Die Band, Teil 6: Das Abendblatt begleitet Tonbandgerät auf dem Weg in die Popwelt. Heute geht es um die Anhänger der Gruppe.

Hamburg. Immer dann, wenn Popsongs nicht einfach vorbeifliegen. Wenn sie sich mit dem eigenen Leben verzahnen. Wenn sie stützen, trösten und beflügeln. Immer dann werden aus Hörern Fans. "Wenn die singen 'Wir brauchen keinen Sinn/nur weil alle das sagen', dann erleichtert mich das einfach, vor allem in so Scheißphasen", sagt Freya Schütte und lächelt sehr breit.

Mit "die" meint die 32-Jährige das junge Hamburger Popquartett Tonbandgerät, das gerade mächtig durchstartet auf dem Weg in die Musikwelt. "Ohne unsere Fans wären wir nur vier Freunde, die gemeinsam Musik machen. Wenn auf unseren Konzerten mitgesungen wird, ist das für uns immer ein toller und besonderer Moment", sagt Sophia Poppensieker, die die Lieder der Band komponiert und Gitarre spielt. Und beim ausverkauften Konzert von Tonbandgerät diesen Freitag im Knust wird auch Schütte ihre Favoriten anfeuern. Dann ist sie nicht die Fitnesstrainerin aus dem East-Hotel. Dann ist sie ganz bei sich. Wer Fans wie sie hat, braucht keine Scheinwerfer.

Vor dem großen Live-Abend trifft sich Schütte aber erst mal mit zwei weiteren Anhängern von Tonbandgerät, um ausgiebig zu fachsimpeln. Zu schwärmen. Und um dieses Lebensgefühl zu zelebrieren, das nur kennt, wer dieselbe Musik liebt. Drei Menschen, drei Geschichten, dreimal Herzblut.

"Als Ole anfing zu singen, da wusste ich: Das wird was! Der nimmt mit seinem Gesang jeden mit, der nimmt dich damit ja förmlich in den Arm", sagt Uwe Capelle mit raumgreifender Stimme und stützt sich auf den Tresen in seiner Küche, wo sich die Fans beim Astra versammelt haben. Sein Kater springt hoch und schnurrt um die Bierknolle herum.

Hauptberuflich arbeitet der 45-Jährige mit der markanten Glatze als Versicherungskaufmann, in seiner Freizeit jedoch ist er mit Leib und Seele "Seniorfan", wie er selbst sagt. In seiner Wohnung in Winterhude stehen Devotionalien wie in einer Kunstausstellung. Eine Kettcar-Platte mit allen Unterschriften der Band. Ein Foto mit Thees Uhlmann. Das Kid Kopphausen-Album.

Rund 100 Konzerte besucht Capelle im Jahr, manche veranstaltet er praktischer Weise direkt in seinem Wohnzimmer. So schickte ihm ein befreundeter Musikmanager auch Tonbandgerät ins Haus. Seinen ersten Auftritt von Sänger Ole Specht, Drummer Jakob Sudau, Bassistin Isa Poppensieker und ihrer Schwester Sophia erlebte Capelle daher vom eigenen Sofa aus.

"Die Mitschnitte von dem Wohnzimmerkonzert habe ich mir ungefähr hundert Mal bei YouTube angeschaut", sagt Schütte und schickt erneut ihr immenses Strahlen in den Raum. "Ich konnte an dem Abend leider nicht", wirft Adam Basedow ein. Der 20-Jährige mit den braunen Locken und der kantigen schwarzen Brille ist der beste Beweis dafür, wie ein Lied ein ganzes Leben verändern kann. In seinem Fall war es der Song "Kammerflimmern".

"Erstmal waren wir befeindete Bands", erklärt Basedow und lacht. Seine Crossover-Combo Still In Search sollte vor drei Jahren bei einem Talentwettbewerb im Ernst-Deutsch-Theater auftreten. Um sich vorzubereiten, hörte er sich vorab die übrigen Teilnehmer im Internet an. Mit dabei: Tonbandgerät. "Deren Stück 'Kammerflimmern' hat bei mir sofort einen Nerv getroffen", sagt der Musiker. Gewonnen haben schließlich beide. Basedow ging danach immer häufiger auf Konzerte seiner einstigen Konkurrenten und glaubte schnell fest daran, dass "dieses besondere Gefühl, das die Band ausstrahlt", bald mehr Leute erreichen würde.

"Wenn ihr mal größer werdet, dann werde ich euer Backliner. Ihr müsst auch nicht dafür bezahlen. Ich möchte nur, dass es euch gut geht." Dieses Angebot unterbreitete Basedow den Vieren immer wieder. Als Tonbandgerät 2011 schließlich vom Majorlabel Universal unter Vertrag genommen wurde, war sein Einsatz gekommen. Die Gruppe spielt seitdem mehr und mehr auf Festivals. Und Basedow reist mit, stimmt Instrumente, bewegt Equipment, kümmert sich. Er ist quasi der fünfte Beatle. Rückhalt, Maskottchen, Entspannungsfaktor. Mittlerweile hat er seine Berufung zum Beruf gemacht: Im Knust macht er eine Lehre als Veranstaltungstechniker. Genau in jenem Klub, in dem auch Schütte im Sommer Tonbandgerät für sich entdeckte. Diese Band, die für sie "einfach nur echt" ist.

"Eigentlich", sagt Schütte, "bin ich Bosse-Fan." Die Musik des Deutschpop-Charismatikers habe sie im vergangenen Winter "sehr intensiv" gehört. Als Seelenbegleiter zur Beziehungskrise. "Große Liebe, Probleme, eine Never-Ending-Story", fasst sie die persönliche Gemengelage zusammen. Für sie stand fest: "Ich muss aufs Bosse-Konzert, denn das ist hammer-emotional!" Da der Gig aber nach zwei Stunden ausverkauft war, startete sie auf Facebook einen Aufruf: "Suche Karte. Es ist essenziell!" Überraschend bot ihr Sophia Poppensieker (Schütte: "ein Engel!") einen Gästelistenplatz an, denn Tonbandgerät spielte im Vorprogramm.

"Als ich an dem Abend die ersten Töne der Band gehört habe, hat es mich direkt gepackt", sagt Schütte schwelgerisch. Den kleinen Hit "Irgendwie anders" baut sie seitdem regelmäßig in ihre Fitnesskurse ein. Auf ihrer Umhängetasche prangen Autogramme und Sticker der Band. Und selbstverständlich fuhr sie im September auch im Fanbus mit nach Berlin zum New Music Award, den Tonbandgerät prompt gewann.

"Die Band ist altersfrei", findet Schütte und zieht ein Bild hervor, das ihre zehnjährige Nichte Pia von Isa, Jakob, Ole und Sophia gemalt hat. "Das liegt an der Nähe, die die geben können", analysiert Capelle und nimmt, als wolle er seine Aussage unterstreichen, noch beherzt einen Schluck Astra. "Bei denen merkt man: Die sind gewachsen."

Dem "Seniorfan" gefallen vor allem die unterschiedlichen Charaktere. "Die ruhige Sophia. Und dann Isa mit ihrem impulsiven Bass." Seine größte Hoffnung: dass die Band ihre Eigensinnigkeit behält. "Trotz allem geschäftlichen Erfolg, den ich denen wünsche", wie er betont. Fans sind eben nicht bloß euphorisch, sie machen sich auch Sorgen.

Schütte möchte, dass die Vier "so schön bunt bleiben". Ganz so, wie es im Song "Raus hier" heißt: "Und ich schaue den Himmel an/wie die Farben sich selber malen." Verse, die der Fan jüngst im Teneriffa-Urlaub schmerzlich vermisste. "Ich hatte keinen iPod dabei. Als ich danach dann das erste Mal wieder Tonbandgerät gehört habe", erzählt sie, "da war das wie nach Hause kommen." Eine Heimat, die in der Musik liegt.

Alle weiteren Teile zur Serie unter www.abendblatt.de/tonbandgeraet