7500 Aussteller aus 106 Ländern sind auf der Frankfurter Buchmesse. Ein kleiner Streifzug zu den Höhe- und Tiefpunkten des Branchentreffens.

Frankfurt. Natürlich kann man sie alle treffen, am ersten Tag der Frankfurter Buchmesse. Alle, die gerade wichtig sind im deutschsprachigen Literaturbetrieb: Judith Schalansky, die für den Deutschen Buchpreis vorgeschlagen war. Und Eugen Ruge, der ihn bekommen hat. Den Schöngeist Martin Mosebach, den vielbegabten Albert Ostermaier oder Navid Kermani, der mit "Dein Name" mehr als 1200 Seiten Prosa vorgelegt hat. Das zur Messe erscheinende Heft, das alle während der vier Tage stattfindenden Veranstaltungen auflistet, hat 684 Seiten. Dünndruck.

Doch um wen scharen sich Fernsehteams und Fotografen, wer wird von Autogrammjägern, die im Hauptberuf Buchhändler, Marketingchef oder Verleger sind, bedrängt? Daniela Katzenberger, der materialisierte Blondinenwitz. Wo sie passiert, erstirbt jedes Gespräch, und man muss Platz machen, denn der ihr folgende Pulk pflügt in einer Stampede vorbei.

Mit einer Ghostwriterin hat "Die Katze", jenes Pamela-Anderson-Double, das in seiner Jugend braunhaarig, schmalbrüstig und dünnlippig war, das Buch "Sei schlau, stell dich dumm" geschrieben. Darin finden sich Weisheiten wie: "Am liebsten liege ich nackig auf der Couch, glotze fern und lasse auch mal einen fahren." Wer's mag.

Ein wenig ernster widmen sich viele Verlage nun den drei großen E: E-Book, E-Reader und, na ja, E-konomie. Die Digitalisierung von Literatur, die es ja ermöglicht, dass Texte demnächst auch ohne Händler und Verleger direkt an die Leser geraten, lässt die Branche ein wenig ratlos zurück. Bisher werden nur 0,7 bis 1,3 Prozent des Umsatzes mit papierlosen Verkäufen erwirtschaftet. Vielleicht auch, weil 60 Prozent aller digitalen Bücher illegal runtergeladen werden. So jedenfalls ist mit Büchern kein Geschäft mehr zu machen.

Das dickste Geschäft macht derzeit der Verlag Droemer/Knaur, der auch einen der größten Messe-Pavillons hat, mit Sabine Ebert, einer Autorin, die in Kreisen der Literaturkritiker gänzlich unbekannt ist. Ebert, eine Journalistin, schreibt historische Romane, die im sächsischen Freiberg um 1200 spielen und alle eine Hebamme im Titel haben. 10 Jahre und 3500 Seiten hat sie mit der Hebamme und dem Markgrafen von Meißen verbracht. 2,5 Millionen Exemplare hat sie verkauft. Soeben ist der fünfte Teil, "Der Traum der Hebamme", erschienen, mit einer Startauflage von 220 000 Exemplaren. Und sofort auf Platz eins der Taschenbuch- Bestsellerliste geschossen. Ja, so werden Bücher gemacht. 2013 wird Ebert einen Roman zum 200. Jubiläum der Völkerschlacht bei Leipzig herausbringen. Man ahnt bereits, wer den Kampf am Buchhändlertisch gewinnen wird.

+++ Buchmesse beginnt: Weniger Aussteller, mehr Europa +++

+++ Der Buchmarkt in Island und Deutschland +++

+++ "Sei schlau, stell dich dumm" - die Katze lernt schreiben +++

Währenddessen zerbrechen sich alle anderen Verlage die Köpfe darüber, wie man Bücher und Leser enger zusammenbringt. "Story-Drive" ist so ein Schlagwort, zu dem auch Konferenzen stattfinden. Da geht es darum, wie man trans- oder crossmedial Geschichten vermarktet, also Buch, TV und Film möglichst thematisch koppelt. Denn längst trifft sich auch die internationale Medien- und Entertainmentwelt auf der größten Buchmesse der Welt.

Hollywood-Regisseur Roland Emmerich ist hier, um seinen neuen Film "Anonymus" vorzustellen, der sich mit der Frage beschäftigt, ob Shakespeares Stücke wirklich von Shakespeare geschrieben worden sind. Der Film kommt Anfang November in die Kinos.

Gigantisch erscheint in diesem Jahr ein Ufo, das auf dem zentralen Platz der Messe gelandet zu sein scheint. Audi hat einen futuristischen Pavillon dort hingebaut, wo früher das altmodisch aussehende Lesezelt stand. Mehr als 20 Millionen Euro soll das Gebäude gekostet haben, in dem nun ausgerechnet die Antiquariatsmesse stattfindet. Bartträger und Schlapphosen neben visionären Automodellen. Größer könnte der Kontrast nicht sein.

Ganz anderen Themen widmen sich die kleinen Aussteller, die ihre Messe-Tage in Kojen verbringen, die enger sind als eine Gefängniszelle. Uljo, der Verlag für christliche Geschenkideen, präsentiert "Meine ersten Bibelspiele" oder einen Becher mit der Aufschrift "Nur bei Gott komme ich zur Ruhe". Ein Spruch, der angesichts der brennenden Augen, der platt getretenen Füße und der quaddeligen Haut, die sich nach einigen Stunden in den stickigen Hallen bildet, verlockend erscheint.

Am Nachbarstand, bei der "Gourmet Gallery Miele", findet der Kursus "Reykjavik is cooking" statt, Fischgeruch durchzieht die Halle 3.1. In einem Island-Kochbuch, das sich wohl weniger zur Weiterempfehlung anbietet, bekommt man Rezepte mit Walfleisch angeboten, an deren Ende "Guten Appetit" steht. Nichts wie weg. Vorbei an "Das demokratische Weinbuch", das eine "umfassende Teilhabe des Menschen am Weingenuss" verspricht. Hinein in die Halle des Gastlandes Island, die so schön ist und zum Lesen einlädt. 2,8 Millionen soll sie gekostet haben, stellt sich aber als genialer Werbecoup heraus, weil jedes Fernsehteam daraus berichtet. Überdimensionale Leinwände präsentieren filmisch einige der 400 isländischen Autoren und ihre 1500 Neuerscheinungen beim Lesen vor ihren Bücherwänden.

Herrlich kontemplativ ist das. Zumal in einer Ecke gemütliche Sofas und Lampen gleich zum Lesen und Kaffeetrinken anregen. Dort kann man dann sogar mit Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth über Bücher ins Gespräch kommen. Sie liest gerade die Biografie des Regisseurs Hans Neuenfels und fand sie so spannend, dass sie ihn spontan zum Essen eingeladen hat. Jetzt noch schnell im 3-D-Kino den Film über Islands Natur angeschaut. Und dann möchte man gar nicht mehr hinaus in die wahre Messewelt und ihren Trubel.

Es sei denn, es geht zur Preisverleihung für den kuriosesten Buchtitel des Jahres, den der Verlag Bloomsbury stets am ersten Messetag vergibt. Gewonnen hat - nach Abstimmung im Internet - "Frauen verstehen in 60 Minuten". Ist eigentlich nur mäßig komisch, wenn man bedenkt, dass auch Titel wie "Geritten werden - so erlebt es das Pferd", "Ihr Pferd ist tot, steigen Sie ab" zur Auswahl gestanden hätten. Die Schönheit des Gedankens, Inhalt oder Stil eines Buches stehen bei diesem Preis jedenfalls nicht im Mittelpunkt.

Unschlagbar war der Gewinner von 2008 "Begegnungen mit dem Serienmörder - jetzt sprechen die Opfer". Oder das in England gekürte "Kleine Sicherheitshandbuch lesbischer SM-Praktiken". Allgemein bedauerte man auch, dass es den Preis erst seit 2008 gibt. So schöne Titel aus früheren Jahren wie "Spaß mit Vögeln" fallen da nämlich gänzlich weg.