Weltpremiere eines Weltstars: Hugh Laurie spielt im Café Keese sein Album “Let Them Talk“

Hamburg. Er kann lächeln, er kann sogar lachen, er kann sich freuen wie ein kleiner Junge. Spätestens gestern Abend, im mit gefühlt 1000 hauptamtlichen Hamburger Handyfotografen voll gepackten Café Keese auf der Reeperbahn, musste auch der letzte Fan von Dr. House einsehen: Hugh Laurie ist ein anderer. Hugh Laurie ist nicht ganz und gar identisch mit dem egomanischen Meister der ärztlichen schlechten Laune aus dem Fernsehen. Ein Schauspieler, gewiss, vor allem aber auch ein Musiker mit einer unheilbaren Passion für den Blues, die nur durch fortgesetztes Spielen desselben vorübergehend gelindert werden kann.

Laurie ist bei Gott nicht der größte Sänger unter der Sonne, und sein Klavierspiel rumpelt oft etwas zu gemütlich vor sich hin. Manchmal klingt er wie ein alkoholreduzierter Tom Waits, manchmal wie ein unquengliger Elvis Costello - und ein paar kostbare Takte lang, in den höheren Lagen, gerät sein Gesang gar in Hörweite des Crooner-Schmelzes eines Nat King Cole. Vor der vielfach mit Dr.-House-T-Shirts kostümierten Fanmenge kokettiert Laurie mit den Grenzen seiner Kunst, bittet gleich zu Anfang um Vergebung für alle eigenen musikalischen Mängel und verspricht: "Alles was mir misslingt, bügeln die Jungs hinter mir wieder aus." Tatsächlich ist seine fünfköpfige Band ein Wunder an Downtempo-Power. Vor allem die Balladen des Albums "Let Them Talk", das Laurie nahezu Stück für Stück auf die Bühne bringt, sind derart reduziert, dass das Geplauder der Konzertbesucher den Sound von der Bühne an Lautstärke öfter übertrifft. Ob die Leute wirklich als Liebhaber dieser Musik nach Hause gehen, die ihn schon in Kindertagen so tief angefasst hat wie nichts sonst? Selbst wenn sie nur gekommen sind, um den Star-Schauspieler mal aus der Nähe zu sehen? Diese Hoffnung gab Laurie am Nachmittag bei einer kleinen Privataudienz dem Abendblatt zu Protokoll.

Als er da so beiläufig durchs Bild lief, hätte ich ihn fast nicht erkannt. Wer als grantelndes Knautschgesicht weltberühmt wurde, muss fürs Inkognito offenbar nichts weiter tun, als sich regelmäßig zu rasieren und einigermaßen freundlich zu gucken. Mit dieser kostengünstigen Verkleidung dürfte Hugh Laurie durch die Welt kommen, ohne dass ihn laufend Leute mit Dr. House verwechseln. Rasiert und freundlich empfing er zum Gespräch. Jeanshemd, dunkle Hose, eine breite Swatch-Uhr am linken Handgelenk. Die steile Doppelfalte in der Stirn, eins der Erkennungszeichen des chronisch übellaunigen TV-Doktors, verschwindet bei ihm offenbar auf Kommando. Leider kann er uns Dauergestressten nicht den Trick verraten, wie das geht.

Denn er ist ja nicht Dr. House. Wären da bloß nicht diese Augen. Himmelblau? Jeansblau? Sehr blau jedenfalls, und House-Gucker wissen: Der Blick kann die Schärfe eines Laserstrahls erreichen. Laurie zeigt nicht ganz das beinharte, allzeit lächelfreie Buster-Keaton-Gesicht, das er auf Fotos kultiviert. Doch kaum ist eine Kamera in der Nähe, bleiben die Mundwinkel streng waagerecht oder gehen gleich nach unten. Der Versuch des Fotografen, den Berufsgrantler in der minutenkurzen Sitzung fürs Zeitungsbild zum Lachen zu bringen, scheitert. Fast.

Dass er Musik liebt, war lange bekannt. Parallel zu seiner Karriere als Dr. House, die ihm mittlerweile allein bei Facebook 18 Millionen Fans auf den Hals lud, hat Laurie etwa in der BBC-Comedyserie "A Bit of Fry and Laurie" immer wieder britisch-lustige Songs vorgetragen, Eigenes und Parodien. Wer dabei dachte, er könne doch ganz ordentlich Klavier spielen und singen, benutze die Musik aber nur als Vehikel für Attacken auf die Lachmuskulatur seines Publikums, der dachte richtig. "Ich habe ungefähr 25 Jahre gebraucht, bis ich all meinen Mut und meine Redlichkeit beisammen hatte, Musik so zu spielen, dass man merkt, wie ernst es mir damit ist", sagt Laurie. "Nicht bierernst, aber doch ernst. Ich hab mir diese lustigen Lieder ausgedacht, weil es Spaß gemacht hat, sie zu singen. Vor allem aber habe ich mich hinter dem Witz, hinter der Nachahmung versteckt. Mir fehlte einfach der Mut, mich hinzustellen und der zu sein, der ich wirklich bin. Auch deshalb markiert das Album in meinem Leben einen ganz wichtigen Moment. Noch nie zuvor habe ich mich so nackt gezeigt."

Einziger Zweck der Platte für ihn: seiner Liebe zu dieser Musik Ausdruck zu geben. "Nichts ist näher an mir dran. Für mich ist das kein Hobby, keine Schrulle. Immerzu habe ich diese Musik gehört und gespielt, und wenn's nach mir geht, wird das bis an mein Lebensende so bleiben. Das könnte allerdings schon in ein paar Stunden kommen. Hängt davon ab, wie das Konzert läuft", scherzte Laurie am Mittag. Abends um halb zehn hat er sicher gewusst, dass er unbedingt weitermachen wird.