Von Mutter Kirche mal abgesehen haben Hamburgs Erzbischof Werner Thissen und der Bayer Joseph Ratzinger nur wenig gemein. Dort der Papst mit dem Image des intellektuell-kühlen, schwer nahbaren Theologie-Professors, der gerade den zweiten Band seines Werkes über Jesus fertiggestellt hat. Und hier der Bischof, "unser Erzi", wie ihn viele "seiner" 390 000 Katholiken im Erzbistum liebevoll nennen. Hoch anzurechnen ist ihm, dass er jetzt in einer schlaflosen Nacht das druckfrische Papst-Buch fürs Abendblatt gelesen hat. Denn dem Hamburger Bischof, geboren im niederrheinischen Kleve, sind Menschen eigentlich wichtiger als Bücher. Gern steuert er strahlend auf alle zu, die ihm nahe kommen, grüßt mit kräftigem Händedruck und verblüfft mit der Treffsicherheit, mit der er Namen abruft, obwohl er seinem Gegenüber manchmal nur ein einziges Mal begegnet ist.

Thissen hat auch schon mal den Termin mit einem Ministerpräsidenten abgesagt, weil er lieber einem schwer kranken Mitarbeiter Trost spenden wollte. Zwar hält sich der 72-Jährige, der HSV-Schal und -Kappe besitzt, mit eigenen Fußballeinsätzen inzwischen zurück, aber nach wie vor hat die Fußball-Arena für ihn etwas von einer Kathedrale. Joseph Ratzinger übrigens, seinen Theologie-Professor aus Münsteraner Zeiten, hat Thissen schon oft getroffen - vor dessen Papstamt auch auf dem Petersplatz. Wer wird da wohl als Erster seine Hand ausgestreckt haben?