Die gelungene Beziehungskomödie „Die Wahrheit“ ist bei der Premiere im Hamburger St.-Pauli-Theater bestens aufgenommen worden.

Hamburg. Ehekomödien gibt es wie Sand am Meer. Inhaltlich fügt auch "Die Wahrheit oder Von den Vorteilen, sie zu verschweigen, und den Nachteilen, sie zu sagen" des französischen Autors Florian Zeller dem Thema nichts Neues hinzu. Paar betrügt sich. Paar entlarvt sich. Paar versöhnt sich. Dass Ulrich Wallers deutschsprachige Erstaufführung im St.-Pauli-Theater sprüht und leuchtet, liegt an den glänzenden Darstellern, den gut gewürzten Dialogen und der Tatsache, dass das Publikum anders als das Bühnenpersonal scheinbar die Wahrheit kennt - um zu guter Letzt doch auf dem Glatteis der Vermutungen ausgesetzt zu werden.

"Quelqu'un m'a dit" ("jemand hat mir erzählt") haucht verheißungsvoll die französische Chanteuse Carla Bruni. Michel, herrlich selbstbezogen gespielt von Herbert Knaup, markiert den typischen Betrüger, der sich mit Alice, Johanna Christine Gehlen, im Hotelbett ein wenig Abwechslung vom Ehetrott besorgt, aber deswegen noch lange nicht sein Leben ändern will. Kritisch wird die Lage, als sich bei der jungen Alice - obendrein die Frau seines derzeit joblosen Freundes Paul - Skrupel mehren. Michel hält es mit Voltaire, der an die Tugend der Lüge glaubte, sofern sie dem Unwissenden Leiden erspart. Voltaire war es allerdings auch, der den ach so tugendhaften Betrügern Vergeltung mit Gleichem prophezeit hat.

Wunderbar, wie Michel den Entrüsteten angesichts eines haltlosen Kapitalismus mimt: "Die Leute haben keine Ethik mehr. Ethik ist aus und vorbei. Mich empört das!" Subtil spielt der Autor mit Doppelmoral, zweifelhafter Wahrheitsliebe und der Naivität selbst des größten Verräters. Das Lügengeflecht hält, bis Paul, den Thomas Heinze mit nuancierter Gelassenheit mimt, Michel beim Whiskey enthüllt, dass er längst Bescheid weiß. Scheibchenweise erhellt sich, wer wem wann was gesagt hat und wer wann was mit wem hatte. Raffiniert entlässt der gehörnte Paul Michel in dem Glauben, dass er ihn mit dessen Gattin Laurence betrügt.

Leslie Malton als Laurence wirkt mit ihrer reduzierten Eleganz, abgeschliffen in langen Ehejahrzenten, lange wie die heilige Maria der Unschuld - und ist am Ende womöglich die Tugendhafteste von allen - im voltaireschen Sinne natürlich.

Um die Wahrheit sind am Ende dieses leichtfüßigen Abends alle noch einmal herumgekommen.

Die Wahrheit bis 13.3., St.-Pauli-Theater, in allen Abendblatt-Ticketshops und unter T. 30 30 98 98