Zwei bedeutende Sammler von Gegenwartskunst, Thomas Olbricht und Harald Falckenberg , mischen in den Deichtorhallen ihre Schätze.

Hamburg. Es erscheint nicht nur mathematisch plausibel, dass eine Ausstellung mit Werken aus dem umfangreichen Bestand zweier tiefgründiger Sammler einen doppelten Boden haben darf. Wer die vom Chef der Deichtorhallen Dirk Luckow kuratierte neue Ausstellung "Zwei Sammler" in der Halle für aktuelle Kunst besucht, dem begegnet die Doppelbödigkeit bereits im Foyer. Angriffsfreudig strecken sich dem Gast aus einer unbehandelten braunen Leinwand zwei quittegelbe Boxhandschuhe entgegen, jeder sitzt festgeklebt auf Armen aus grob aneinandergemörtelten Backsteinen.

Georg Herolds raumgreifendes Wandbild "What A Life" hat seine eigene Entstehungsgeschichte und bedeutet bestimmt was ganz anderes. Doch hier, als Begrüßungsgeste zur Ausstellung mit Schätzen zweier Groß-Sammler der modernen Kunst, fragt man sich unwillkürlich: Welche Faust mag Thomas Olbricht gehören, welche Harald Falckenberg? Und was sagen sie uns? Getrennt sammeln, vereint schlagen?

Wer Herolds Kunstwerk an diesem Ort und in diesem Zusammenhang so liest, fühlt sich unversehens als Objekt einer ironischen Manipulation. Er fällt ihr sogar schon zum Opfer, wenn er den Flyer zur Ausstellung in die Hand nimmt. Innen grüßt der von Wolfe von Lenkiewicz weiterbearbeitete doppelte Elvis von Andy Warhol, "Ace of Spades", zwei coole Kerle mit Totenschädeln und dem Pik-As-Motiv, das als Todessymbol gilt. Das Deckblatt zeigt Paul McCarthys "Skunks", zwei grotesk vergrößerte Plüschtiere, aus einem imaginären Hosenschlitz lässt jedes seinen Penis baumeln. Insinuiert der Kurator damit scherzhaft einen Wettbewerb zwischen seinen hoch potenten Leihgebern? Wer hat den Größeren, hier: Wer hat die größere Sammlung?

Natürlich weisen Thomas Olbricht und Harald Falckenberg solchen jungenhaften Wetteifer weit von sich. Sie haben ungefähr gleich viel zeitgenössische Kunst angehäuft in ihrem Sammlerleben, jeder besitzt rund 2000 Werke, und zwar querbeet: Malerei, Fotografie, Skulpturen, Mixed-Media-Arbeiten, Videokunst. Und von Konkurrenzdenken keine Spur - Harald Falckenberg, der seine Sammlung in den Phoenix-Hallen in Harburg Anfang des Jahres den Deichtorhallen als Dauerleihgabe überlassen hat und dessen Haus seither als Dependance der Deichtorhallen firmiert, trat mit der Idee an Luckow heran, Stücke aus seinem Schatz mit Preziosen aus dem von Thomas Olbricht (Essen/Berlin) nach eigenem Gutdünken zu mischen.

Olbricht sammelt Briefmarken, seit er sechs Jahre alt ist. Zur Kunst kam er über eine frühe Begegnung mit Joseph Beuys. Er wehrt sich nicht allzu sehr dagegen, dass man den Schwerpunkt seiner Kunstsammlertätigkeit mit der Überschrift "Liebe, Leben, Tod" versieht. Falckenberg dagegen gilt als Freund des Politischen, Subversiven, Widerborstigen in der Kunst. "Olbricht steht für das Obsessive, Falckenberg für das Distanzierte", so erklärt der Kurator die Spannung zwischen den beiden Sammlungen. Wen von den beiden was mehr anspricht, darauf könnten die zwei Gemälde von André Butzer einen Hinweis geben. Der malt so expressiv, dass sich auf manchem Quadratzentimeter Leinwand gefühlt drei große Tuben Ölfarbe quellend aufzutürmen scheinen. Falckenberg hat eine chaotisch-bunte Farbwucht von Butzer im Repertoire ("Kind von Bluna"), Olbricht steuert eine Öl-auf-Leinwand-Orgie in Grau mit einigen gelben Schlieren und blassroten Klecksen bei ("Ohne Titel/monochromes Bild").

Mit dieser Schau ist das optische Äquivalent eines gigantischen Mixtapes zu erleben. Wie ein DJ, der sich das seiner Meinung nach Beste und Stärkste aus den exquisiten, einander kaum überschneidenden Sammlungen zweier Musikbesessener raussucht und nach Belieben mischt, hat Dirk Luckow sich für etwa 200 Werke entschieden und sie in 14 unterschiedliche Themenfelder geordnet.

Das Gegenständliche überwiegt. Nur in zwei Räumen, sie heißen "Schwarz + Weiß ist nicht gleich Grau" und "Farbfeld Adds", tritt die figürliche Malerei gegenüber der reinen Auseinandersetzung mit der Farbe zurück. In der "Dunkelkammer" inszeniert Luckow starke Erfahrungsmomente über Tod, Sterben und Religion, in denen ganz postmodern Tiefe und Trivialität, Intimität und grobe Provokation einträchtig koexistieren.

Unerreichbar hoch, jeden Betrachter zum Aufschauen verpflichtend, thront darin Thomas Schüttes "Pope", eine im Gesicht gruselig fleckige Papstbüste. Und natürlich gehört Martin Kippenbergers mit schönen Schmiedenägeln ans Kreuz geschlagener geschnitzter Frosch, der mit Wucht religiöse Gefühle verletzt, zur Sammlung Falckenberg. Luckow hat sogar überlegt, ob er den Hinweis, was aus wessen Sammlung stammt, nicht einfach weglassen soll auf den Täfelchen. Er hat sich dann aber dagegen entschieden.

Seine Arbeit verspreche einen "etwas objektiveren Blick auf die Sammlungen", sagt Luckow. Und wagt die pathetische These: "Die Werke haben sich ein Stück weit von ihrem Sammler befreit." Weil der Zusammenhang, innerhalb dessen wir etwas sehen, einen starken Einfluss hat darauf, was und wie wir es sehen, hat er mit seiner Befreiungstheorie wahrscheinlich sogar recht. Aber Luckows Rekontextualisierung ist nicht ohne Tücken. Sie liefert die Kunstwerke der Gefahr aus, dass sie an Vielschichtigkeit einbüßen zugunsten einer vermeintlich eindeutigen Zuordnung. Und inwiefern das Hinzutreten eines weiteren Subjekts in Gestalt von Dirk Luckow die subjektive Auswahl zweier passionierter Sammler aus dem subjektiven Schaffen von über 100 gegenwärtig wirkenden Künstlern einen Gewinn an Objektivität bedeuten soll, wäre erst noch zu beweisen.

Die Sammler hängen die Schau etwas tiefer. Sie möchten sie als Abenteuerreise durch künstlerische Widerspiegelungen der zurückliegenden paar Jahrzehnte bis heute verstanden wissen. Also rufen die Boxfäuste am Eingang vielleicht auch: Euch werden wir's zeigen. Hier könnt ihr was erleben.

Zwei Sammler: Thomas Olbricht und Harald Falckenberg bis 21. August, Deichtorhallen (U Messberg) Deichtorstraße 1-2, geöffnet Di-So, 11.00-18.00, Eintritt 9,-, erm. 6,-