Mit dem “Zeitlos“-Konzert feiert Vicky Leandros den Chanson - auf Deutsch. Eine Hommage an ein schönes Stück französischer Kultur.

Laeiszhalle. Künstler erinnern sich im Herbst ihrer Karriere gern an ihre Anfänge. Sie besinnen sich auf ihre kreativen Wurzeln, schließen gewissermaßen einen Kreis, indem sie sich, um Jahrzehnte gereift, mit dem Alten neu erfinden. Vicky Leandros, im Herzen eine Hamburgerin aus Griechenland mit Millionen verkaufter deutscher Schlagerplatten ("Theo, wir fahr'n nach Lodz"), singt zwar auch in ihrer hellenischen Muttersprache, doch ihre Liebe gilt, wie sie nicht müde wird zu betonen, dem französischen Chanson.

Das Konzert und die nicht mehr ganz neue CD "Zeitlos" sind eine Huldigung an das Kunstlied aus Frankreich, von dessen stilistischer Vielfalt sie sich in ihrer Karriere erfolgreich hat inspirieren lassen. Denn wer Vicky Leandros lediglich als eine Schlagersängerin verkennt, dem dürfte entgangen sein, was für eine vielseitige Künstlerin und Frau sie ist.

Ihren Kindern zuliebe unterbrach die Sängerin ihre Laufbahn (für alle Erbsenzähler, die sich wundern, warum Vicky, seit 1965 im Show-Biz, "erst" ihr 35. Bühnenjubiläum begeht). Außerdem hat sich die 1952 auf Korfu geborene Griechin auch politisch in ihrer Heimat engagiert. Zwischen 2006 und 2008 bekam sie bei den Kommunalwahlen in Piräus ein Mandat, amtierte als Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Kultur, ehe sie entschied, sich wieder ganz ihrer Leidenschaft, der Musik, zu widmen. Und nach der Trennung von ihrem Mann ein neues Leben in Berlin zu beginnen.

1972 gewann die Tochter des Sängers, Komponisten und Musikproduzenten Leo Leandros, die in Hamburg Gesangs-, Tanz- und Gitarrenunterricht erhalten hatte, beim Grand Prix Eurovision de la Chanson in Edinburg und startete durch. Bereits ihre erste Single "Messer, Gabel, Schere, Licht" hatte sich 1965 glänzend verkauft, doch Klaus Munros Grand-Prix-Lied brachte ihr internationale Aufmerksamkeit und machte sie zum Star. Mit "Après toi", ihrer selbstbewusst, leuchtend hell über sattem Paukenschlag und Violinenklang geschmetterten Freiheits-Fanfare einer jungen Frau, ersang sie sich den Sieg und dazu einen kommerziellen Erfolg mit 5,5 Millionen verkauften Platten.

Vergleicht man die damals französisch vorgetragene Version des Chansons mit der heutigen deutschen, sieht, hört und versteht nicht nur der Vicky-Fan, worauf die lebende Legende Leandros begründet ist: auf ihrer mediterran expressiven, markanten und modulationsreichen Stimme zwischen transparenten Höhen und warmen, voll tönenden Tiefen. Damals sang sie "Après toi" in jugendlich dramatischer Allüre im engen, langen schwarzen Kleid, bis in die Gestik mit den graziösen Flatterfingern inspiriert durch Juliette Gréco, die "Griechin" aus Montpellier und Grand Dame de la Chanson. Heute interpretiert sie ihren einstigen Grand-Prix-Hit unter dem Titel "Wenn du gehst" auf einen lässig schwingenden Tango-Rhythmus: mit der ironischen Distanz und souveränen Nonchalance einer lebenserfahrenen Frau, die genau weiß, was sie will.

Neben den eigenen, mit dem Mannheimer Produzenten Mathias Grosch komponierten Balladen ("Irgendwann", "Nur die Liebe zählt") präsentiert Vicky Leandros ihre deutsch getexteten Fassungen von Chansonklassikern, darunter Gilbert Bécauds "L'important c'est la rose", "Comment te dire adieu" von Françoise Hardy oder Edith Piafs unvergänglichen Titel "Je ne regrette rien". Hatte die französische Chansonette Dalida für ihr Duett "Parole, Parole" den Charmebolzen und Leinwandstar Alain Delon als Partner, konnte Leandros für ihre Fassung den Bibel-Rezitator, Bühnen- und Filmschauspieler Ben Becker gewinnen, um mit ihr im Takt sein erotisch timbriertes "Cherie" zu raunen.

Die zeitlosen Welterfolge hat sich Vicky Leandros mit untrüglichem Gespür und einer unverminderten Liebe und Leidenschaft für die Musik und das französische Kunstlied angeeignet. In einer raffinierten, melodiös eingängigen und modernen Melange aus Chanson, Pop-Song und Schlager erfindet sie die Ohrwürmer neu, bürstet sie durch die Arrangements gegen den Strich und gibt ihnen einen frischen Dreh. Vicky La Voix bringt den geflüsterten, gehauchten, rauchigen Sprechgesang à la française zu vollem, rundem und nuancenreichem Klang: indem sie ihm ihre unverwechselbare Stimme gibt.

Vicky Leandros: Zeitlos So 20.3., 20.00, Laeiszhalle, Großer Saal (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten von 29,85 bis 73,55, T. 35 76 66 66; www.vickyleandros.eu