Die Berliner Philharmoniker sind nach Japan gereist, um acht Monate nach der Katastrophe Not zu lindern. Dort werden sie verehrt wie Popstars.

Berlin. Japan ist für sie wie eine zweite Heimat. Aber diesmal ist alles anders: Erdbeben, Tsunami und Strahlenkatastrophe haben die Menschen und das Land erschüttert wie nichts mehr seit den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. So spielten die Berliner Philharmoniker, seit 1957 alle zwei Jahre auf Tournee im Land des Lächelns, diesmal zum ersten Mal als Unicef-Goodwill-Botschafter. Chefdirigent Simon Rattle erklärte: "Wir bewundern und haben großen Respekt vor der Art und Weise, wie die Japaner mit dieser Tragödie umgehen. Und wir hoffen, dass wir ihnen mit unserer Musik Trost und Freude schenken können."

Die klassikbegeisterten Japaner standen nach dem Konzert in Tokio bis zu drei Stunden lang Schlange für das Autogramm eines Musikers. Sie verehren "ihre Berliner" wie Popstars. Im Juli dieses Jahres ploppten die 6000 Karten für die drei Konzerte im Internet auf. In nur 24 Stunden war alles verkauft. Für immerhin durchschnittlich 400 Euro.

Konzertmeister Daishin Kashimoto übergab auf der Bühne fünf "Solidaritätsbücher" deutscher Mädchen und Jungen an die Kinder in den von Erdbeben und Tsunami besonders betroffenen Gebieten. Denn nach 3/11 - so nennen die Japaner in Anlehnung an 9/11, den 11. September 2001, diesen schrecklichen Tag - wollten deutsche Jugendliche den japanischen Kindern ihr Mitgefühl ausdrücken und Mut machen. Sie schrieben Tausende von Briefen, malten Bilder und dichteten gar Haikus, eine besondere japanische Gedichtsart.

Fünf Musiker des Orchesters machten sich dann mit ihren Instrumenten im Shinkansen auf nach Sendai. Sie wollten selbst erleben und hören, wie es den Menschen dort acht Monate nach dem Desaster ergeht. In der Turnhalle einer Grundschule warteten 550 Kinder auf sie und ihre Musik. Mucksmäuschenstill saßen die Schülerinnen und Schüler auf dem blanken Parkett und hörten mit großen Augen dem Bläserquintett der Berliner Philharmoniker zu. Noch bis vor Kurzem hatten in dieser Turnhalle 2500 Menschen auf Matten nach dem Tsunami Unterkunft gefunden. Noch heute denken alle dort jeden Tag daran.

So hilft ein solches Konzert den schwer getroffenen Menschen und vor allem den Kindern: "Musik öffnet die Herzen und wir sehen es als unsere moralische Pflicht an, gerade in Notzeiten an der Seite Japans zu stehen", sagt der Vorstand des Unicef-Goodwill-Orchesters, Andreas Wittmann.

Viele Stars hatten ihre Konzerte in Japan wegen einer befürchteten Strahlenbelastung abgesagt. Die meisten Orchester reisten nur reduziert, nach langen internen Diskussionen und begleitet von einem Strahlenfachmann in das getroffene Land. Nicht so die Berliner Philharmoniker. Sie wollen jetzt einfach nur helfen.

Erstaunt hat die fünf Bläser die Aufräumleistung der Japaner. Alle vom Tsunami betroffenen Kinder gehen inzwischen wieder in die Schule. Wenn auch noch mancher Unterricht in Containern abgehalten wird. Die lokalen Behörden erhalten bis heute von Freiwilligen Unterstützung bei der Gesundheitsversorgung von Kindern und Müttern. Vor allem psychologische Betreuung ist jetzt nötig. Die größte Freude für den Direktor der Grundschule in Myagi aber ist: Alle 49 000 evakuierten und erst mal elternlosen Kinder konnten inzwischen mit ihren Familien oder Angehörigen zusammengebracht werden.

Die Publizistin Maria von Welser war Direktorin des Landesfunkhauses Hamburg und begleitet als stellv. Vorsitzende von Unicef Deutschland derzeit die Reise der Berliner Philharmoniker nach Japan.