Heute erscheint das zweite Jesus-Buch von Papst Benedikt XVI. Erzbischof Werner Thissen hat es exklusiv für das Abendblatt rezensiert

Jesus von Nazareth - wer ist das, was hat er gewollt, und was kann er für Menschen des 21. Jahrhunderts bedeuten?

Darauf antwortet Papst Benedikt in seinem Buch, das heute erscheint. Der Weg Jesu wird nachgezeichnet und gedeutet. Er beginnt mit dem Einzug in Jerusalem und führt über das letzte Abendmahl, den Gerichtsprozess und die Kreuzigung bis hin zur Auferstehung.

Doch bei den historischen Fakten bleiben die Aussagen nicht stehen. Sie sind wissenschaftlich auf der Höhe der Forschung, das Buch ist geprägt von dem Bemühen, Vernunft und Glaube so zueinander in Beziehung zu setzen, dass beide zu ihrem Recht kommen.

Das gilt für alle neun Kapitel. Besonders spannend wird das aber, wenn es im letzten Kapitel um "Die Auferstehung Jesu aus dem Tod" geht. Mit der Auferstehung Jesu steht und fällt das Christentum. Ob Jesus nur eine Person in der Vergangenheit war oder auch eine Person in der Gegenwart ist, das ist der entscheidende Punkt.

Behutsam nähert sich der Papst der Frage, wie die Jünger den auferstandenen Jesus erlebt haben. Wie unbeholfen sie mit einer Realität umgehen, die ihren Erfahrungshorizont sprengt. Wie paradox es für sie ist, einer Person zu begegnen, die ihnen einerseits aus dem Umgang mit dem irdischen Jesus vertraut ist, die aber andererseits völlig aus ihren Denkgewohnheiten herausfällt, als sie es mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen zu tun bekommen.

All das zu akzeptieren, fällt den Jüngern schon schwer genug. Aber dann sollen sie das, was sie erlebt haben, auch noch weitersagen.

Was sich von der Verkündigung der Jünger in der Bibel wiederfindet, unterscheidet der Papst in zwei Typen. Der Typ der Bekenntnistradition enthält kurze, einprägsame Formeln. Zum Beispiel: "Der Herr ist wahrhaft auferstanden und dem Simon erschienen."

Der Typ der Erzähltradition dagegen berichtet von Begegnungen mit dem Auferstandenen und schildert einzelne Ereignisse aus Jerusalem und Galiläa. Die Erzählungen sind nicht in allen Einzelheiten verbindlich. Aber sie bewahren gerade in ihrer Unterschiedlichkeit das unerhört Neue, das mit der Auferstehung Jesu beginnt.

Etwa wenn die Jünger den Auferstandenen zuerst nicht erkennen, und als sie ihn dann doch erkennen, ihn nicht mehr sehen. Oder wie der Auferstandene, der plötzlich trotz verschlossener Türen in ihrer Mitte ist, nicht mehr an Raum und Zeit gebunden ist, aber dennoch mit ihnen isst.

In solchen Schilderungen wird deutlich, wie die Auferstehung nicht allein innerweltlich logisch erzählt werden kann, weil es dafür keine Maßstäbe gibt. Wie aber zugleich die Wucht des Erfahrenen die Jünger dazu drängt, das für sie zweifellos Wahrgenommene nicht für sich zu behalten.

Der Papst macht es sich vor allem mit diesem Kapitel der Auferstehung nicht leicht. Sorgfältig geht er der Frage nach, ob das Grab Jesu denn tatsächlich leer war. Er stellt sich den Mirakelvorstellungen einer "wiederbelebten Leiche" ebenso wie dem Verdacht "mystischer Erlebnisse" bei den Jüngern. Er unterscheidet zwischen dem, was erklärbar ist, und dem, was "wir unerklärt lassen müssen".

Dabei kommt er auch auf Fragen zu sprechen, die weniger zentral sind für die Einschätzung der Person Jesu, die aber aktuelle Diskussionen befeuern können. Etwa wenn er sich um Klärung bemüht, warum in der Erzähltradition der Auferstehung Frauen wichtiger sind als Männer, in der Bekenntnistradition aber allein den Männern das Feld überlassen ist.

In jedem Kapitel fällt auf, wie groß die Wertschätzung des Papstes für die Bibel der Juden ist. Wie er Jesus immer wieder charakterisiert vor dem Hintergrund alttestamentlicher Verheißung und Frömmigkeit. Das hat großes Gewicht, ebenso wie der deutliche Hinweis darauf, dass nicht die Juden insgesamt den Tod Jesu gefordert haben, sondern Teile der Tempelaristokratie und Anhänger des Widerstandskämpfers Barabbas.

Es ist faszinierend zu lesen, wie in diesem Buch Jesus vorgestellt wird als einer, der auch für heutige Menschen von entscheidender Bedeutung ist und dem man vertrauen kann. Es ist zu spüren, dass hier ein kritischer Wissenschaftler schreibt. Aber man spürt auch, dass hier einer schreibt, der ein unbedingtes Interesse an Jesus hat. Kritisches Fragen und aufmerksames Erkennen bilden eine spannungsvolle Einheit.

Die Jesusbücher des Papstes - der dritte und letzte Band wird hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lassen - werden Wissenschaftsgeschichte und Glaubensgeschichte schreiben. Sie zu lesen ist anstrengend und anregend zugleich. Sie tun Kopf und Herz gut.