Elizabeth Taylor war die letzte Diva aus der großen Hollywood-Zeit, aufregend weit über ihre Filme hinaus. Erinnerungen an ihr wildes Leben

Der Tod kam - anders als ihr Leben - ohne Glanz und Gloria. Er holte eine Greisin, nicht den Star, die schönste Frau der Welt. Und doch ist ein Märchen zu Ende gegangen - vielleicht das wirklich letzte, das Hollywood zu bieten hat. Elizabeth Taylor starb gestern im Alter von 79 Jahren in Los Angeles an Herzversagen. Die dreifache Oscar-Preisträgerin sei friedlich im Krankenhaus Cedars-Sinai gestorben. Ihre Kinder Michael Wilding, Christopher Wilding, Liza Todd und Maria Burton waren bei ihr. Taylor hatte seit Jahren unter Herzbeschwerden gelitten und war seit rund sechs Wochen in der Klinik behandelt worden.

Mit Elizabeth Taylor ist die letzte große Diva abgetreten. Sie war ihre eigene Epoche. Unnahbar, heiß begehrt, angreifbar, entrückt. Filme für ihren Ruhm brauchte sie längst nicht mehr, hat sie eigentlich nie gebraucht.

Ihr Leben selbst spielte sich von frühester Jugend an im Breitwandformat ab: auf Reisen mit Schrankkoffern und einer Armada meist schwuler Angestellter (Privatsekretär, Chauffeur, Hundeführer, Visagist und Friseur) und natürlich der jeweilige Ehemann an ihrer Seite. Sie lebte nur im "wir", im Pluralis Majestatis - in den teuersten Häusern, Yachten und Hotels, abgeschirmt und doch allgegenwärtig für alle "da". Ihr Markenzeichen der atemlos übergeworfene, sündhaft teure Pelz, Verworfenheit insinuierend.

Anders als Marilyn Monroe, die Männer zum Anlehnen brauchte, suchte sie Männer als Zeitvertreib, zum Verbrauch, schleppte sie aber mit fast manischer Gewalt vor den Traualtar; anders als Audrey Hepburn, die scheue Überirdische, war Elizabeth Taylor diesseitig und irdisch, sexy und derb. Aber eben auch von hinreißender, ja beinahe schon anmaßender Schönheit.

In "Ein Platz an der Sonne" aus dem Jahr 1951 machte die 19-Jährige nicht nur Montgomery Clift zum Affen; sie, dunkelhaarig, geheimnisvoll, erotisch, hätte ganze Kaskaden von Männern die Klippen hinuntergejagt, wenn sie das gewollt hätte. Sie wollte es nicht. Sie liebte und verachtete Männer, die sie insgesamt, falls die Statistik noch nachgekommen ist, achtmal vor den Altar schleifte, davon Richard Burton zweimal, der am Ende der zweiten Ehe so fertig war, wie sie triumphierte.

Sie triumphierte als Schauspielerin in "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" und vernichtete darin ihren Gatten, eben Richard Burton, den in England umjubelten Shakespeare-Star, der sich in dieser (absolut) glanzvollen Rolle endlich von seiner Frau abheben wollte. Er wollte es ihr (und der Welt) zeigen - sie zeigte es ihm. Die Welt wusste es schon. Sie bekam den Oscar; er die Depression.

Sie war maßlos - im Geben wie im Nehmen; sie ließ sich mit Klunkern behängen, von Burton einen für acht Millionen Dollar, gab sich verschleiert wie die Königin von Saba und fluchte besser als eine Straßendirne. Als Burton ihr endlich die Fäkalsprache ihrer "four-letter-words" (Vier-Buchstaben-Wörter) abgewöhnt hatte, bejahte sie das treuherzig mit dem Satz: "Darauf können Sie Ihren Arsch (ass) verwetten." Burton darauf: "Das war ein three-letter-word."

Die Welt lag ihr zu Füßen, sie genoss es im Gegensatz zu Marlon Brando, dessen Arroganz Genuss nicht zuließ. Je älter sie wurde, desto marktschreierischer stand sie im Mittelpunkt. Sie, zu hinreißenden Liebesszenen fähig und mit Sicherheit von niemandem von der Bettkante gestoßen - außer von Paul Newman in "Die Katze auf dem heißen Blechdach" -, liebte das Röhrende aus tiefster Whiskykehle.

Aber sie half auch. Für Michael Jackson, den Ikarus der Popgeschichte, war sie die wahrscheinlich letzte altruistische Freundin; sie verteidigte ihn laut und offen gegen den Rest der Welt; sie belud sich mit dem todkranken und wegen Aids plötzlich geächteten Filmbeau Rock Hudson, ihrem Partner aus "Giganten" (1956), und engagierte sich seitdem für die Immunschwächekrankheit, die laszive Geißel der Gegenwart.

Selber x-mal todkrank kannte sie ihre Grenzen, aber keine Ängste mehr.

Im vollen Bewusstsein für ihren verfallenden Zustand fand sie noch Zeit, sich von ihrer Familie, um genauer zu sein, ihren Familien zu verabschieden. Schon lange von persönlicher Eitelkeit frei liebte und litt die einst "schönste Frau der Welt" ihr Leben lang mit der ungebrochenen Kraft ihres Charakters, dem ihr zeitweiliger Dauerbegleiter, der ewig braune George Hamilton, ultimative Überlebenskunst beschied.

Drei Oscars gewann die 1932 in London geborene Amerikanerin. Sie betrat schon im Alter von nicht einmal vier Jahren die Bühne, wurde mit elf zum Kinderstar nach dem Lassie-Film "Heimweh", entdeckte mit 17 ihr scharfzüngiges komödiantisches Talent in "Kleine, tapfere Jo", ging mit 18 die erste ihrer acht Ehen ein. Mit Nicky Hilton, einem gleichaltrigen cholerischen Schwächling aus bekannter Dynastie. Im Alter von 29 Jahren und zum vierten Mal verheiratet, gewann sie mit "Telefon Butterfield 8" den ersten Oscar (1993 für ihr Lebenswerk den 3.). Sie war auf Karriere getrimmt von den Eltern, einer zweitklassigen Schauspielerin, aber ehrgeizigen Mutter, und einem smarten Vater - einem, wie sich bei der Scheidung herausstellte, homosexuellen Kunstgaleristen, dem die Karriere der Tochter nicht weniger wichtig war als sein Gewerbe, weswegen die Familie kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Pasadena umsiedelte.

Die Tochter gehörte intuitiv zu den Menschen, die keine Schranken gelten ließen. Sie lebte im Film, wo sie sich den verheirateten Eddie Fisher krallte (und das "Pfui" der Frauenverbände auf sich zog), und spielte im Leben - mit Richard Burton; sie ließ sich nicht nur als Cleopatra in der Sänfte tragen, sondern ihr ganzes Dasein lang, und das nicht einmal im übertragenen Sinne.

Die Bitterkeit ihres Alters zwang es ihr auf, die Sänfte durch den Rollstuhl zu ersetzen. Was die Welt für eine Zumutung hielt, nahm sie ungerührt hin wie alle ihre gesundheitlichen Probleme - Hautkrebs und Gehirntumor, zwei künstliche Hüften und die "ewigen" Lungenentzündungen, vom chronischen Rückenleiden ganz zu schweigen. Nur einmal, als ihr auch noch Gedächtnisschwund unterstellt wurde, fuhr sie Larry King, sich aus ihrem Rollstuhl emporstemmend, an: "Sehe ich so aus, als wenn ich Alzheimer hätte?"

Sie sah so aus und - schlimmer. 1,56 Meter groß und annähernd 200 Pfund schwer (Motto in dieser Phase: Dicke Mädels brauchen dicke Diamanten), war aus diesem Bild von Frau ein am Suff zerschelltes Wrack geworden - mehr als einmal in ihrer Vita.

Untergehen und wieder Auftauchen: Das war ihre Sinuskurve über Jahrzehnte. Ein exzessives Wechselspiel, das mit dem Flugzeug-Tod ihres dritten Mannes, des genialen Filmproduzenten Mike Todd, ihrer wahrscheinlich ersten ganz großen Liebe, begonnen hatte.

Nie wieder zu heiraten hatte sie tränenerstickt an seinem Grab geschworen. Und hatte zu dieser Zeit nicht mal die Hälfte ihrer Ehemänner hinter sich. Noch stand ja der zweite ihrer ganz großen Favoriten in der Kulisse ihres Lebens: Richard Burton. Die beiden konnten nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander.

Burton überlebte die zweite Scheidung trotz erneuter Ehe nur um wenige Jahre.

Ein anderes Ereignis, das sie früh an den "Rand der Verzweiflung" geführt hatte, war James Deans Unfalltod 1955. Mit ihm hatte sie nicht nur in "Giganten" geliebäugelt, wie damals immer gemunkelt wurde. Was sie freilich am meisten schockte, war - typisch für sie -, dass es "Jimmy" nicht mal mehr vergönnt war, die Uraufführung seines Films zu erleben. Was für ein Drama angesichts des Todes - für Liz Taylor und ihre Sicht der Dinge jedenfalls.

Sie offenbarte damit erste Züge eines Narzissmus, den sie in diesem Fall zwar noch auf James Dean übertrug, dem sie in Wahrheit aber selber frönte - bis sie sich ihrem Alter stellte und damit endgültig der Wandlung vom Engelsgesicht zur Marketenderin. Erst danach fühlte sie sich frei zum furchtlosen Bekenntnis ihres Verfalls - einerseits. Andererseits nutzte sie diese Freiheit zur hemmungslosen Ausbeutung ihrer Gelüste, ob Alkohol-, Drogen- oder Fresssucht. Es gab ja nichts mehr zu verbergen. Es gab ab und zu noch das Wunder ihrer Wiederkehr, dem ausgiebig Platz in den Medien eingeräumt wurde.

Schon mit Ende 40 höhnte sie, fettleibig wie ihr kongenialer Kollege Marlon Brando, "in 20 Jahren bin ich 70". Es klang wie die ersehnte Befreiung von jeder Art der Fesselung.

Ihre besten Filme drehte "die Taylor" - inzwischen Mutter von drei Kindern plus zwei adoptierten - bis Mitte der 60er-Jahre. Sie avancierte zur teuersten Aktrice aller Zeiten. Keine Gage mehr unter zwei Millionen Dollar, als der Kurs zur D-Mark noch mit 4,25 Mark berechnet wurde; allein ihre Gewinnbeteiligung an "Cleopatra" betrug 7,17 Millionen Dollar. Grund genug für eine Selbstinszenierung, die der der ägyptischen Femme fatale des Altertums wahrscheinlich entsprochen hätte (wiewohl das Opus als Ganzes floppte).

Das tat 1977 auch die mit großem Getöse angekündigte Weltsensation "Little Night Music", deren Premiere die 45-Jährige gar nicht erst besuchte und die am Ende kaum noch Zuschauer im Saal erlebte. Dafür begeisterte sie zwei Jahre später, wie um eben mal die Konkurrenz zu schocken, den Broadway drei Monate mit "Little Foxes".

Zu dieser Zeit, privat gerade mit Senator John Warner liiert, war sie öffentlich längst zu ihrem eigenen Mythos aufgestiegen, in unangreifbare Höhen entschwebt. Gut, dass keiner ihrer Verehrer den Ton im Hause Warner mitbekam ("Beweg deinen Arsch, Senator!").

Daran änderten diese, aber auch andere belächelte Abstiege in menschliche Niederungen wie ihre achte Hochzeit mit dem siebten Mann, dem 20 Jahre jüngeren Bauarbeiter Larry Fortensky, nichts mehr. Sie war der Maßstab - über ihre Filme hinaus, von denen etliche - "Giganten", "Die Katze auf dem heißen Blechdach", "Plötzlich im letzten Sommer", "Die Nacht des Leguan", "Süßer Vogel Jugend", aber auch "Heimweh" mit Lassie - längst zu Klassikern geworden sind.

Sie war alles in allem - ihrer Winzigkeit, ihrer hochtoupierten Haare, ihres kitschigen Kleiderstils, ihrer Sprache, also vielen Unmöglichkeiten zum Trotz - Hollywoods Gigantin, die Verkörperung aller denkbaren Sehnsüchte, selbst der unerfüllbaren.

Ihr Tod beendet ein Stück Hollywood-Geschichte. Eine Nachfolgerin als Diva ist nicht in Sicht. Angelina Jolie, die Ansätze dazu hat, mustert sich als Vorzeige-Mutter für diese Rolle gerade wieder aus. Um noch einmal die röhrende Stimme der alten Liz zu Wort kommen zu lassen. Ihre Meinung zu den "jungen Dingern" als neue Taylor? "Alle nur Hühnchen!"

Nicht nur Hollywood schweigt und trauert.