen in Not und Armut, denn ein gesetzliches Sozialversicherungswesen wurde erst im späten 19. Jahrhundert ins Leben gerufen.

Bangen, Trauern und Erinnern gehörten für die Menschen am Meer ganz selbstverständlich zu einem Alltag, der sich weder beherrschen noch berechnen ließ. Ebenso selbstverständlich wie die Erfahrung von Bedrohung und Unglück war aber auch die Hoffnung auf Errettung, für die die christliche Ikonografie mit dem Anker gleichfalls ein maritimes Symbol bereithält.

„Der Tod und das Meer“ Altonaer Museum, Museumsstr. 23, bis 26.1.2014, Di–So 10.00–17.00