Am 1. September 1991 eröffnete das Schmidts Tivoli. Morgen bitten die Gründer Corny Littmann und Norbert Aust zur Geburstags-Gala.

Hamburg. Carmen im roten Topfhut. Ganz Hamburg wollte sie damals sehen. Noch vor der Eröffnungspremiere von "Marlene Jaschke ist Carmen" 1991 im Schmidts Tivoli waren alle 100 Vorstellungen ausverkauft. Mit der Opernparodie knüpften die Theaterleiter Corny Littmann und Norbert Aust an die Geschichte des Tivoli Concerthauses an. Von 1925 bis 1990 wurde im achteckigen Saal mit den goldenen Säulen musikalisches Vergnügungstheater geboten - zuletzt im ehemaligen Zillertal mit bayerischer Bierzeltatmosphäre.

Nun feiert das Tivoli sein 20. Jubiläum, steht ökonomisch glänzend und frisch getüncht mit weißer Fassade strahlender da als je zuvor. Die geschäftsführenden Gesellschafter der Schmidts Tivoli GmbH, Littmann und Aust, haben nicht nur ihre beiden Unterhaltungsbühnen (Schmidt-Theater und Schmidts Tivoli) am Spielbudenplatz auf Hochglanz gebracht und zu immensem Erfolg geführt, sondern auch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Kultur-Boom auf dem Kiez und für Hamburgs Kulturleben geleistet. Denn bei ihrem Start 1988 und 1991 war kulturell auf der Meile nicht gerade viel los zwischen Operettenhaus mit dem "Cats"-Musical-Miau an einem Ende und dem St.-Pauli-Theater am andern, wo einst Marika Rökk und Freddy Quinn sangen und tanzten.

Den Stier bei den Hörnern zu packen, das reizt Littmann: Als Geschäftsmann wie als Theatermacher. "Auf in den Kampf!" hatte der Schmidt-Chef als Torero sein Impresario-Motto zum Start ausgegeben. Er hatte "Kiez-König" Willi Bartels gewonnen, das Grundstück für fünf Millionen Mark zu erwerben, investierte mit seinen Gesellschaftern noch drei weitere Millionen für Renovierung und Umbau. Neben der unternehmerischen Courage, eine neue Kiez-Bühne mit 623 Plätzen zu eröffnen, war auch ein künstlerisches Konzept gefragt.

"Wir wollten keine Abspielstätte für fertige Musiktheater-Produktionen sein", sagt Norbert Aust in Richtung der damals übermächtigen Musical-Konkurrenz. "Unser Ziel war es und ist es, immer Neues zu entdecken und mit Künstlern zu arbeiten, die den Aufführungen ihr unverwechselbares Gesicht geben." Am Anfang war die Suche nicht immer leicht zu realisieren - trotz der Galionsfiguren Ernie Reinhardt und Georgette Dee. Mit ihnen brachte Littmann das schwule Vampir-Musical "Beiß mich" heraus, riskierte danach Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" mit Gesang, Tanz und einem "Biene Maja"-Elfengeschwader. "Gänzlich hausgemacht", urteilte damals das Abendblatt. Littmann sieht's etwas anders: "Die Flops sind relativ, wir haben den 'Sommernachtstraum' mehrfach überarbeitet und 250-mal gespielt." Als Erfolge verbuchte er seine "Cabaret"- Inszenierung und Ralph Benatzkys "Im Weißen Rössl". Als Kaiser Franz Joseph überraschten Rio Reiser, Herbert Feuerstein, Wilhelm Wieben und Littmann abwechselnd das Publikum. Mit den Musik-Revuen "Fifty Fifty" und "Sixty Sixty" hatten die Tivoli-Macher den Schlüssel zum Erfolg gefunden. Das Musical "Swinging St. Pauli" wurde als beste deutsche Tourneetheater-Produktion ausgezeichnet, das Stück mehrfach nachgespielt. Unübertroffen der Dauerbrenner "Heiße Ecke" mit 2081 Vorstellungen.

Kein Wunder, dass Littmann die Annahme, den Tivoli-Betrieb trage die Gastronomie, nachsichtig lächelnd zurückweist. "Wir leben vom Theater, nicht von den Getränken. Das war schon immer so. Die Gastro dient der Atmosphäre." Auch Sponsorengelder spielten beim Gesamtetat von 15 Millionen Euro für beide Theater kaum eine Rolle. "Das macht drei bis fünf Prozent aus." Den Zwang jedes Unternehmens, sich zu vergrößern und das Angebot zu erweitern, haben er und Aust in der neuen Schiene von Kinder- und Familientheater realisiert. Jährlich kommen rund 420 000 Besucher zu den 973 Vorstellungen ins Schmidt und Tivoli.

Dabei begann die Tivoli-Erfolgsgeschichte alles andere als freundlich mit einem Hausverbot. Im Dezember 1990 besuchten Aust, Littmann und der damalige Kultursenator Ingo von Münch das Zillertal. Ein aufgeregter Geschäftsführer, der Mann der Inhaberin, empfing sie. "Er hat uns vor die Tür gesetzt", erinnert sich Littmann amüsiert. "Herr von Münch war völlig perplex und protestierte, die Schnipsel der Eintrittskarten in der Hand: ,Aber wir haben doch bezahlt.'" Kein Kultursenator hatte bisher Hausverbot in einem Unterhaltungsetablissement erhalten. Littmann kennt den Grund: "Ich hatte am Vortag im 'Hamburg Journal' gesagt, das Zillertal würde geschlossen und nirgendwo könne man als Bayern kostümierte polnische Musiker erleben, die für japanische Touristen Blasmusik spielten." Ab 1. Januar 1991 waren die beiden rausgeworfenen Theatergründer dann die Herren im Haus.

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