Zwei Hamburger Tierfilmer sind für ihre Produktion über indische Lippenbären beim Naturfilmfestival Green Screen in Eckernförde nominiert.

Hamburg/Eckernförde. Nah dran zu sein war das Ziel. Aber so nah? Als Oliver Goetzl in der größten Mittagshitze in die Höhle kletterte, um eine der versteckten Kameras neu auszurichten, bekam er Besuch. Zotteligen, schnaufenden und vor allem äußerst wehrhaften Besuch. Ein ausgewachsener Lippenbär, auf dessen Spuren der Hamburger Tierfilmer und sein Partner Ivo Nörenberg viele Monate in Karnataka, im Süden Indiens, verbrachten, suchte ein ruhiges Plätzchen für einen Mittagsschlaf. Sofort griff das Raubtier Goetzl an, dem es wie durch ein Wunder mit einem kräftigen Stoß gelang, das Tier aus der Höhle zu schieben. Es sollte nicht die einzige gefährliche Situation bei diesem Dreh bleiben, für dessen Resultat - ein erstmals gefilmtes, bildgewaltiges Porträt Balus, des Helden aus dem Dschungelbuch - die beiden Deutschen jetzt für verschiedene große Filmpreise nominiert sind.

In der Königsdisziplin "Bester Film" geht die NDR-Naturfilm-Produktion ab Donnerstag in Eckernförde ins Rennen. Bei Green Screen, dem größten Naturfilmfestival Deutschlands und zweitgrößten seiner Art in Europa, werden bis Montag 12 000 Gäste erwartet. Bekannte internationale Filmemacher, aber auch ambitionierte Newcomer aus 15 Ländern hatten dafür in diesem Jahr 160 Filme in Eckernförde eingereicht, wo die Veranstaltung bereits zum sechsten Mal über die Bühne geht. Ganz großes Kino im Bereich der Natur- und Umweltdokumentationen ist programmiert - jedoch ohne Kino. Denn der Bau in der zentralen Kieler Straße wurde in diesem Jahr geschlossen.

Zu improvisieren, auf ungewöhnliche Situationen zu reagieren und auch nach vermeintlichen Rückschlägen weiterzumachen - das passt auch zum Filmteam Goetzl/Nörenberg. Seit 1999 arbeiten der Diplom-Biologe Oliver Goetzl, 44, und der Fotograf Ivo Nörenberg, 42, zusammen. Sie gründeten 2004 "Gulo Film Productions" und wurden seitdem für ihre Filme mit mehr als 70 internationalen Preisen ausgezeichnet. Doch was sie bei den Dreharbeiten für die ARD-Tierfilmserie "Wildes Russland" 2007 und vergangenes Jahr in Indien erlebten, hat ihnen den inoffiziellen Titel "Bruchpiloten des Naturfilms" eingebracht. Bereits zweimal stürzten sie während Filmaufnahmen mit einem Heißluftballon ab. An den Berghängen des Urals zerschmetterte sich Ivo Nörenberg dabei ein Schulterblatt, in Indien zog sich Oliver Goetzl Verletzungen zu - kurz zuvor war er zudem von einem Felsen gestürzt. Und dann war da ja auch noch die Höhlenbegegnung mit dem Bären. Doch nichts davon konnte die Hamburger aufhalten.

Ihr Lohn: 45 Minuten intime Einsichten in das Verhalten der Bären, die so noch nie gefilmt wurden, eingebunden in atemberaubende Landschaftsaufnahmen, erzählt mit großem Fachwissen und augenzwinkerndem Humor. Ein Gesamtpaket, das nicht zuletzt bereits den großen alten Herrn des Naturfilms, den Briten Sir David Attenborough, überzeugte: Er sprach den Kommentar für die BBC-Variante des Films ein, der damit auch beim größten europäischen Naturfilmfestival, der Wildscreen in Bristol, nominiert ist - für die Kategorie "Animal behaviour".

In Eckernförde werden vorher am kommenden Sonnabend 15 Preise in zwölf Kategorien vergeben: vom besten Film über die beste Bildgestaltung bis zum besten ökologischen Film. Hinzu kommen zwei Publikumspreise und der Jugendfilmpreis CAMäleon der Heinz-Sielmann-Stiftung.

Inge Sielmann, die Witwe des 2006 verstorbenen Tierfilmers Heinz Sielmann, wird darüber hinaus erneut den mit 5000 Euro dotierten Heinz-Sielmann-Preis vergeben. Im vergangenen Jahr hatte sie damit, für alle Beteiligten völlig überraschend, den Förderverein Greenscreen e. V. bedacht, um die Arbeit der Organisatoren und vielen Ehrenamtlichen zu würdigen. Deren Leistung wird in diesem Jahr besonders gefragt sein, um die Logistik an den verteilten Spielorten, die das Kino ersetzen müssen, zu gewährleisten.

Ob Oliver Goetzl und Ivo Nörenberg zur großen Preisverleihung in der Stadthalle kommen werden, wie es für alle Nominierten normalerweise üblich ist, ist noch fraglich. Die beiden filmen zurzeit im Yellowstone-Nationalpark - und drehen dabei auch die Kämpfe der Bisonbullen aus einem Helikopter. Hoffentlich ohne Zwischenfall.

Green Screen Internationales Filmfestival Eckernförde, 6.-10.9. Vorverkauf im Stadthotel Eckernförde, 11-18 Uhr, während des Festivals 10-18 Uhr. Einzeltickets 5 Euro (erm. 4 Euro), Festivalkarte für 15 Filme 35 Euro (erm. 30 Euro). Weitere Infos zum Festival unter 04351/47 64 91 oder www.greenscreenfestival.de