Die neue Intendantin setzt in ihrer ersten Saison am Schauspielhaus auf Internationalität, ein charismatisches Ensemble und einen Antiken-Marathon zum Auftakt.

Hamburg. „Hamburg ist die internationalste Stadt Deutschlands“, findet Karin Beier, die neue Intendantin des Deutschen Schauspielhauses. „Da musste es zwangsläufig zu einer Liaison mit mir kommen. Es war praktisch eine Liebesheirat zwischen Hamburg und mir.“ Denn berühmt geworden ist Beier durch ihre multinationalen Projekte, mit denen sie sich als junge Regisseurin einen großen Namen machte. Und die Stadt Hamburg, in der sie in den 90er-Jahren schon arbeitete, entdeckt sie nun ganz neu.

Lange und mit Spannung erwartet wurden die Pläne der neuen Theaterleiterin. Am Freitag stellte Karin Beier ihren Spielplan für die Eröffnungssaison am Deutschen Schauspielhaus vor. Zwölf Frauen und 20 Männer kommen in ihr Ensemble, viele neue Schauspieler sind dabei, darunter Charly Hübner, den auch Theaterferne aus dem „Polizeiruf“ kennen dürften, Maria Schrader, Bettina Stucky, Christoph Luser, Lina Beckmann und Götz Schubert. Alte Bekannte wie Joachim Meyerhoff, Josef Ostendorf oder Michael Wittenborn kehren zurück.

Eröffnen wird die Chefin selbst das Theater am 15. November – der späte Starttermin ist den verzögerten Umbauten an der Bühnenmaschinerie geschuldet – mit einem vielstündigen Marathon. Ihr Projekt „Die Rasenden“ setzt sich aus fünf Stücken der griechischen Antike zusammen, geschrieben von Aischylos und Euripides. Mutig darf man das nennen, aber wer sich beispielsweise daran erinnert, wie der Regisseur Peter Stein die Ur-Dramen unserer Kultur, die Orestie, auch einmal als siebenstündige Großveranstaltung inszeniert hat, wird dieses faszinierende Erlebnis nie vergessen. Karin Beier traut sich was. „Ich freue mich darauf, hier kräftig zupacken zu können“, sagte sie am Freitag.

Sie liebe es, spartenübergreifend zu arbeiten, ergänzte Beier zudem und meinte damit unter anderem, dass am Schauspielhaus demnächst die englische Regisseurin Katie Mitchell arbeiten wird. Sie inszeniert „Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino“, ein neues Stück von Martin Crimp, der sich ebenfalls von der griechischen Antike inspirieren lässt (Premiere: 24. November). Außerdem kommen die polnische Regisseurin Maja Kleczewska (sie inszeniert Shakespeares „Sturm“, Premiere: 7. Dezember), der Holländer und Intendant der Münchner Kammerspiele Johan Simons (er inszeniert Jean Genets „Die Neger“ als Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen und den Wiener Festwochen, Premiere ist im Mai 2014) und der Schweizer und „Heimweh-Spezialist“ Christoph Marthaler, der sich dem Thema „Verbrechen & Heimat“ widmet (Premiere 22. Februar). Der Südafrikaner William Kentridge wird performative Vorträge halten. Regisseur Sebastian Baumgarten inszeniert für den 28. Dezember „Die Ballade vom Fliegenden Holländer“ als spartenübergreifendes Projekt. Der Dramatiker Roland Schimmelpfennig wird sein neues Stück „Spam“ Mitte Mai 2014 in einer eigenen Inszenierung herausbringen. Karin Henkel führt Regie bei „Schuld und Sühne“ nach Dostojewski (Premiere: 24. Januar), Sebastian Nübling inszeniert Simon Stephens Stück „Carmen“, das Motive von Einsamkeit aufgreift. Die Titelrolle wird gespielt von der israelischen Sopranistin Rinat Shaham, die weltweit an Opernhäusern die Carmen singt. Und Herbert Fritsch, der in den vergangenen Jahren die Bühnen zwischen Hamburg, München und Berlin mit seinen grotesk-komischen Inszenierungen aufmischte, präsentiert Molières „Die Schule der Frauen“ (Premiere 5. April).

Ein D in einem Kreis ist das neue Signet des Deutschen Schauspielhauses, es erinnert an das alte Auto-Länderkennzeichen. „Gegründet wurde das Theater 1900, um die deutsche Klassik zu pflegen“, erklärte Beier. „Wir wollen nun der Frage wieder nachgehen: ‚Was ist deutsch?‘“ Und auch das Wort „Schauspielhaus“ soll mit ihrem Team wieder Bedeutung bekommen. „Der große Zuschauerraum braucht ein starkes, ein charismatisches Ensemble. Er braucht Regisseure, die kraftvoll und entschieden inszenieren. Programmatisch lädt dieses Theater dazu ein, sich mit großen Stoffen zu beschäftigen und verschiedene Genres zu vermischen.“

An der Eröffnungsinszenierung der „Rasenden“ ist das Ensemble Resonanz beteiligt, die Musik zum „Fliegenden Holländer“ wird Chilly Gonzales schreiben. Und Hamburg kommt gleich in zwei Projekten vor, „New Hamburg“ will sich mit der Stadt vernetzen, und „Hunger for Trade“ ist ein Projekt, das in Brasilien mit Nachkommen von Hamburger Auswanderern gestartet ist. „Die besten künstlerischen Impulse entstehen, wenn wir vertrautes Schubladendenken aufgeben“, weiß die Regisseurin, die mit gewagten Projekten ihre größten Erfolge feiern konnte.

Bleiben der Malersaal und das Junge Schauspielhaus. Auch im Malersaal, den Beier für das Haus wiedererobert, ist viel Internationales geplant. „Nach Europa“, nach der französisch-afrikanischen Autorin Marie N’Diaye über drei Afrikanerinnen in Europa, inszeniert Friederike Heller. „Désolé“ wird ein zweisprachiger Abend über Kolonisation, den der französische Künstler Vincent Macaigne herausbringt. Zu „Pfeffersäcke im Zuckerland“, inszeniert von Karin Beier, hat Elfriede Jelinek ein Stück geschrieben, „Strahlende Verfolger“, in dem es um das Selbstverständnis von Deutschen in der Fremde geht.

Das Junge Schauspielhaus wird aus dem Malersaal in die Gaußstraße umziehen und dort neben dem Thalia ein neues Theater eröffnen. Inhaltlich geht es dann unter anderem um jugendliche Gewalt in Klaus Schumachers Inszenierung „Fun“ (21. September). Gertrud Pigor beschäftigt sich in „Wann gehen die wieder“ mit Patchworkfamilien (1. Dezember) und Barbara Bürk inszeniert „Der Zauberer von Oz“ (Mai 2014).

Geschäftsführer Peter Raddatz verkündete neue Abo-Modelle. Zehnmal kann man etwa wochentags für nur 115 Euro ins Theater, sechsmal für 75 Euro. Sogar ein Sonntagnachmittags-Abo inklusive Kinderbetreuung ist geplant. Es wird also spannend — und alles ist zum Ausprobieren da.