Jazz und Herrenmagazine sind zwei Leidenschaften von Götz Alsmann - wie er heute beim “Herrenabend“ im Ernst-Deutsch-Theater beweist.

Münster. Bückware hieß das früher. Nicht jugendfrei waren die Hefte, und deswegen gerade in dieser Altersklasse umso begehrter. Textilarme Studien der weiblichen Anatomie wurden in schlüpfrig formulierte Gentleman-Prosa verpackt, die eindeutigen Zweideutigkeiten in Gürtellinie-Gazetten wie "Gondel", "Paprika", "Capriccio" oder dem "Ronke-Magazin" konnten in den späten 40ern und frühen 50ern als seriöse Nierentisch-Lektüre für den Lebemann von Welt durchgehen. Laut der Historikerin Sybille Steinbacher war Deutschland in den heute so fernen Aufbau-Jahren das Land, in dem die Erotikbranche, allen weit voraus Beate Uhse, ihre größten Erfolge feierte.

Wenn irgendjemand wie geschaffen dafür ist, bei diesem süffisanten Thema kulturarchäologisch tätig zu werden, dann Götz Alsmann. Doktor Götz Alsmann, so viel Zeit muss sein. Doktor der Musikwissenschaft, promoviert mit selbst geschriebener Arbeit über Independent-Plattenfirmen in den USA ab 1942. Besonderstes Markenzeichen des mittlerweile 53-jährigen Westfalen - neben der seitlich schon leicht eingrauenden Rock-'n'-Roll-Tolle über der Schlaumeierbrille - ist sein Faible für exquisite Nostalgie, kredenzt mit einem ordentlichen Spritzer Ironie. Die allerdings kann er für Kameras und Zuschauer anknipsen, bei unserem Gespräch in einem WDR-Aufnahmestudio in Münster ist er leise, eher ernst, ruhig und bedacht. Das genaue Gegenteil der anarchistischen Pointenschleuder, die er in Shows wie "Zimmer frei!" so virtuos bedient. Dafür gelingt es Alsmann aus dem Stand, in wenigen Momenten von Namen der Liedtexter des Wiener Frühwerks von Peter Alexander auf die Größenunterschiede von Cowboyhüten in Westernfilmen zu kommen, an denen man ihr Entstehungsjahrzehnt ablesen kann. Alsmann kann amtlich Klavier spielen, ebenso Banjo und Mandoline. Jeans auch nur zu besitzen ist für den Freund edlerer Zwirne und Binder weit unterhalb seiner Würde.

Im Archiv findet sich von ihm der schöne und auch jetzt undementiert bleibende Satz: "Wenn die Ohren anfangen zu kotzen, ist es Formatradio." 1985 hatte er übrigens mit einer Rockabilly-Version des Depeche-Mode-Hits "People Are People" einen Chartserfolg in Kanada. Man hat ihn schon den "Johannes Heesters des 21. Jahrhunderts" genannt, womöglich ein Lob, obwohl er eher seine Wurzeln auch im Frankenfeld hat. Er hat Klassiksendungen im ZDF moderiert, bis sich die quotenfixierten Mainzelmännchen im letzten Jahr von ihm trennten. Soll sagen: Dr. Alsmann weiß, was geht und was nicht.

Bereits als der Entertainer Anfang der prilblumenverklebten 70er noch ein leicht gestriger Teenager in der katholischen Universitätsstadt war, witterte er bei Flohmarktbesuchen mit der Zielsicherheit des suchenden Heranwachsenden, dass sich in den anfangs erwähnten Herrenmagazinen ungeahnte Schätze verbargen. Im Laufe der Jahre kam eine kleine, aber feine Sammlung von Druckerzeugnissen zusammen, eine wunderbare Ergänzung zur ausufernden Plattensammlung und Inspirationsquelle für den enzyklopädisch denkenden Freund geistreicher Unterhaltungsmusik.

Irgendwann zwischen den ständigen Plattenaufnahmen, Tour-Terminen und TV-Auftritten entstand die Idee für das "Herrenabend"-Programm, bei dem O-Töne und Jazzschlager zelebriert werden, weil ja schließlich auch der "Jatz" damals als halbseiden in die Schmuddelecke verbannt wurde. Stilrein wird es da zugehen. Alsmann liest aberwitzig bemühte Schoten vor, wie die über einen Möbelfabrikanten, der auf dem Hamburger Jungfernstieg (höhö!) eine junge Dame kennenlernt. Es gibt Charakterstudien über liebreizende Ausländerinnen ("Wer einmal die Französin hat stricken sehen ... ahhh ja ... Nee, ist schon schön", schwärmt Alsmann grinsend) und aufklärerische Traktate wie "Warum Angst vor der Liebe", ein Text aus seinem ersten "Ronke-Magazin". Zwischendurch swingende Repertoire-Perlen von Alsmann (an der in roten Samt gehüllten Orgel) und seiner Band (ohne - höhö! - Vibrafon), nur echt in ihren roten Smokings, über die Alsmanns Mutter urteilte, die Jungs sähen darin aus wie die Aufbauhelfer vom Circus Sarrasani.

Dass der Humor seiner Antiquitätenschau schon leicht graumeliert ist, macht Alsmann nichts. "Wir können das natürlich nicht eins zu eins nehmen", erklärt er, "aber ob Sie's glauben oder nicht, die ältesten Hefte sind die freizügigsten." Die Kriegsheimkehrer ließen sich einfach nicht vorschreiben, was sie sehen wollten, und erst recht nicht, wie viel davon. "Man merkt, dass sich die Prüderie ab 1953 wieder durchsetzt, im Grunde also mit der ersten Wiederwahl Adenauers." Und die historischen Fotos, mit dem die Stimmung der Show noch weiter hochgepeitscht wird ("Es gibt auch gewagte Bilder"), das muss man eher als libidinösen Annäherungsversuch an weitgehend unbekannte Wesen verstehen: "Wenn man sich die ganzen Exotinnen da etwas genauer ansieht, ist es meistens doch nur Berta Kwiatkowski aus Lünen-Brambauer", feixt Alsmann "mit Utensilien aus dem Karnevalsfachhandel und sehr viel Farbe im Gesicht." Liebe machte schon in den 50ern blind.

Herrenabend: Lesung mit Musik: 4.4., 19.30, Ernst-Deutsch-Theater. Karten (24-32,50 Euro): Tel. 22 70 14 20. Die gleichnamige CD ist bei tacheles!/Roof Music erschienen. Sekundärliteratur: Sybille Steinbacher "Wie der Sex nach Deutschland kam. Der Kampf um Sittlichkeit und Anstand in der frühen Bundesrepublik" Siedler, 576 S., 28 Euro