Der Journalist und Bestsellerautor Michael Jürgs hat ein Buch über das Bundeskriminalamt und die organisierte Kriminalität geschrieben.

Das richtig Böse macht sich selten die Finger schmutzig und ist schwer zu packen. Es agiert immer öfter im diffusen Daten-Dschungel der virtuellen Welt. Es sitzt am PC und geht oft raffinierter vor als das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden. "Das Böse ist immer und überall", sagt Michael Jürgs, 65, Journalist und vielfacher Bestsellerautor, beim Gespräch in einem Hotel an der Alster. "Es kann gut sein, dass jetzt gerade hier in einem Zimmer ein Waffen- oder Rauschgiftgeschäft läuft. Oder eine Intrige ausgeheckt wird, wie ein Politiker oder Manager gestürzt, erpresst oder, wenn es ganz schlimm kommt, ermordet werden kann."

Jürgs hat sich für sein heute erscheinendes Buch "BKA, Europol, Scotland Yard - Die Jäger des Bösen" tief in die Materie hineingearbeitet. Gut sieben Monate hat er geforscht, und die Recherche fing wenig erbaulich an. Die "Firma in der Wiesbadener Festung", das BKA, knapp 390 Millionen Euro Jahresetat, 5103 Beschäftigte, Frauenquote 37,2 Prozent, erteilte ihm eine Absage. Zu viel Öffentlichkeit wirke sich schädlich auf den Betrieb aus, beschieden die Fahnder dem Reporter. Doch die Abfuhr stachelte Jürgs' journalistischen Ehrgeiz nur zusätzlich an. Er ließ alte Beziehungen spielen, knackte die Festung BKA, bekam offizielle und auch ein paar inoffizielle Termine. Er reiste zudem nach London zu Scotland Yard, nach Den Haag zu Europol.

Jürgs betrieb "harte Faktenrecherche" und baute das Buch so auf, wie der "Stern" früher unter seiner Ägide große Serien angelegt hatte. Nun nimmt er seine Leser mit auf eine reflektierende und manchmal auch hautnahe Reise durch die kalte Schattenwelt. Profiler und Fallanalytiker kommen zu Wort, dazu IT-Spezialisten, Datenjongleure, Wissenschaftler, Psychologen und Staatsanwälte, die "Landkarten des Verbrechens" erstellen und den organisierten Kriminellen hartnäckig im Nacken sitzen. Und Fahnder, die beim BKA in der "Abteilung Horror" arbeiten, in der es nie ein Happy End gibt. Sie sind Ermittler in Sachen Kinderpornografie, fahnden in den "virtuellen Kammern des Schreckens". Sie sehen Kinder leiden, hören sie winseln und flehen. Ein ganz harter Job, der sie nicht so schnell loslässt. Manche nie.

"Das organisierte Verbrechen kommt mir vor wie ein Supermarkt, in dem es in verschiedenen Regalen und auf verschiedenen Ebenen alles gibt, was an der Kasse Gewinn macht", schreibt Jürgs: "Rauschgift, illegale Einwanderer, Betrug, Prostitution, Pornografie mit Kindern, Waffen. Sobald der Verkauf einer bestimmten Ware nachlässt, Heroin zum Beispiel, nehmen die Besitzer des Supermarktes andere Waren in ihr Sortiment auf, etwa Kokain. Wenn ein Konkurrent ihre Preise unterbietet, überlegen sich die Bosse geeignete Maßnahmen, mit billigeren Waren den wiederum vom Markt zu drängen. Es geht eigentlich zu wie in der legalen Wirtschaft. In der bewegen sich unauffällig wie Fische im Wasser inzwischen auch viele Kriminelle."

Und wo investiert die Mafia derzeit am meisten? "Dort, wo die Gelegenheit günstig ist. Wo es keine Datenvorratspeicherung, keine hartnäckige Observation im Netz gibt. Also auch in Deutschland. Das bestätigten mir viele Sicherheitsorgane in vertraulichen Vieraugengesprächen", sagt Jürgs, "sie sagten es mit sichtbarem Bedauern und größtem Unverständnis."

Michael Jürgs bemängelt in seinem Buch viele zu milde Urteile für Kinderpornosammler und fragt, warum nachweislich durch kriminelle Geschäfte angehäufte Vermögen, Luxusautos und Traumvillen nicht konfisziert werden können. "Das internationale Verbrechen hat sich im Zeitalter des Internets zu einem Kraken mit den ganzen Globus umgreifenden Armen entwickelt", sagt Michael Jürgs. Und um im Daten-Dschungel die ganz großen Raubtiere zu erwischen, müssten die Jäger des Bösen endlich ihre digitalen Präzisionswaffen zum quasi tödlichen Schuss einsetzen dürfen. Doch dazu müssten manche Gesetze verschärft werden. Vielleicht, so hofft der Journalist, gebe sein Buch ja einen Anstoß dazu.