Von den Fotos, die uns täglich überfluten, behalten wir nur wenige Motive in Erinnerung. Der Hamburger Fotograf weist einen Weg.

Schon zum fünften Mal in Folge ist der Fotograf, Fotografiesammler und -Experte F.C. Gundlach Mitte Dezember in die Abendblatt-Redaktion gekommen, um seine Bilder des Jahres zu küren. Das ist immer wieder aufs Neue eine schwierige Aufgabe, weil wir täglich mit Tausenden Bildern konfrontiert werden, von denen wir die meisten sofort wieder vergessen. Einige bleiben aber in Erinnerung, weil sie uns emotional berührt haben oder weil sie ein wichtiges Ereignis oder eine gesellschaftliche Entwicklung zu einem Sinnbild verdichten. Manchmal bewahrheitet sich das Sprichwort und ein Bild vermag tatsächlich mehr auszusagen, als es die vielen Worte eines langen Artikels können.

Tagelang hatten Fotoredakteurin Monika Drews und Mark Sandten, der Chef der Abendblatt-Fotoredaktion, die Bilder durchgesehen, die die internationalen Agenturen seit Januar zu den großen Ereignissen des Jahres gesendet hatten. Mehrere Tausend Bilder, von denen viele auch im Abendblatt abgedruckt worden waren, betrachteten die beiden Redakteure am Bildschirm, um eine kleine, aber möglichst repräsentative Auswahl der besten und aussagekräftigsten Motive zu treffen und diese dann auszudrucken.

Insgesamt nur 46 Bilder schafften es in die Auswahl, die Gundlach beim Redaktionsbesuch vorgelegt werden sollte: Bilder von den sozialen Unruhen in der arabischen Welt, vom Krieg in Syrien, von Demonstrationen in Athen, von Unglücken und Katastrophen, von politischen und sportlichen Ereignissen und von Menschen, deren Handeln oder deren Schicksal uns bewegt hat. Als F.C. Gundlach am frühen Nachmittag des 10. Dezember diese auf einem großen Konferenztisch ausgebreitete Auswahl betrachtete, ergaben sich zahlreiche Übereinstimmungen mit jenen Bildern, die er selbst mitgebracht hatte. Wie in den vergangenen vier Jahren stand er auch diesmal wieder vor der Aufgabe, maximal 13 Motive für eine Doppelseite im Abendblatt auszuwählen.

"Dieses Jahr finde ich es besonders schwierig, denn es gibt so viele, oft auch erschreckende Ereignisse, die uns bewegt und in Atem gehalten haben", sagt der Fotograf und beginnt damit, Bilder umzudrehen und damit auszusondern. Am Anfang geht das relativ schnell, manche Motive fallen aus qualitativen Gründen sofort durchs Raster, von anderen trennt er sich nur schweren Herzens. Bundespräsident Wulffs Abgang, ein wirkliche starkes Motiv, dreht Gundlach um, ebenso die Bilder mit Nachfolger Joachim Gauck. Das Ereignis wirkt zu Jahresende schon merkwürdig fern, und die Bilder vom neuen Bundespräsidenten überzeugen Gundlach alle nicht.

Nach 50 Minuten sind nur noch 22 Motive übrig, neun müssen noch ausgesondert werden Aber hier tut er sich schwer. Das diamantene Thronjubiläum der Queen? Gundlach zögert lange, dann dreht er das Bild doch noch um. Eine wirklich eindrucksvolle Aufnahme von einem riesigen New Yorker Taxenparkplatz, den der Wirbelsturm Sandy im November unter Wasser gesetzt hat, überzeugt ihn am Ende doch nicht.

Nach 75 Minuten liegen nur noch 13 Motive auf dem Konferenztisch, Gundlachs Endauswahl steht. "Es sind diesmal wirklich harte und schreckliche Bilder darunter, trotzdem sollten wir sie zeigen, denn sie sind Ausdruck einer harten und schrecklichen Realität", sagt der Fotograf und zeigt dann auf das Bild mit Barack und Michel Obama nach der gewonnenen Präsidentschaftswahl. "Machen Sie das groß", meint Gundlach: "So ein positive Bild tut uns allen gut."