Die kanadische Künstlerin Leslie Feist und ihre aktuelle Platte “Metals“ sind ganz klar die schönste Versuchung, seit es Folkpop gibt.

Hamburg. Manche nennen die Musik von Feist mittlerweile "Ökopop". Klingt wenig schmeichelhaft. Dabei können sich auf die verführerischen Folkpreziosen der Kanadierin und ihr traumwandlerisch sicheres Album "Metals" derzeit alle einigen. Ob sie zu synkopischer Perkussion über den "Graveyard" schreitet und die Geister der Toten zurück ins Leben beschwört. Oder in dem schmissigen "A Commotion" fast hauchend von einer ausgesperrten Sonne singt und das Piano dazu im Verbund mit zackigen Streichern hämmernd Spannung erzeugt. Selbst wenn sie erzählt, wie ein guter Mann und eine gute Frau das Böse ineinander zum Vorschein bringen, klingt es bei aller Düsternis versöhnlich.

Stärker noch als auf den viel gepriesenen Vorgängern "Let It Die" (2004) und "The Reminder" (2007) sucht Feist das Experiment, die Reibung. Sie findet sie in der Natur. Wie schroffe Gesteinshügel türmt sie Klangberge auf. Mit rumpeligem Piano, Rhythmusspielereien und erstaunlich sentimentalen Streichern. Manche sagen, sie bringe damit sogar Steine zum Weinen. Dabei immer konsequent organisch, handgemacht. Ihre Texte wechseln zwischen Weltbetrachtung und Analyse von Beziehungsdesastern.

Die Qualität der Leslie Feist zeigt sich auch an ihrem Umgang mit dem Erfolg, der vor Jahren über sie hereinbrach. Denn natürlich blühte die feine, leise Musik der inzwischen 35-jährigen Songwriter-Fee lange Zeit im Verborgenen. Bis es Steve Jobs gelang, sie dazu zu überreden, ihren Song "1234" vom Erfolgsalbum "The Reminder" für eine Apple-Produktwerbung herzugeben. Die Albumverkäufe verdreifachten sich. Etliche Preise und vier Grammy-Nominierungen folgten und dazu das Prädikat Album-Bestseller des Jahres im iTunes-Store. Der Erfolg wirkte für sie zunächst wie ein Unfall der Geschichte. Eher unwillig stellte sie sich ihm. Tourte besessen. Und tauchte dann vier Jahre ab. Radikale Entschleunigung.

Mit ihrem konsequenten Independent-Habitus verkörpert sie perfekt das Lebensgefühl des kreativen urbanen Milieus zwischen Anfang zwanzig und Ende dreißig. Menschen, die sich äußerlich behaglich in einer vermeintlichen Saturiertheit eingerichtet haben, aber kritisch in den Supermarkt und für ihre Überzeugung auch mal auf die Straße gehen. Auch die von zarten Fäden der Melancholie durchzogenen, engelhaft schönen Songs der Leslie Feist bewahren einen kritischen Blick auf die Mainstream-Welt, erinnern daran, dass man in all dem Irrsinn seinen eigenen Weg gehen muss und kann.

Insofern gleicht das fast abgeklärte Album "Metals" eher einem Diamanten als einem ungeschliffenen Mineral. In drei herbstlich kalten Monaten spielte Feist es in einer Garage ihres Hauses in Toronto ein. Der Feinschliff erfolgte in der Scheune einer befreundeten Malerin an der kalifornischen Küste. Und genauso schroff wirkt der Sound mit seinem Knarren des Klavierpedals und dem Flimmern des Gitarrenplektrums. Rauscht da nicht auch der Pazifik? Feist gelingt es meisterhaft, ihre intimen Gedanken orchestral vibrieren zu lassen, ohne in der Klangverschwendung unterzugehen.

Sie ist eben eine, die sich nicht verbiegen lässt. Ob sie wie in ihren Anfängen in Calgary rotzigen Hardcore-Punk grölte, bis ihr die Stimme wegblieb, mit der früheren WG-Gefährtin Peaches für eine derb feministische Electro-Clash-Show die Bühne teilte, sich gemeinsam mit den musikalischen Seelenverwandten der Band Broken Social Scene dem Kollektivgedanken unterordnete oder die Kings Of Convenience gesanglich unterstützte.

Der befreundeten Exilkanadier-Clique, mit der sie eine Zeitlang den Wohnsitz Berlin teilte, bleibt sie auch auf "Metals" treu. Chilly Gonzales produzierte die neuen Songs und steuert ein paar verwegene Akkorde auf dem Piano bei. Trommler Mocky arrangierte. Außerdem stießen Perkussionist Dean Stone und Keyboarder Brian LeBarton dazu. Das Ergebnis knarzt, verstört und trifft tiefe Gefühlsschichten. Klüger kann Ökopop nicht sein.

Feist: Metals Polydor/Universal, bereits erschienen; www.listentofeist.com