Die britische Band Radiohead präsentiert ihr neues Album “The King of Limbs“ vorerst nur online und überzeugt mit nachdenklichen Klängen.

Hamburg. Es scheint das Jahr der eher kontemplativen Klänge zu werden. Auch Radiohead übt sich auf seinem neuen Werk "The King Of Limbs" ("Der König der Glieder") im Grübeln und Sinnieren. Passend zum Titel, in dem sie eine 1000 Jahre alte Eiche in der Nähe ihres Landhaus-Studios verewigt, beschäftigt sich die Band diesmal mit der Natur, den Rätseln des Menschseins. Man kann sich Vordenker Thom Yorke wunderbar vorstellen, wie er sich an den knorrigen Stamm lehnt und neue Sound-Ideen spinnt.

Dabei hört man ja nicht jedem gern zu. Dem Quintett aus dem britischen Oxford schon. Jede neue Note der Band steht von vornherein unter Genieverdacht. Ernüchternd sei gesagt: Diesmal hat die Band, erneut produziert von Nigel Godrich, keinen neuen Sound erfunden, wie einst auf "OK Computer" (1997) oder auf "Kid A" (2000), aber sie hat erneut ein kristallklar durchdachtes, leuchtendes Werk abgeliefert. Und das löst gleich bei Erscheinen einen wahren Hurrikan im Internet aus. Am vergangenen Montag erst kurzfristig für Sonnabend angekündigt, stand es schon am Freitag online und ließ das Netz sogleich zusammenbrechen. Am Sonntag waren in den Suchmaschinen rund zehn Millionen Einträge zu den Begriffen "Radiohead" und "The King Of Limbs" zu finden. Von herkömmlichen Vertriebswegen hatte sich Radiohead bereits nach dem Album "Hail To The Thief" (2003) verabschiedet - als der Vertrag mit der EMI auslief.

2006 erschien dann das Album "In Rainbows" zunächst ausschließlich über die Website der Band. Wie am Wochenende "The King of Limbs". Diesmal aber mit fixen Preisen (je nach Soundqualität sieben oder elf Euro) und nicht als "Zahl, so viel du magst"-Download. Über die damaligen Einnahmen schweigt sich die Band bis heute beharrlich aus. Angeblich hat sich ein Drittel die Musik aber gratis heruntergeladen, der Rest im Schnitt fünf Euro gezahlt. Geschadet hat das Radiohead nicht. Auch die "In Rainbows"-CD hat sich millionenfach verkauft, erreichte Platz eins der britischen und amerikanischen Charts. Das neue Werk ist vom 25. März an dann auch regulär im Handel zu erwerben. Eine spezielle erste "Newspaper"-Edition mit zehn Vinyl-Scheiben, einer CD und umfangreichem Artwork lässt sich jetzt schon über die Website im Internet bestellen. Sie wird in zwei Monaten verschickt.

"The King Of Limbs" gewinnt bei jedem Hören ein wenig mehr. Die Soundlandschaften erscheinen noch sparsamer als zuletzt, weit weg vom strapaziösen elektronischen Gefrickel früherer Jahre. Im Opener "Bloom" wabern asynkopische Electro-Beats unter großen melodiösen Gesten, einem tollen Piano-Loop und einem Thom Yorke, dessen Pathosgesang fast schon in die Nähe eines Rufus Wainwright gelangt. Die wohltemperierte Single "Lotus Flower" zeigt als Tableau aus Geräuschen, Beat-Hektik, nachdenklich raunendem Bass und hymnischem Gesang echte Hitqualitäten. Eine Ausnahme.

Es überwiegt das introvertierte Piano wie in der Gänsehautballade "Codex". Auf "Feral" fräst sich Yorkes Falsett-Stimme, zu einem winselnden Instrument verfremdet, durch disharmonische Ambient-Ebenen. Die Polyrhythmik erinnert mal an Afro-Perkussion, mal an Free Jazz, mal auch an den guten alten Drum 'n' Bass. In dem flirrenden "Little By Little" ist auch mal eine indische Sitar zu hören.

Die Songs bieten bei allem weitergetriebenen Rückzug eher das Erwartete, aber, seien wir ehrlich, auch das Erhoffte. Nein, Radiohead stirbt mit "The King Of Limbs" nicht in Schönheit. Die Band setzt eine weitere Wegmarke ihres Könnens - souverän auf dem Grat zwischen Intimität und Distanzierung spielend. Ein Kunst-Rock, der sich nicht um Strömungen schert, sondern allein das Ziel verfolgt, den eigenen Sound unsterblich zu machen.

Und das lässt sich hören.

Radiohead: The King Of Limbs , als Download ab 7 Euro erhältlich über www.radiohead.com , CD ab 25. März auf XL Records/Beggars Group im Handel