Wegen des Skandals um MDR-Unterhaltungschef Udo Foht wurden 24 Büros und Wohnungen durchsucht. ARD fühlt sich schlecht informiert.

Leipzig. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Leipziger Staatsanwaltschaft zuschlagen würde. Gut sechs Wochen ist es her, dass der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) seinen Fernsehunterhaltungschef Udo Foht wegen dubioser Finanzgeschäfte vom Dienst suspendiert hat.

Über Jahre hinweg hatte sich Foht im Namen des MDR Geld bei Produzenten geliehen, Beträge zwischen 10 000 und 180 000 Euro. Manchmal wurde das Geld zurückgezahlt, aber nicht von Foht, sondern von anderen Produzenten, mit denen der MDR zusammenarbeitete. Fast täglich war in den Zeitungen von neuen Details, neuen Beteiligten und neuen Summen zu lesen. Die Foht-Affäre hat den MDR gelähmt und die ARD entsetzt.

An diesem Donnerstag hat die Leipziger Staatsanwaltschaft eine Großrazzia gestartet. Sie ließ in Bayern, Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt 24 Büros und Wohnungen durchsuchen. Die Ermittler haben wichtiges Beweismaterial sichergestellt, Geschäftspapiere und Computer beschlagnahmt. In ihrem Fokus stehen sechs Beschuldigte. Es geht um acht merkwürdige Vorgänge aus den Jahren 2007 bis 2011.

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***Neue Enthüllungen um Ex-MDR-Unterhaltungschef***

Der Hauptbeschuldigte ist Udo Foht, der Vorwurf gegen ihn: Bestechlichkeit, Betrug in vier Fällen und Untreue. Gegen vier weitere Beschuldigte ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bestechung und gegen eine andere Person wegen Betrugs und Beihilfe zur Bestechlichkeit. Um wen es im Einzelnen geht, dazu will sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern.

Nach Recherchen der Tageszeitung "Die Welt" zählt der Münchner Musikverleger Hans R. Beierlein zu den Beschuldigten. Beierlein ist ein Patron der Volksmusik, seine Firma Montana vertritt etliche bekannte Künstler und hatte Foht vor drei Jahren mit viel Geld aus der Patsche geholfen. "Die Welt" hatte das Geschäft und seine Hintergründe Anfang August dieses Jahres aufgedeckt. Da war Foht erst wenige Tage vom Dienst freigestellt.

Beierlein lieh Foht 180 000 Euro. Das Geld war angeblich dafür gedacht, eine neue MDR-Musikshow mit dem Arbeitstitel "Schlag auf Schlager" vorzufinanzieren. Die Show war vom MDR nicht genehmigt. Und obwohl Beierlein nur einen Bruchteil des Geldes wiedereintreiben konnte, schwieg er jahrelang. Erst als die Affäre schon öffentlich war, hat er dem MDR seine Unterlagen übergeben. So hat er selbst diesen Sachverhalt dargestellt.

Außer ihm ist nach Informationen der "Welt" auch Christian Schulzki ins Visier der Fahnder geraten, der Geschäftsführer der Leipziger Produktionsfirma Ariane Film. Diese Firma war es, die Fohts Suspendierung am 27. Juli dieses Jahres auslöste. Schulzki hatte den MDR über Fohts dubiose Finanzierungsgeschäfte informiert und dem Sender Dokumente übergeben, die Foht schwer belasteten. Schulzki ist deshalb verwundert. "Es ist sehr eigenartig, dass die Staatsanwaltschaft ausgerechnet uns zu den Beschuldigten zählt."

Hintergrund ist ein Fall aus dem September 2008. Foht hatte Schulzki damals gebeten, für eine andere Produktionsfirma kurzfristig einen Scheck über 20 000 Euro als Sicherheitsleistung zur Verfügung zu stellen. Foht behauptete, die Firma arbeite für den MDR und sei gerade etwas klamm. Weil Schulzki das Geld nicht zurückbekam, fragte er mehrmals bei Foht nach. Mitte Mai dieses Jahres platzte ihm endgültig der Kragen. Er schaltete einen Anwalt ein. Da wurde Foht bei ihm vorstellig und sagte, das Geld sei bei der Berliner Firma Just for Fun gelandet.

Aufgrund dieses 20 000-Euro-Schecks wirft die Leipziger Staatsanwaltschaft Schulzki nun vor, er habe Foht bestochen. Im Durchsuchungsbeschluss heißt es, Schulzki habe sich eine Gegenleistung für sein Geld erhofft, nämlich dass seine Firma "durch maßgeblichen Einfluss des Beschuldigten Foht auch in Zukunft vom MDR mit Produktionsleistungen beauftragt werden würde". Schulzki bestreitet den Vorwurf entschieden. Er sei es schließlich gewesen, der zur Aufklärung der Sache beigetragen habe.

Seine 20 000 Euro sollten nicht die einzige fragwürdige Zahlung bleiben, die im Zuge der Foht-Affäre bei Just for Fun in Berlin landete. Nach Recherchen der "Welt" hat Foht in mindestens drei Fällen Zahlungen an diese Firma veranlasst: Es geht um Beträge zwischen 10 000 und 30 000 Euro. Geschäftsführer von Just for Fun ist der Berliner Immobilienkaufmann René Bohacek, ein früherer Stasi-Mitarbeiter. Eine wichtige Rolle in der Firma spielt der langjährige MDR-Moderator Carsten Weidling.

Offenbar wurden auch bei Bohacek Räume durchsucht, allerdings zählen weder er noch Weidling derzeit zum Kreis der Beschuldigten.

Eine der prominentesten Figuren im Zusammenhang mit Fohts dubiosen Geschäften ist Werner Kimmig. Kimmig ist einer der wichtigsten freien Produzenten in der deutschen Fernsehszene ("Bambi", "Verstehen Sie Spaß?"). Aber auch er ist aus dem Schneider. Zumindest ist ihm aus Sicht der Staatsanwaltschaft Leipzig nichts vorzuwerfen.

Kimmig hatte im Oktober 2009 eine 10 000-Euro-Schuld beglichen: Geld, das Foht - angeblich im Namen des MDR - von einem Berliner Musikmanager erbettelt hatte. Zudem hatte er Foht für die ARD-Schlagersendung "Immer wieder sonntags" als Berater engagiert und ihm dafür einmalig 10 000 Euro gezahlt.

Der Südwestrundfunk (SWR), der das Format produziert hat, zog, kurz nachdem der Fall öffentlich geworden war, Konsequenzen. Produzenten, die für den Sender arbeiten, müssen künftig offenlegen, von wem sie sich beraten lassen. Die ARD hält das für den richtigen Weg. Erst am Mittwoch dieser Woche hat die ARD-Vorsitzende Monika Piel auf einer Konferenz in Potsdam Konsequenzen aus der Affäre beim MDR angekündigt. Die neun Länderanstalten sollten nach "strukturellen Lücken" suchen, "die Betrug begünstigen". Es gehe dabei vor allem um Vorschriften bei der Vergabe von Fernsehprojekten an freie Produzenten. Mancher ARD-Hierarch ist verärgert über das Verhalten der Leipziger. Man fühlt sich schlecht informiert. Zudem gibt der demnächst scheidende MDR-Intendant Udo Reiter ihrer Meinung nach keine gute Figur ab. So musste Reiter nach einer Enthüllung der Illustrierten "Super Illu" Mitte August einräumen, dass er selbst schon im Jahr 2009 über eines von Fohts Leihgeschäften informiert war. Folgen? Keine.

Die Razzia war offenbar von langer Hand vorbereitet. Schon am 30. August, also vor mehr als zwei Wochen, hatten die Ermittler sich Durchsuchungsbeschlüsse besorgt. Offenbar hielten sie es dennoch für geboten, mit den Durchsuchungen noch einige Zeit zu warten.