Drei Festivalwochen sind um, 21.000 Besucher sahen sich auf Kampnagel mit einem fordernden und teilweise politischen Programm konfrontiert.

Hamburg. Am Schluss wurde es noch einmal richtig politisch. Die Macher des Künstlerkollektivs Labofii haben am Freitag beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel in die Kunst der Permakultur eingeführt - inklusive Pilzmahl, Bootstour und etwas zivilem Ungehorsam.

Drei Festivalwochen sind um. Das schönste Festival sollte es nach dem Anspruch des scheidenden Festivalleiters Matthias von Hartz werden, ein sehr schönes ist es geworden, mit 21 100 Besuchern. Der engagierte Theatermann konnte mit dem Sprung von der Repräsentationskunst hin zum politischen Diskurs etwas weniger Theaterfans gewinnen als 2011. Mehr denn je setzte er auf konzeptorientierte Kunst und gesellschaftliche Relevanz. Boris Charmatz' getanzte Körperstudie "Levée des conflits" forderte mit ihrem Prinzip der Wiederholung und einer verstörenden Tonspur. Rosas/Anne Teresa de Keersmaekers 1984 wegen Publikumsunverträglichkeit aus dem Repertoire entlassene Produktion "Elena's Aria" strapazierte die Geduld aller, die Jugend, perfekte Körper und synchrone Anmut erwartet hatten.

+++ Keine Angst vor Avantgarde +++

+++ Weltenbummler des Performance-Theaters +++

Hartz' Kunst ist eben keine gefällige, die umschmeichelt und umwirbt, sondern eine, die Sehgewohnheiten und Erwartungen überlistet - und damit im Einerlei des Jahres wohltuend radikale Akzente setzt. Die den Zuschauer mit der Welt konfrontiert. Allerdings nicht mit ihrer sonnendurchfluteten Oberfläche, sondern mit dem oft tristen, feuchten Keller.

Das gilt erst recht für die Theaterproduktionen. Die poetisch-melancholische Vermählung aus Biografie und Revolte, die Lola Arias gelang, die finstere Starrheit des Erziehungssystems, die Arpád Schilling in "Die Priesterin" vorführte. Und natürlich das nur aufgegossene filmische "Prometheus"-Projekt von Rimini Protokoll. Es gab Momente der Verzauberung, wenn man Lundahl & Seitl in der "Alice"-Ausstellung der Kunsthalle in neue Wahrnehmungswelten folgte. Und wenn das Nature Theater of Oklahoma aus dem Banalen der Durchschnittsexistenz eine ironische Ode auf das Individuum formte.

Manchmal war die theoretische Kost allzu sehr in Leichtigkeit verpackt. Umgekehrt bedurfte es in der Kunst hier und da etwas mehr sinnlichen Glanzes. Es bleibt die Gewissheit, dass Hamburg einen wichtigen Theater-Vordenker verliert. Und es tut gut daran, die, die hier sind oder hierherkommen, pfleglich zu behandeln.