Wenn Sie noch nie im Ballett waren, holen Sie es jetzt nach: Mit Roberto Bolle tanzt ein Weltstar in John Neumeiers “Kameliendame“.

Staatsoper. Roberto Bolle ist ein Bild von einem Mann. Dunkelhaarig, blaue Augen, ein muskulöser Körper mit klassischen Proportionen. Nicht verwunderlich, dass er als Model gefragt ist. Der amerikanische Star-Fotograf Bruce Weber hat dem "Athleten im Trikot" einen prächtigen Bildband gewidmet. Noch begehrter ist der 36-jährige Italiener aus dem Piemont jedoch als Ballerino: Er zählt zu den weltbesten Tänzern und gastiert auf den Bühnen zwischen New York und Tokio.

Heute Abend tanzt Roberto Bolle den Armand mit Hélène Bouchet als Marguerite Gautier in John Neumeiers romantischem Liebesdrama "Die Kameliendame". 2007 wurde der Startänzer in dieser Rolle schon bei den Hamburger Ballett-Tagen bejubelt, als er zum Bühnenabschied von Alessandra Ferri mit der langjährigen Partnerin an der Mailänder Scala aufgetreten ist.

Neumeiers Ballett-Theater nach dem Roman "La Dame aux camélias" von Alexandre Dumas dem Jüngeren gehört zu seinen erfolgreichsten Choreografien. Sie erzählt im klassischen Stil mit Spitzenschuhen die leidenschaftliche Romanze zwischen der lungenkranken Halbweltdame Marguerite und Armand, einem jungen Mann aus der ersten Pariser Gesellschaft. Sie verzichtet aus wahrer Liebe zu ihm auf die Beziehung, um Armand nicht bei der standesgemäßen Hochzeit im Weg zu stehen.

In über 20 Gastspielen begeisterte das mitreißende, virtuos getanzte Ballett weltweit das Publikum, sogar auch die eher skeptischen Tanzneulinge. Denn die Handlung ist transparent in Rückblenden aus der Erinnerung erzählt, wird dramatisch untermalt und stimmungsvoll getragen von Frédéric Chopins Klavier- und Konzert-Kompositionen.

+++ Internationale Tanzstars zu Gast +++

+++ Die Seele der Geige +++

"Die Musik hilft mir auch sehr, gefühlsmäßig in diese Rolle zu finden", sagt Roberto Bolle. "Ich kann in den drei Akten die Entwicklungen der Emotionen und des Charakters von Armand zeigen. Er ist leidenschaftlich und rein, liebt Marguerite aufrichtig vom ersten Augenblick, in dem er sie bei einer Theatervorstellung sieht." 2007 hat Bolle die Rolle erstmals in der "Kameliendame" der Mailänder Scala getanzt und lernte John Neumeier kennen. Beide verstanden sich auf Anhieb. "Es war für mich eine ganz besondere Begegnung", schwärmt Bolle. "Neumeier hat die Fähigkeit, tief in die Figuren einzudringen, versteht, wer sie sind bei all ihrer Widersprüchlichkeit." Auch in der Probenarbeit mit Hélène Bouchet, deren Eleganz und Emotionalität Bolle sehr schätzt, habe er das wieder erfahren.

Darum war es für den Principal Dancer am American Ballet Theatre (ABT) keine Frage, als Neumeier ihm angeboten habe, den "Orpheus" zu übernehmen. "Ich habe es als eine große Chance und Ehre für mich empfunden", sagt Bolle. Allerdings konnte er wegen einer Verletzung die Hamburger Uraufführung 2009 nicht tanzen. "Aber jetzt ist wieder alles ok, es geht mit gut, und ich freue mich wirklich auf den ,Orpheus'. Die Arbeit mit Neumeier war in meinem Leben und in meiner Karriere eine einzigartige Erfahrung."

Der Armand liege ihm vom Charakter und klassischem Stil mehr, denn Neumeiers "Orpheus" zur Strawinsky-Musik habe eine modernere Tanzsprache. "Ich mag die Herausforderung des Wechsels. Außerdem hatte ich noch nie eine Rolle mit einem Choreografen gemeinsam entwickelt." Täglich konnte er mit Neumeier alleine arbeiten (sogar eine Ausnahme für den Choreografen), nach Schritten suchen, sich öffnen für die Figur des Musikers, der in Neumeiers heutiger Fassung des Mythos vom Straßengeiger zum berühmten Violinspieler wird.

Und wieder ist Hélène Bouchet als Eurydike die Partnerin Bolles. "Armand und Orpheus sind sich auch ähnlich, was ihre Gefühlslagen betrifft. In der Liebe zu Eurydike und zur Musik ist der Geiger ehrlich und emotional." Diese Punkte in einer Figur zu finden und herauszuarbeiten, liegt Roberto Bolle am Herzen. "Uns geht es nicht nur darum, eine möglichst gute Technik und schönen Tanz zu zeigen, wir wollen doch vor allem unser Publikum berühren und es gefühlsmäßig packen."

Dass dies Roberto Bolle als Armand gelingt, hat ihm das Lob der Kritiker und Zuschauer in den "Kameliendame"-Aufführungen in American Ballet Theatre New York, im Pariser Palais Garnier und an der Mailänder Scala schon bescheinigt.

Die Kameliendame Sa 1. u. Di 4.10., jew. 19.30, Staatsoper (U Gänsemarkt, U Stephansplatz), Dammtorstraße, Restkarten an der Abendkasse;

Orpheus Do 27. u. Fr 28.10., jew. 19.30, Staatsoper, Karten zu 4,- bis 89,- unter T. 35 68 68; www.hamburgische-staatsoper.de