Das Sozialdrama “Company Men“ zeigt leitende Angestellte, die während der Finanzkrise ihren Job verlieren - und damit auch ihre Männlichkeit.

Los Angeles. Gefragt sind vor allem die Schurken. Die Opfer interessieren in Filmen, vor allem des US-Kinos, weit weniger. Geschichten um die Finanzkrise sind da kaum eine Ausnahme. Sofort fällt einem der Gierschlund Gordon Gekko in Oliver Stones "Wall Street" ein, und auch "Margin Call" - im Februar auf der Berlinale, im September in den Kinos - spielt in der Hochfinanzwelt. Verblüffend allerdings die Botschaft: Auch in den Chefetagen sitzen Menschen, die von der Krise eiskalt erwischt worden sind. Und manchmal steckt im Wolfspelz ein Schaf, das sich wie die anderen vor der Schlachtbank fürchtet.

"Margin Call" wirkt streckenweise wie ein Endzeitthriller. Um einige Grade wärmer temperiert ist dagegen "Company Men", ein Sozialdrama mit glimpflichem Ausgang, in dessen Mittelpunkt drei Mitarbeiter eines Multikonzerns stehen, die vor die Tür gesetzt werden. Im Gegensatz zu den Problemfilmen der 30er- bis 80er-Jahre (anders als hierzulande wird "Social Problem Film" in den Vereinigten Staaten nicht als Schimpfwort benutzt) dreht sich die Geschichte nicht um Mitglieder der Arbeiterklasse, sondern um leitende Angestellte. Tommy Lee Jones' Figur sitzt sogar im Aufsichtsrat. Auch die weitere Besetzung bürgt für Sympathie mit den Verlierern: Neben Ben Affleck ist der herausragende, leider immer noch unterschätzte Chris Cooper dabei. Ihre Figuren stehen für die tragende Säule der US-Gesellschaft: die gehobene Mittelschicht, deren Schulden nach wie vor Schmiermittel für das Getriebe des Kapitalismus sind.

Wer in den USA arbeitslos wird, stürzt meist tief. Aber der in Boston spielende Film erzählt weniger von materiellen Verlusten als vom Verlust an Prestige und Männlichkeit, die mit der Kündigung einhergeht. Der Film weist aber auch - klassische Hollywood-Schule - Wege aus dem minimierten Selbstwertgefühl, das allen Hauptfiguren zu schaffen macht. Besonders an Bobby Walker (Affleck) wird die Berg- und-Tal-Fahrt der Persönlichkeitskrise exemplifiziert.

Ihn trifft es als Ersten. Zwölf Jahre hat er dem Unternehmen gedient, und sein Rezept gegen den drohenden Abstieg lautet zunächst, die Krise einfach zu ignorieren. Bis ein Golfklub-Mitarbeiter ihn sanft, aber bestimmt darauf hinweist, dass der Mitgliedsausweis wegen Zahlungsverzugs abgelaufen ist. Auf der Habenseite stehen der Realismus und die Zuversicht von Walkers Frau - überhaupt arbeitet der Film einmal mehr die "family values" als Gegengewicht zu Ungemach heraus.

"Company Men" entwirft allerdings auch unheimliche Gegenbilder zum intakten Zuhause der Walkers. Phil Woodward, einer der älteren Firmenangehörigen, geht am hohlen Prestigedenken seiner Frau zugrunde. Wie "Der letzte Mann" Murnaus spielt der Arbeitslose seiner Umwelt die Scharade des viel beschäftigten Buchhalters vor, um sich in Wahrheit die Zeit in Bars zu vertreiben. Man wünschte dem eindringlichen Chris Cooper mehr Raum in dem Film, seinen tragischen Charakter zu entfalten, seine (Haupt-)Rolle ist klein, trotzdem spielt er Tommy Lee Jones - ganz zu schweigen vom verlässlich farblos agierenden Ben Affleck - fast an die Wand.

Die Rolle von Tommy Lee Jones ist ein wenig seltsam, seine Szenen wirken zusammengekürzt: Gene McClary gehört zu den Mitgründern der Firma GTX. Sein Schicksal scheint besiegelt, als sein Ex-Kompagnon auch ihn abstößt wie eine unrentable Tochterfirma. McClary steht zwischen zwei Frauen: Seine Gattin nutzt das immense Jahresgehalt ihres Mannes für ihren luxuriösen Lebensstil, seine Geliebte hat bei GTX zugleich den Posten der Personalchefin inne.

McClary ist das abgeklärte Raubein des Films, eine Art John Wayne im Edelzwirn. Ein sympathischer Schwerenöter, in dem sich die Widersprüche des Kapitalismus aufzuheben scheinen. Am Ende ist McClary derjenige, der sich und den anderen Halbverzweifelten mittels Firmenneugründung eine Zukunft baut. Nach der (Sinn-)Krise ist es an der Zeit, den Wiederanfang mit etwas zu wagen, das man sehen, hören und riechen kann. Rettender Anker ist eine marode Schiffswerft, die wirkliche Güter produziert, statt abstrakte Summen hin- und herzuschieben. Dort treffen sich die von der Entlassungswelle Fortgespülten wieder.

"Company Men" beschwört einen Pioniergeist herauf, der einerseits aufrichtig, andererseits sturznaiv wirkt. Regisseur John Wells hat der Mut gefehlt, seine Helden existenzieller Not auszusetzen. Afflecks bitterster Verlust betrifft seinen Sportwagen. Echte Verzweiflung findet im Off statt, während die Erzählung auf Schmusekurs weiterschnurrt.

Ein kleines Stück Arbeiterklasse marschiert mit Kevin Costners Figur doch in den Film. Eigentlich verachtet Walker die Brotarbeit seines Schwagers Jack Dolan (Costner). Schließlich nimmt er aber doch sein Jobangebot an. Auf dem Bau erlebt der geschasste Manager nicht nur die Freuden des echten Handwerks, sondern auch die Solidarität unter Kollegen. In den Szenen eines bis zur Erschöpfung anpackenden Affleck und der gemeinsamen Frühstückspause erweist sich der Filmtitel "Company Men" als Verweis auf das wiedergefundene Idyll einer Gemeinschaft zwischen Männern, die von ihrer Hände Arbeit leben. Von den Existenzkämpfen im Handwerk schweigt Wells. Dass er das gehobene Bürgertum als primäres Opfer der Rezession hinstellt, zählt sicher zu den wackligeren Thesen seines Films.

Trotz aller Einwände zählt "Company Men" zu den interessanten Filmen dieses Sommers. Statt sich in wohlfeiles Entertainment zu stürzen, versucht es Hollywood zur Abwechslung mit der Schilderung sozialer Realitäten.