Die Renaissance-Schau zeigt, wie aus anonymen Kunsthandwerkern selbstbewusste Künstler wurden. Extra Angebot für Abendblatt-Leser.

Hamburg. Überirdisch, raum- und zeitlos wirken die Altargemälde, die bis ins späte 13. Jahrhundert hinein in Italien entstanden sind. Weder der Künstler noch seine Kunst war wichtig, was zählte, war nur die Darstellung der Heiligen, deren Präsenz der zeitgenössische Betrachter im Bild zu spüren glaubte. Doch etwa um 1270 begannen sich die Dinge in den mittelitalienischen Kunstzentren Siena und Florenz zu ändern: Die Bilder lösten sich aus der heiligen Sphäre, wurden diesseitiger, die dargestellten Figuren wirkten wie Menschen aus Fleisch und Blut. Sie zeigten Gefühle und hatten Körper, die nicht mehr stilisiert wirkten, sondern anatomisch richtig aufgefasst waren.

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Diese gewaltige Entwicklung, die sich in der italienischen Frührenaissance im Lauf von etwa 250 Jahren vollzog, ist das Thema der Ausstellung die das Bucerius-Kunst-Forum von Sonnabend an zeigt. "Die Erfindung des Bildes - Frühe italienische Meister bis Botticelli" heißt die Schau, in der etwa 40 kostbare Holztafeln zu sehen sind, die alle aus dem Lindenau-Museum im thüringischen Altenburg stammen.

Der Aufklärer, Politiker und Wissenschaftler Bernhard August von Lindenau (1779-1854) hatte eine Sammlung von 180 frühen italienischen Gemälden sowie weitere Kunstwerke und eine umfassende Bibliothek privat erworben, in einem Museum präsentiert und dieses seiner Heimatstadt Altenburg zum Geschenk gemacht. Etwa 40 Bilder aus dieser außerhalb von Italien einzigartigen Sammlung sind jetzt in der Ausstellungshalle am Rathausmarkt zu sehen, die nach Epochenausstellungen zu Manierismus, Gotik und Barock nun die Kunst der frühen Renaissance in den Blickpunkt rückt.

Ursprünglich waren alle diese Bilder nicht autonome Kunstwerke, sondern Bestandteil von reichen Altarwerken, die in ausgefeilten ikonografischen Programmen das biblische Geschehen und die Heiligenlegenden erzählten. Im 17. Jahrhundert zerlegte man viele dieser Altäre, deren Bilder in Sakristeien oder Bodenkammern und im 19. Jahrhundert schließlich in den Kunsthandel gelangten.

Ausstellungskurator Michael Philipp hat darauf verzichtet, den jeweiligen Altarzusammenhang zu rekonstruieren und in den beiden Ausstellungsoktogonen des Bucerius-Kunst-Forums eine "sakrale Stimmung" zu schaffen. Präsentiert werden die Bilder vielmehr als eigenständige Kunstwerke, und zwar in chronologischer Folge. Und so rückt das Künstlerische in den Mittelpunkt, so wird es möglich, die allmähliche Entwicklung zu erkennen und zu verstehen, wie aus anonymen Kunsthandwerkern im Dienst der Kirchen und Klöster selbstbewusste und namentlich bekannte Künstler wurden.

Die Ausstellung beginnt mit vier noch spätmittelalterlichen Altarfragmenten, die Ende des 13. Jahrhunderts von Guido da Siena geschaffen wurden. Sie zeigen noch den typischen Goldgrund, vor dem flächenhafte Figuren mit breiten Heiligenscheinen stehen, die noch ganz in der byzantinischen Tradition dargestellt sind. Ganz anders dagegen das Bildnis einer jungen Frau im Profil, das Sandro Botticelli 1475 geschaffen hat. Das Gesicht ist individuell, die komplizierte Frisur und der Faltenwurf des Gewandes sind genau ausgearbeitet, der Heiligenschein transparent und fast nur angedeutet. Botticellis Bild ist keine Ikone mehr, sondern ein Kunstwerk und damit Ausdruck einer völlig neuen Zeit. Das Heilige ist diesseitig geworden, die Künstler schaffen keine Kultbilder mehr, sondern bemühen sich darum, die Wirklichkeit ihrer Zeit abzubilden.

Die Erfindung des Bildes 1.10.2011 bis 8.1.2012, Bucerius-Kunst-Forum, Rathausmarkt 2, tägl. 11.00-19.00, Do 11.00-21.00