Der Medienhaus will künftig nur noch mit freien Journalisten arbeiten. Lediglich leitende Redakteure dürfen bleiben.

Hamburg. Die Betriebsversammlung des Jahreszeiten-Verlags (Jalag), die Dienstag Mittag um 12 Uhr begann, dauerte eine gute Stunde. Doch erst gegen Ende der Veranstaltung wurde der Belegschaft bewusst, was ihre Geschäftsführer da gerade verkündet hatten. "Was passiert denn nun mit den Redakteuren?", wollte ein Mitarbeiter wissen. "Es gibt keine Redakteure und Grafiker mehr", soll nach Angaben von Versammlungsteilnehmern Geschäftsführer Joachim Herbst geantwortet haben.

In der Tat: Alle Redakteure, die nicht zum leitenden Personal gehören, also nicht Chefredakteure, Ressortleiter, Art-Direktoren oder Geschäftsführende Redakteure sind, müssen das Zeitschriftenhaus am Poßmoorweg in Winterhude verlassen. Insgesamt werden 70 Stellen gestrichen.

Was der Verlag "Zukunftssicherung" nennt, ist für den Betriebsratsvorsitzenden René Bickel "ein brutaler Schnitt". Die stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Ulrike Kaiser, spricht von einem "Dolchstoß für die Redakteurinnen und Redakteure", der "auf die Abschaffung des Redakteursberufs" ziele. "Beispiellos" nennt der Hamburger DJV-Geschäftsführer Stefan Endter das Vorgehen des Jalags ("Für Sie", "Petra"): "Ich weiß nicht, wie bei dieser Konstellation noch Qualitätsjournalismus produziert werden soll."

Wegen der schweren Medienkrise wurden zuletzt in vielen Redaktionen - auch beim Abendblatt - Stellen gestrichen. Dass sich aber ein Verlag ersatzlos von all seinen Redakteuren trennt, ist neu. Das Vorgehen des Jahreszeiten-Verlags erinnert noch am ehesten an die "Münstersche Zeitung", die 2007 ihre Redaktion vor die Tür setzte, um sie durch billigere Mitarbeiter zu ersetzen. Doch Ersatz für die Jalag-Redakteure wird es nicht geben. Das Zeitschriftenhaus will künftig ausschließlich mit freien Journalisten zusammenarbeiten, bei denen es aber nicht den besten Ruf hat. Insbesondere mit freien Fotografen gibt es wegen angeblich schlechter Konditionen immer wieder Auseinandersetzungen.

Fraglich ist, ob eine freie Mitarbeit den nun gekündigten Redakteuren eine Perspektive bietet. Bereits Ende 2009 hatte der Jalag seine Schlussredaktionen ausgegliedert. Manchem Chefredakteur sei es damals peinlich gewesen, seinen gekündigten Schlussredakteuren ein Angebot für eine freie Mitarbeit zu machen, sagt ein Mitarbeiter. Die Konditionen seien einfach zu schlecht gewesen.

Die Jalag-Belegschaft ist Kummer gewohnt: Von August bis Dezember 2009 verordnete der Verlag ihr Kurzarbeit. In dieser Zeit verzichtete sie auf zehn Prozent ihrer Bezüge.

Genützt hat es letztendlich nichts: "Die Einsparungen durch die Kurzarbeit und die zuvor bereits eingeleiteten Kostenstrukturmaßnahmen haben leider den Rückgang der Umsätze nicht ausgleichen können", teilte nun der Sprecher der Geschäftsführung, Jan Pierre Klage, seinen konsternierten Redakteuren mit.

Verleger Thomas Ganske, dem neben dem Zeitschriftenhaus auch der Buchverlag Hoffmann & Campe gehört, hatte es vorgezogen, der Betriebsversammlung fernzubleiben. Ganskes Abwesenheit habe dem "Gebot der Fairness" und dem "nötigen Respekt vor den 70 entlassenen Mitarbeitern" widersprochen, sagte Betriebsratschef Bickel.

Künftig sollen "Blattmacher-" und "redaktionelle Serviceteams" die Jalag-Titel produzieren. Ausgedacht haben sich das leitende Mitarbeiter und eine Münchner Unternehmensberatung. "Dieses neue Modell setzt auf kreative Köpfe und schafft ihnen den Freiraum für ihre kompetente Arbeit", sagt Geschäftsführer Klage. Für manchen der gekündigten Redakteure dürfte das zynisch klingen.