In Hannover bemüht man sich um die Aufwertung zur “Unesco City of Music“. Die Handelskammer rät Hamburg zum selben Schritt.

Hamburg. Im Kräftemessen deutscher Städte nördlich des Weißwurstäquators hinsichtlich ihrer überregionalen Bedeutung hieß Hamburgs einziger ernst zu nehmender Rivale unter roter Sonne bislang Berlin. Lübeck, Bremen, Kiel, Hannover - höchst ehrenwerte Städte, gewiss, aber doch, bitte schön, keine echten Mitbewerber. Seit gestern bekannt wurde, dass eine Interessengemeinschaft von über 100 in der Kreativwirtschaft tätigen Bürgern in Hannover ihrem Bürgermeister empfehlen wird, eine Bewerbung der Stadt an der Leine zur " Unesco Musikstadt " auf den Weg zu bringen, rieb sich mancher in der Hamburger Musikszene die Augen. Hannover? Warum nicht wir, warum nicht Hamburg?

Schließlich wird der Begriff Musikstadt in Hamburg seit einigen Jahren mit so viel Nachdruck ins Spiel gebracht, dass Spötter schon die Umbenennung der Freien und Hanse- in Freie und Musikstadt als flankierende Maßnahme zur Eröffnung der Elbphilharmonie prophezeien. Doch Hannovers Bewerbungsabsicht umweht noch ein besonderer Hautgoût. Die Initiatoren um Kai Schirmayer, Projektleiter Kreativwirtschaft bei hannoverimpuls, der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft der Landeshauptstadt und Region Hannover, berufen sich dabei auch auf ein Ergebnis der Haspa-Musikstudie, die 2009 veröffentlicht wurde. Auf Seite 23 findet sich darin eine Grafik über den "Lokalisationskoeffizienten der Beschäftigten in der Musikwirtschaft für die 20 größten deutschen Städte", vulgo: Wo arbeiten die meisten Beschäftigten im Bereich Musik? Da steht Hamburg auf Rang 7 - hinter Berlin, München, Stuttgart, Dresden und Leipzig. Den Spitzenplatz nimmt ausgerechnet Hannover ein.

+++Unesco-Kriterien+++

+++Da ist noch viel Luft nach oben+++

Die für Bildung, Wissenschaft und Kultur zuständige Unterorganisation der Vereinten Nationen hat im Oktober 2004 das Creative Cities Network ins Leben gerufen, das sich in sieben Disziplinen untergliedert - neben Musik, Film und Design sind dies Literatur, Kunsthandwerk, Medienkunst und Gastronomie. Bei knapp 30 Städten aus Europa, Asien, den USA und Australien war die Bewerbung zur Aufnahme ins globale Kreativ-Netzwerk der Unesco bislang erfolgreich. Die Einwohnerzahl scheint kein Kriterium: Unter den elf "Citites of Design" findet sich neben Metropolen wie Shanghai, Buenos Aires oder Berlin - bislang die einzige deutsche Stadt im Creative Cities Network - auch Saint Étienne, mit gut 127 000 Einwohnern knapp oberhalb der Schwelle zur Großstadt. Den Titel "Unesco City of Music" haben sich bislang vier (europäische) Metropolen auf der Welt erworben: Sevilla, Bologna, Gent und Glasgow. Keine dieser Städte galt bislang als Hauptwohnsitz der Musik.

Die Handelskammer Hamburg macht sich für eine "City of Music"-Bewerbung stark. In ihrer kürzlich vorgestellten umfangreichen Analyse zur Tourismusförderung unter dem Titel "Die Welt zu Gast in Hamburg - Eine Zehn-Jahres-Strategie für den Hamburg-Tourismus" heißt es: "Die Mitgliedschaft im Unesco-Netzwerk bietet viele Vorteile in Richtung Imagewerbung und Erfahrungsaustausch auf globaler Ebene, Weiterbildung und Innovationstransfer (...). Voraussetzungen für eine Bewerbung als 'Unesco-City of Music' sind nachweisliche Musikkompetenzen in der Stadt, u. a. in Bezug auf die Komposition von Musik, die Ausrichtung von Musikfestivals auf nationaler/internationaler Ebene, hochklassige Ausbildungsangebote oder Musikförderangebote. Hamburg bedient diese Kriterien und sollte daher eine Bewerbung als 'City of Music' anstreben - solange hiermit Pioniervorteile in der Außendarstellung verbunden sind. Natürlich setzt die Mitgliedschaft im Netzwerk eine umfassende Förderung und Entwicklung der Musikszene in Hamburg voraus."

Dass die hannoverschen Begehrlichkeiten zur Aufnahme in den Klub der kreativen Städte der Welt schon jetzt publik wurden, ist dem Vater der Idee gar nicht so lieb. Kai Schirmayer: "Das ist zwar mit einer Olympia-Bewerbung nicht vergleichbar, aber die Unesco-Bewerbung geht nicht mal eben in zwei, drei Monaten. Ich finde es total spannend und super für den Standort, hätte daran aber lieber noch eine Zeit lang im Hintergrund gewerkelt. Doch 'Hannover - Unesco City of Music' - das wäre schon sehr charmant."

Auch Leipzig und Mannheim haben unterdessen Interesse bekundet. Doch die Unesco-Nationalkommission in Bonn, die deutsche Bewerbungen befürworten muss, ehe sie zur Zentrale nach Paris weitergereicht werden, gibt sich einsilbig. "Offiziell hat sich noch keine deutsche Stadt für den Unesco-Titel 'Creative City of Music' beworben", erklärt Anna Steinkamp, Referentin im Fachbereich Kultur.

Egbert Rühl, Geschäftsführer der im Frühjahr 2010 gegründeten "Hamburg Kreativ Gesellschaft", kann angesichts der bisherigen "Cities of Music" seine Skepsis hinsichtlich der Opportunität einer Bewerbung Hamburgs kaum verhehlen: "Ist die Liste so, dass man sagt, da wären wir gerne Mitglied? Ist das die Liga, in der Hamburg spielt? Die wichtigen Musikzentren fehlen in der Liste." Gleichwohl habe sein Institut den Behörden schon vor einiger Zeit eine Bewerbung bei der Unesco empfohlen, und zwar nicht nur als mögliche "City of Music", sondern auch als "City of Design" und als "City of Film".

Die Interessengemeinschaft Hamburger Musikwirtschaft (IHM) zeigte sich von Hannovers Absicht überrascht. "Sollte der Senat eine Bewerbung Hamburgs erwägen, würden wir das unterstützen", sagte Alexander Schulz, Geschäftsführer der Reeperbahnfestival GmbH und im IHM-Beirat. Die Kulturbehörde findet die Idee der Creative Cities gut, teilt ihr Sprecher mit. "Aber wir haben uns bislang lieber auf den Ausbau der vielfältigen Musikszene Hamburgs und den praktischen Austausch bei internationalen Festivals wie Reeperbahn oder Dockville konzentriert." (abendblatt.de)