Die Amerikanerin Laura Gibson klingt manchmal wie ihre kanadische Kollegin Leslie Feist. Ihre Songs aber sind eigen.

In Bruce McDonalds Musik-Film "This Movie Is Broken" (eine "Rock Show Romance", so der Untertitel des Werks) muss man als männlicher Betrachter nur kurz überlegen, wen man betörender findet: die Hauptdarstellerin Georgina Reilly oder die Damen auf der Bühne. Die heißen im Film und in Wirklichkeit Leslie Feist, Lisa Lobsinger, Emily Haines und Amy Millan. Sie sind umringt von bärtigen Herren, die wild Gitarren schwingen und auch sonst unter Bewegungsdrang leiden.

Der Film dreht sich um die Rockband Broken Social Scene, und angesichts der zartgliedrigen Elfen, die zart ihre Verse ins Mikro hauchen, entscheidet man sich am Ende doch recht eindeutig. Wer könnte Leslie oder Lisa schon widerstehen? Sie sind sowohl im Film als auch auf jedem Broken-Social-Scene-Konzert oder jeder Platte des Kollektivs der heimliche Mittelpunkt.

Weil eine schöne Frau mit einer schönen Stimme so ziemlich das Beste ist, was dem Herrgott gelingt. Und das immer wieder. Man betrachte sich allein das Genre Folkpop, in dem sich die talentierten Damen tummeln, als gäbe es Edeltreter im Sonderangebot. Die bereits zitierte Leslie Feist thront dabei über allen anderen, ihr jüngstes Werk "Metals" lag 2011 bei vielen im Schaufenster. Wie schön, dass das neue Jahr mit einer CD beginnt, die es mit den feinherben Feist-Songs aufnehmen kann: "La Grande" heißt sie.

Und stammt von einer Dame namens Laura Gibson, die in der amerikanischen Indie-Metropole Portland lebt und mit ihrem dritten Album nun ins Rampenlicht tritt. Es könnte keinen besseren Zeitpunkt dafür geben - jetzt, wo die weibliche Neo-Folk-Welle auf ihrem Höhepunkt ist, hat Gibson ihr bislang bestes Album aufgenommen. Wahrscheinlich nerven Gibson sämtliche Feist-Vergleiche so sehr, dass sie ihrer Plattenfirma aufgetragen hat, im Pressetext unbedingt etwas mit "Antithese zu Leslie Feist" zu schreiben.

Halten wir an dieser Stelle fest: Feist und Gibson unterscheiden sich manchmal in puncto Lautstärke. Und anders als die Kanadierin, deren Songs durchaus eruptiv sind und den einen oder anderen Ausbruch haben (wie im wundervollen "A Commotion"), ist Laura Gibson eher auf ruhig gepolt. Ihre Kompositionen wogen wie ein Weizenfeld im milden Wind - Ausnahme: das Titelstück "La Grande", das loslegt wie die Feuerwehr. Galoppierender Rhythmus, Westerngitarre. Im Anschluss geht Gibson allerdings wieder in geruhsamen Trab über. Sie arbeitet auf "La Grande" mit Musikern von den Decemberists und Calexico zusammen; musikalisch sind alle zehn Songs exquisit. Laura Gibsons fragile Stimme mäandert zuerst über Jazz-Rhythmen und leisen Bläsern ("Lion/Lamb"), ehe man sich bei Akustik-Gitarren und himmlisch brüchigem Gesang schon wieder an Kollegin Feist erinnert fühlt ("Skin Warming Skin").

Weite Teile der kreativen Arbeit an dem Album hat Gibson übrigens in einem alten Wohnwagen (Jahrgang 1962) verrichtet. Den musste sie vorher renovieren - das machte angeblich genauso viel Arbeit wie die Aufnahme der Songs selbst. In denen geht es laut Gibson darum, seinen Träumen zu folgen und seine Sehnsüchte auszuleben; wer das für platt hält, der ist nicht empfänglich für die Überzeugungskraft der Musik.

"I am not a lamb, I am a lion", singt die Löwin Laura Gibson, die keine Angst vor dem Feuer ("The Fire") und außerdem ein milchschweres Herz hat ("Milk-Heavy, Pollen-Eyed"). Es schlägt mitunter im Takt des Bossa Nova.

Man muss sich Laura Gibson unbedingt als eine glückliche Frau vorstellen. Könnte sie andernfalls solch warmherzige Songs schreiben? In einem Interview fand sie eine einleuchtende Erklärung für die gegenwärtige Beliebtheit des Folks. Es gebe, so Gibson, heutzutage so viele Medien, so viel Technologie. "Die Leute wissen nicht mehr, wem sie trauen können. Auch darum zieht es die Leute zum Folk, der ist pur, einfach, traditionell", sagt Gibson.

Warum gerade in Oregon die Indie-Folk-Szene so lebhaft ist, ist dagegen nicht so bündig zu erklären. Aus Portland stammen auch Musée Mecanique oder Tu Fawning (wie Gibson beim Berliner Label City Slang unter Vertrag).

Wie die Genannten mag sie Moll-Akkorde. Was sie allerdings aus der Masse der Folk-Chanteusen hervorhebt (man denke nur an Laura Marling und Laura Veirs, die auch unlängst neue Alben veröffentlichten), sind ihre Fertigkeiten an den Instrumenten: Auf manchen der Songs spielt sie einfach alle selbst. Es gibt derzeit einen kleinen Hype um La Gibson. Vielleicht liegt es daran, dass die Pop-Branche sich am Jahresanfang noch im Tiefschlaf befindet und der Veröffentlichungszeitpunkt von "La Grande" einfach gut gewählt ist; vielleicht ist zurückhaltender Schönklang aber auch einfach der Soundtrack für 2012.

Laura Gibson: "La Grande" (City Slang) Laura Gibson gibt am 17. April im Uebel & Gefährlich ein Konzert