Hauptrolle, Drehbuch, Regie - Tom Hanks hat sich mit dem Wirtschaftskrisen-Liebesfilm “Larry Crowne“ leicht verzettelt. Zum Glück gibt's Julia.

Hamburg. Tom Hanks ist so etwas wie der amerikanische Günther Jauch. Bodenständig, frei von Skandalen, vertrauenswürdig, altmodisch, etwas bieder, durch und durch sympathisch. Alle mögen ihn, und genau wie hierzulande bei Jauch wünscht sich eine Vielzahl der US-Amerikaner, Hanks würde in die Politik gehen. Die ewig Netten, sie dürfen und sollen einfach alles.

Und das macht Hanks denn auch: In "Larry Crowne", der am Donnerstag in den Kinos anläuft, spielt der 54-Jährige die Hauptrolle, schrieb das Drehbuch, führte Regie (zum zweiten Mal nach seinem Regiedebüt "That Thing You Do") und produzierte den Film, der durchaus auch ein politischer ist.

Es geht um die amerikanische Realität, die aktuelle Wirtschaftskrise, um das Schicksal des kleinen Mannes: Larry Crowne arbeitet in einem Supermarkt. Immer pünktlich, immer zuverlässig. Der Traum eines jeden Chefs. Akribisch füllt er die Regale mit Dosensuppen auf, poliert die Auslage mit leidenschaftlicher Hingabe. Er liebt seinen Job. Draußen, in der kaputten Welt, hat ihn seine Frau verlassen, aber hier drinnen, in seiner kleinen heilen Welt zwischen den Molkereiprodukten und Tiefgefrorenem, ist er noch wer. Achtmal hat es Larry bereits zum "Angestellten des Monats" gebracht.

Als er das neunte Mal ins Personalbüro gerufen wird, wird ihm fristlos gekündigt. Die Weltwirtschaftskrise ist im Supermarkt angekommen.

Jeder solle das Gefühl haben, ihm könne das Gleiche passieren, erzählt Hanks vor dem Filmstart in einem Interview. Tatsächlich spiegelt der Film die ganze gegenwärtige Gesellschaftslage der USA wider: Crowne wird wegrationalisiert, ist für viele neue Arbeitgeber zu alt. Er kann die Hypothek nicht mehr bezahlen, muss sein Haus verkaufen - und das in Zeiten, in denen die Immobilienblase in den Vereinigten Staaten gerade geplatzt ist.

Dass die Wirtschaftskrise längst thematisch in Hollywood angekommen ist, zeigen Filme wie "Wall Street 2" und J. C. Chandors "Margin Call". In Hanks' Film zur Krise kommen jedoch die Midlife-Crisis eines Mittfünfzigers und so viel schmalzige Sozialkritik hinzu, dass einem schwindelig wird. Crownes Lebensmotto birgt Hanks' Schlachtruf an das gebeutelte Amerika in sich: Nicht unterkriegen lassen. Alles wird gut! Tom Hanks, der sich gerade eine 26-Millionen-Dollar-Villa gekauft hat, bringt das überzeugend rüber.

Der amerikanische Traum handele nicht von Besitztümern, so Hanks, sondern von der Fähigkeit, sich in eine neue Richtung zu bewegen. So ist auch Larry Crownes Depression schnell vergessen. Er tauscht sein benzinfressendes Riesenauto gegen einen Roller und schreibt sich auf dem College ein, um dort zwecks Fortbildung wieder die Schulbank zu drücken. Dann wird er auch noch in eine Motorradgang aufgenommen. Die gleicht mit ihren hilfsbereiten und grundsympathischen Mitgliedern allerdings eher einem lyrischen Lesekreis auf Rädern.

Der durch und durch naive und altmodische Larry Crowne lernt, wie man SMS schreibt und Baggy Pants trägt - und verliebt sich in seine Rhetorik-Lehrerin Mercedes Tainot (Julia Roberts). Auch sie steckt in einer tiefen Sinnkrise: Beruflich kurz vor dem Burn-out und privat mit einem arbeitslosen Schriftsteller liiert, der den ganzen Tag Pornos guckt, ist der Cocktail nach Schulschluss ihre einzige Lebensfreude - natürlich nur, bis Larry kommt.

Lange habe er die Figur des Loser-Typen mit sich herumgetragen, so Hanks. Tatsächlich wirkt der Film, als sei ein 20 Jahre altes Drehbuch aus der Schublade geholt und mit aktuellem Krisenkitsch aufgemöbelt worden. Alle Charaktere sind unerträglich nett, die Gags allesamt erwartbar, die Liebesgeschichte wirkt antiquiert. "Larry Crowne" ist eine Mischung aus Momenten bewährter Hanks-Klassiker, des Altherren-Motorradfilms "Born to be Wild" und einer drittklassigen Highschool-Komödie, an der Nia Vardalos ("My Big Fat Greek Wedding") mitgeschrieben hat.

Schauspieler, Autor, Produzent und Regisseur: Das ist etwas zu viel Tom Hanks für einen Film, der so bieder ist wie seine Hauptfigur. Natürlich ist Hanks als Schauspieler grandios und erinnert als Larry Crowne an einen modernen Forrest Gump. Und für diese Rolle hat er schließlich schon einmal einen Oscar bekommen. Der Film schleppt sich jedoch viel zu brav dahin. Die Sozialkritik ist zu romantisch und artig, die Aussage zu seicht.

Hätte Hanks eine seiner vielen Aufgaben abgegeben, es hätte dem Film gutgetan. So ist es, als wäre Günther Jauch in seiner neuen Talksendung Moderator, Redakteur, Caster und Gast zugleich. Es ist zu viel des Guten. Letztendlich ist es Julia Roberts, die 2007 bereits in "Der Krieg des Charlie Wilson" mit Hanks vor der Kamera stand, die den Film rettet. Als tragikomische, motivierte und vom Leben gelangweilte Pädagogin ist sie die einzige Figur mit Ecken und Kanten und macht - Achtung, noch eine Krise - die amerikanische Bildungsmisere auf bittere Weise deutlich.

Wieso eine Frau wie sie sich gerade in den unerotischen Anti-Draufgänger Crowne verliebt, erschließt sich den ganzen Film über jedoch nicht. Man kommt irgendwann nicht umhin zu glauben, dass Tom Hanks einfach mal mit Julia Roberts knutschen wollte und die gesamte amerikanische Finanz-Immobilien-Bildungs-Krise nur als sozialkritische Inszenierung für einen schönen Filmkuss dient.

So ist aus der Geschichte über Larry Crowne ein harmloser Film geworden, der niemandem wehtut, aber auch nicht wirklich unterhält. Oder positiv gesehen: Es ist ein Film entstanden, der so grundoptimistisch, spießig, so gutgläubig ist wie der ewig nette Hanks. Seine Fans werden ihn lieben.