Der Verlag dürfte 2009 durch die Medienkrise Verluste gemacht haben. Der Vorstandschef sieht sein Haus aber auf dem Weg nach oben.

Hamburg. In harten Wintern wie diesem ist der Blick aus dem Panoramafenster von Bernd Buchholz' Büro besonders spektakulär: Die Eisschollen auf der Elbe bilden eine große weiße Fläche, durch die sich die Schiffe mühsam ihren Weg bahnen. Alle paar Stunden pflügt ein Eisbrecher durch den eisbedeckten Strom. "Das ist jedes Mal ein fantastisches Schauspiel", sagt Buchholz.

Leider hat der Eisbrecher gerade Pause. Und so sorgt der Vorstandsvorsitzende von Gruner + Jahr selbst für ein wenig Spektakel. Buchholz ist kein glatter, dröger Manager, sondern einer, der sehr temperamentvoll werden kann, wenn er glaubt, man tue ihm unrecht. In den letzten Wochen und Monaten fühlte sich der 48-Jährige häufiger missverstanden - auch vom Abendblatt.

Er ärgert sich, dass auf diesen Seiten zu lesen war, nicht nur die Drogeriekette Schlecker, sondern auch Gruner + Jahr unterhalte eine Leiharbeitsfirma, in der Mitarbeiter zu schlechteren Konditionen beschäftigt werden als das Stammpersonal. Das könne man nicht vergleichen, schnaubt Buchholz. Aber vor dem Abendblatt hat genau das schon die "Wirtschaftswoche" getan - vom G+J-Betriebsrat ("Schlecker auch bei Gruner + Jahr") ganz zu schweigen.

Leiharbeit, Personalabbau, und Hefteinstellungen: Daran kommt dieser Tage auch Gruner + Jahr nicht vorbei. Die Krise hat die Zeitschriftenverlage voll erwischt. Sie leiden nicht nur unter der lahmenden Konjunktur, sie haben auch mit einer Strukturkrise zu kämpfen: Immer mehr Leser und Werbekunden verabschieden sich ins Internet.

Hart hat es das Zeitschriftenhaus vom Baumwall getroffen: 2009 dürfte unterm Strich ein Fehlbetrag stehen. Das ging zumindest aus einer Grafik hervor, die Buchholz Mitte Dezember Chefredakteuren und Geschäftsführern präsentierte. Offiziell will er sich dazu nicht äußern. Der Verlag gibt seine Bilanz für 2009 am 25. März bekannt.

Gruner + Jahr spricht mit seinen Blättern seit jeher die Mittelschicht an. Als die Wirtschaft noch brummte, war das Leben dieser Zielgruppe ein immerwährender Aufstieg. "Schöner Wohnen" zeigte der Mittelschichtsfamilie, wie man in besseren Kreisen wohnt, "Essen & Trinken", was man isst. Die "Brigitte" half Mutti bei der Emanzipation und "Capital" Vati beim Geldanlegen. "Geo" stillte Bildungshunger und Fernweh. Und die Wundertüte "Stern" bot jedem etwas.

Heute fürchtet eine verzagte Mittelschicht, zwischen Prekariat und Oberschicht zerrieben zu werden. Mit anderen Zielgruppen tut sich der Verlag aber schwer. Billig kann er ebenso wenig wie edel: Beim eher schlichten Gesundheitsmagazin "Healthy Living" lässt sich Gruner + Jahr vom Wettbewerber Klambt helfen. Das Hochglanzmagazin "Park Avenue" wurde eingestellt. Die übrigen Titel müssen sparen, besonders massiv die Ess- und Wohntitel der Living Group. Hier wurden 30,5 Ganztagsstellen abgebaut. So sollen jährlich 2,6 Millionen, langfristig sogar 3,4 Millionen Euro gespart werden.

Wirkt sich das negativ auf das Blattmachen aus? Schenkt man Stephan Schäfer, Chefredakteur von "Schöner Wohnen", Glauben, ist das nicht der Fall. Dabei musste das Blatt sein Atelier aufgeben, in dem es Wohnlandschaften aufbauen und fotografieren ließ. Laut Schäfer war das nicht mehr zeitgemäß. Sterile, im Atelier inszenierte Wohnstrecken wolle der Leser nicht. Es hat sich ja auch viel verändert. Mit Ikea ist nun eine Billigmöbelkette die Instanz in Sachen Wohnen.

Vom Sparen reden sie bei Gruner + Jahr nicht so gerne. Manchmal muss man an "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo denken, der den Verlagen vorwarf, noch "die krudesten Einsparungen als Qualitätssteigerung verkaufen" zu wollen. Dabei hat Gruner + Jahr im vergangenen Jahr die Kosten um über 200 Millionen Euro gesenkt. Laut Betriebsrat wurden 354 Stellen seit Herbst 2008 gestrichen. Der Personalabbau der Living Group ist da noch nicht berücksichtigt.

Als probates Mittel hat sich in der Krise auch die Produktion neuer Titeln durch alte Redaktionen erwiesen. So wurden im Herbst drei Männermagazine von Redakteuren aus dem Boden gestampft, die ohnehin schon bei Gruner + Jahr beschäftigt waren. Weil sie keine zusätzlichen Personalkosten verursachen, sind die Blätter schnell profitabel.

Mehr Seiten denn je produzierte 2009 auch der "Stern", der neben Ablegern wie "View" und "Gesund Leben" jede Menge Sonderausgaben stemmte - etwa zum Tod Michael Jacksons. Die Reiseseiten der Illustrierten kommen nun vom Reisemagazin "Geo Saison". Eine Petitesse verglichen mit dem Schicksal der Wirtschaftstitel "Financial Times Deutschland", "Capital", "Impulse" und "Börse online", die seit Anfang 2009 in einer Gemeinschaftsredaktion entstehen.

Als "Stern"-Chef Thomas Osterkorn "Sparen" zum "Unwort des Jahres" erklärte, meinte mancher, das sei Kritik an der G+J-Spitze. "Ich habe ihn gefragt, meinst du mich damit", sagt Buchholz. "Das hat er verneint."

Wenn Manager vom Sparen reden, gehe es ihnen darum, "die Kosten für Mensch und Material brutal zu senken, um trotz der Krise die Rendite möglichst hoch zu halten", hatte Osterkorn geschrieben. Nicht wenige Führungskräfte sagen, der Renditedruck, den Gruner + Jahrs mit 6,8 Milliarden Euro verschuldeter Hauptgesellschafter Bertelsmann auf den Verlag ausübe, sei enorm. Buchholz bestreitet das.

Er will ja nicht nur sparen. So soll Gruner + Jahr mehr Kundenzeitschriften herausgeben. Zudem gibt es Pläne für den Einstieg in das Geschäft mit Fachinformationen, die der Verlag eines Tages großen Konzernen anbieten will. Aber weder ist klar, wann das geschehen wird, noch, wie die nicht unerheblichen Investitionen für das neue Geschäftsfeld aufgebracht werden sollen.

Kann es sein, dass durch den Hinweis auf ein mögliches neues Kerngeschäft Gruner + Jahr potenziellen Käufern schmackhaft gemacht werden soll? In der Fachpresse wird spekuliert, Bertelsmann habe das Interesse an seiner Tochter verloren. Doch auch das dementiert Buchholz. Er sieht den Verlag auf dem Weg nach oben: "Der FC Bayern ist dabei, die Tabellenspitze zurückzuerobern. Wir werden das bis Ende 2010 tun."

Draußen hat es angefangen zu schneien. Der Winter ist wohl noch lange nicht vorbei.