Am St.-Pauli-Theater hatte “Mann o Mann“ Premiere. Eine musikalische Revue über die Midlife-Crisis, die nicht so richtig zünden will.

Hamburg. Liederabende gehen immer. Franz Wittenbrink führt uns das seit Jahren vor, indem er Sekretärinnen "Für mich soll's rote Rosen regnen" verträumt singen lässt oder Männer mit Heintjes "Mama" zum Schreien bringt.

Die Autoren Tilmann von Blomberg und Bärbel Arenz hatten vor zwei Jahren am St.-Pauli-Theater Frauen in den Wechseljahren zum Thema ihrer dann ausgesprochen erfolgreichen Revue "Heiße Zeiten" gemacht. Mit "Mann o Mann" folgte nun, ebenfalls am St.-Pauli-Theater, ihr Pendant über Männer in der Midlife-Krise. Es macht Spaß, ist aber entschieden weniger lustig als die Frauen-Schau. Die Lieder sind weniger eingängig und hinreißend, die Geschichten sind zu bieder, haben selten eine zweite Botschaft. An den Schauspielern, die allesamt toll sind, liegt's nicht. Sicher aber an den mit Text überfrachteten Songs und einer recht harmlosen Regie, bei der Katja Wolff brav Klischees bedient, aber viel zu selten Hintersinniges mitspielen lässt.

Vier Männer, die unter Burn-out, Selbstzweifeln, grauen Haaren oder dem Nicht-Erwachsen-werden-wollen-Syndrom leiden, treffen da auf dem Jakobsweg aufeinander - "auf der Flucht vor dem Zeigefinger ihres Urologen", wie es im Text heißt. Doch sei es, dass Männerprobleme irgendwie nicht so lustig sind, sei es, dass die Textvorlage ein bisschen platt daherkommt - der Funke, der bei einer solchen auf Amüsement angelegten Abendunterhaltung überspringen muss, zündet erst sehr spät. Da hat man schon jede Menge bedeutungsschwerer Liedtexte, deftiger Kalauer übers Pinkeln und Onanieren und reichlich heiße Luft (im Zuschauerraum) durchlitten. Am Ende, als zu Earth, Wind and Fires "September" der türkische Familienvater im Stück "Gününü Gün Et" ("Nutze den Tag!") anstimmt und alle vier Herren gut drauf sind, da swingt auch die Stimmung im Zuschauerraum, das Publikum klatscht, ist begeistert und verlangt eine Zugabe.

Stephan Schills Geschäftsmann hastet mit Rollkoffer über die Bühne, klebt am Handy, das selten Netz hat, beruhigt zu Hause "Mäuschen", seine viel zu junge Geliebte, ist ständig gestresst. Seine Ehefrau ist ihm längst abgehauen nach Australien. Er sieht sich trotzdem als Alphatier, singt "Der Mann muss immer jagen" und hat ein "geiles" Auto. Das interessiert auch den Türken, der seine Reise im Kreuzworträtsel gewonnen hat, denn als Angestellter im Obstladen seines Schwagers, als Vater von fünf Kindern, kann er sich gar nichts leisten. Stefan Gossler spielt diesen Haluk als liebenswerten, gutgläubigen Kumpel, der später sogar dem Lehrer, der sich aufhängen will, das Leben rettet. Max Gertsch ist als Lehrer ein ständiger Besserwisser in hässlichen Dreiviertelhosen und Allzweckweste, eine arme Wurst, dessen Frau gestorben ist und der doch nie nachlassen kann, seine Mitmenschen zu belehren. Ein typischer Wutbürger, der immer was zu meckern hat. Alexander Wipprecht spielt den Mittdreißiger und Lebenskünstler als Vierten und Lustigsten der Runde. Er hat nichts anderes im Sinn, als sich zu amüsieren - chillen, Frauen flachlegen oder surfen. Ja, er ist ein richtiger Sonnyboy, sympathisch und verantwortungslos. Panik bekommt er nur, wenn er an Kinder und Familie denkt. Wie sollte es anders sein, gegen Ende bekommt er per Telefon von einer seiner Ex-Freundinnen die Nachricht, er werde Vater. Und da er ja ein Guter ist, will er nun erwachsen werden.

Die vierköpfige Band mit Schafsköpfen auf dem Kopf - wir sind schließlich auf dem Jakobsweg - begleitet den Abend schmissig. Die Krux ist jedoch, dass Lieder wie "Im Frühtau zu Berge", "Glory, Glory, Hallelujah" oder "Oh Happy Day" neue, bedeutungsschwere Texte bekommen haben. Wo an anderen Liederabenden ein "Respect" oder "Wild Thing" die Botschaft rüberbringen soll - ganz so, wie es der verliebte Klassenkamerad gemacht hat, wenn er uns ein selbst zusammengestelltes Tape schenkte -, muss man hier munteres Melodienraten betreiben und den Sinn des neuen Textes heraushören.

Es ist ja schön, wenn die Kerle Porno-Polka tanzen, wenn sie ein Haus bauen (das kurz darauf zusammenkracht), Feuer machen wollen, "tut weh, echt aua" singen oder von Metrosexuellen quatschen. Aber wie heißt noch mal das Lied, das sie dazu singen? Und warum muss es diese Melodie sein, mit der sie ihr Treiben begleiten? Mit anderen Worten, die Musikauswahl wirkt beliebig, und es erschließt sich nicht immer, warum welcher Text zu welcher Melodie gehören soll. Regisseurin Katja Wolff verlässt sich nicht ausreichend auf die Kraft eines Songs, der seine Botschaft ganz allein klar rüberbringt.

Natürlich gibt es dann auch die unappetitlichen Stellen. Da geht es darum, dass Männer sich ungern waschen, häufig onanieren, überall hinpinkeln und nachts im Zelt furzen. Nicht schön, so ein Kerl. Zum Fremdschämen, aber nicht wirklich lustig. Klingt ein bisschen nach kleinen Kindern, die laut kichernd "Kacka" sagen. Und wenn der Lehrer sich zum Schlafen im Zelt fertig macht und nur noch in seiner Feinripp-Unterhose dasteht, möchte man am liebsten Burka-Zwang einführen.

Ein bisschen mehr Wortwitz wie "Haarausfall: ist nicht so schlimm, wachsen auf der Schulter wieder fest", ein paar mehr schmissige Originalsongs, und der Abend wäre perfekt gewesen. So müsste man noch ein bisschen an den Männern arbeiten. Aber wollen wir das nicht alle sowieso immer, an den Männern arbeiten?

"Mann o Mann" St.-Pauli-Theater, bis 25.8., Karten zu 18,90 bis 45,90 unter der Abendblatt-Ticket-Hotline T. 30 30 98 98