Klassiker mit Frischzellenkur: Hermine Huntgeburths “Tom Sawyer“ mit Heike Makatsch und Benno Fürmann eröffnet das Kinder- und Jugendfilmfest.

Cinemaxx Dammtor. Niemand kann einen Zaun so streichen wie Tom Sawyer. So gekonnt, gefühl- und genussvoll, dass die anderen Jungen es unbedingt auch einmal versuchen wollen. Sie sind sogar bereit, ihre Schätze herauszurücken, um einige Latten anpinseln zu dürfen. Und Tom kassiert. Bald hat er einen angebissenen Apfel, einen Drachen, Kaulquappen, einen Zinnsoldaten - und ist die doofe Arbeit los. Das ist eine der Schlüsselszenen in Mark Twains Roman "Tom Sawyer". Sie darf natürlich auch nicht in der gleichnamigen Verfilmung von Hermine Huntgeburth fehlen, mit der heute das Kinder- und Jugendfilmfest Michel eröffnet wurde.

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"Das kannst du nicht." Mit dieser simplen, den Ehrgeiz der anderen Kinder anstachelnden Unterstellung kriegt Tom (Louis Hofmann) sie alle. Das frühkapitalistische Beschäftigungsmodell - wer malt, zahlt - zieht. Lachend lehnt Tom an einem Baum, sieht zu, wie andere sich abrackern und macht dabei noch fette Beute. Aber es gibt noch viele Abenteuer für den Waisenjungen und seinen besten Freund Huck Finn (Leon Seidel) zu bestehen. Dabei geraten sie ernsthaft in Gefahr, denn sie werden bei einem nächtlichen Friedhofsbesuch Zeuge eines Mordes. Begangen hat ihn Indianer Joe (Benno Fürmann). Angeklagt wird aber der unschuldige Säufer Muff Potter (Joachim Król).

Die Hamburger Regisseurin Hermine Huntgeburth ("Die weiße Massai", "Bibi Blocksberg") hat den Kinderbuchklassiker stilvoll verfilmt. Neben Fürmann, der mit angeklebter Fieslingsnase überzeugt, ist unter anderem auch Heike Makatsch zu sehen. Sie verpasst der Figur der Tante Polly eine Frischzellenkur und spielt sie so, wie man als kleiner Junge seine Tante auch gern gehabt hätte. Der Film dürfte auch ein erwachsenes Publikum ansprechen.

Twain hat seinen Roman 1876 veröffentlicht. Der rebellische Tom, der andere anschwärzt oder verprügelt, ohne ein wirklich schlechter Kerl zu sein, wurde als "good bad boy" ein Vorbild für zahlreiche Kinderbuchhelden. Der Roman war ein Erfolg und ist seit 1917 mehrfach verfilmt worden. Das ZDF produzierte ihn Ende der 60er als Vierteiler mit Lina Carstens als Tante Polly.

Wie nähert man sich so einem Stoff heute an? "Behutsam und mit kollegialer Demut", sagt Sascha Arango, der das Drehbuch geschrieben hat. Der erfahrene Autor und zweifache Grimme-Preisträger war früher selbst von dem Abenteuer gefesselt. "Tom war für uns das, was für die Kinder heute Harry Potter ist." Er hatte für seine Adaptation der Geschichte nur vier Wochen Zeit. Einige Dialoge, wie die in der Zaun-Szene, hat er fast direkt aus der neuen Übersetzung des Buchs übernommen. Dass die Geschichte immer noch zeitgemäß ist, steht für ihn außer Frage. "Tom und Huck sind universelle Jungs. Sie sind skrupellos, gewitzt und ständig auf der Suche nach Abenteuern. Toms Muse ist die Faulheit."

Mit Regisseurin Huntgeburth hat Arango schon bei der TV-Serie "Eva Blond" zusammengearbeitet. Da trifft es sich gut, dass sie gleich am Ball bleiben. Zurzeit dreht die Regisseurin schon die Fortsetzung. "Huck Finn" sei kein Schelmenroman wie "Tom Sawyer", sondern ein "Sittenporträt des durch die Sklavereifrage geteilten Amerikas". Dieser Herausforderung hat er sich aber gern gestellt, denn eigentlich ist Huck seine Lieblingsfigur. "Für mich ist er ein auf die Welt geworfenes Häuflein Elend, das versucht, ein aufrechter Mensch zu werden."

Wenn Arango keine Kinoabenteuer am Mississippi schildert, schreibt er auch fürs Fernsehen. Der "Tatort: Borowski und die Frau am Fenster" stammt aus seiner Feder. Heute war der Autor mit Louis Hofmann, Leon Seidel und Benno Fürmann im Cinemaxx, um den Film gemeinsam mit ihnen vorzustellen.

Wenn Sie selbst der Meinung sind, dass Sie besser mit Pinsel und Farbe umgehen können als Tom, sollten Sie vielleicht mal in Mark Twains Heimatstadt Hannibal im US-Staat Missouri reisen. Dort findet jedes Jahr im Juli ein Zaunstreichwettbewerb statt ...

"Tom Sawyer" ab 17. November in den Kinos

Hier gibt es Trailer zu einer Auswahl von Filmen, die während des Filmfests gezeigt werden.