Der Rückgabe-Anspruch auf das Budge-Palais muss wohl politisch geklärt werden. Den Erben fehlt möglicherweise eine juristische Grundlage.

Hamburg. Möglicherweise gibt es für die von den Budge-Erben geforderte Rückübertragung der von den Nazis an sich gebrachten Villa, in der sich heute die Musikhochschule befindet, keine juristische Handhabe. Finanzbehördensprecher Daniel Stricker sagte dem Abendblatt gestern: "Wir prüfen zurzeit die Dokumente, die wir am 13. Januar von den Anwälten der Erben erhalten haben, und bereiten eine Antwort vor." Unabhängig von der Bewertung der historischen Vorgänge sei jedoch nach mehr als 50 Jahren wahrscheinlich ein Verjährungstatbestand eingetreten, zumal die Stadt seit 1956 als Eigentümerin im Grundbuch stehe.

Auf Nachfrage bestätigte der Berliner Anwalt Jörg Rosbach, der gemeinsam mit seinem Kollegen Lothar Fremy die Budge-Erben vertritt, diese Einschätzung: "Wenn sich die Stadt tatsächlich auf eine Verjährung beruft, die laut BGB schon nach 30 Jahren eintritt, ist das ein juristischer Tatbestand. Angesichts der historischen Vorgänge hielten wir es dann für angemessen, wenn die Bürgerschaft entscheiden würde."

Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte sich die Berliner Kanzlei im Auftrag der Erbengemeinschaft erstmals an die Senatskanzlei gewandt. Dabei hatte sie auch über die fragwürdige Rolle gesprochen, die der von den Nationalsozialisten widerrechtlich eingesetzte Testamentsvollstrecker Gottfried Francke gespielt hatte. Die Anwälte teilten damals auch mit, dass sie einen "angemessenen wirtschaftlichen Ausgleich für den Verlust der Grundstücke" anstreben sowie eine Erklärung des Senats, "welche den Erben Genugtuung verschafft für das bis weit in die 1950er-Jahre durch die Stadt Hamburg betriebene und bis heute fortgesetzt bestehende Unrecht"

Dass die Aufarbeitung der Causa Budge erst jetzt in Gang kommt, ist eigentlich verwunderlich, denn die historischen Umstände müssten schon seit 20 Jahren bekannt sein. 1991 veröffentlichte der Historiker Günter Könke, der damals Mitarbeitet der Forschungsstelle für Zeitgeschichte war, die Studie "Das Budge-Palais: Die Entziehung jüdischer Vermögen und Rückerstattung in Hamburg", in der das Vorgehen der nationalsozialistischen Behörden und das äußerst fragwürdige Wiedergutmachungsverfahren in der Nachkriegszeit genau dokumentiert sind.

Die Senatskanzlei leitete die Anfrage vom Mai vergangenen Jahres an die Finanzbehörde weiter, mit der für den 28. September 2010 eine Einsichtnahme der Akten im Staatsarchiv vereinbart wurde. Dort erhielten die Antragsteller dann aber die Auskunft, dass die Wiedergutmachungsakte Z 487 über das Budge-Palais nicht mehr auffindbar sei - ein merkwürdiger Umstand.

Allerdings gelang es den Anwälten später, Kopien der wesentlichen Teile der Akten zu beschaffen. Günter Könke hatte sie anlässlich seiner Arbeit über das Budge-Palais angefertigt und stellte sie nun zur Verfügung. Obwohl die dubiose Rolle, die Gottfried Francke nicht nur 1939, sondern noch 1952 gespielt hat, aus den Akten ersichtlich ist, trifft die Finanzbehörde dazu noch immer keine klare Aussage. Behördensprecher Daniel Stricker sagte gestern: "Unstrittig ist die Tatsache, dass die Stadt 1952 diese 22 500 Mark gezahlt hat. Dass der damalige Nachlassverwalter das Geld tatsächlich oder möglicherweise nicht weitergegeben hat, entzieht sich letztlich aber unserer Kenntnis."

Auch in einem anderen Punkt bestehen zwischen der Finanzbehörde und den Erben-Anwälten nach wie vor erhebliche Differenzen in der Einschätzung. Am 13. Januar hatte Stricker im Abendblatt erklärt, dass seitens der Erben keine Ansprüche mehr bestünden: Die 1952 gezahlte Entschädigung entspreche der Differenz zwischen dem 1937 gezahlten Verkaufspreis und dem tatsächlichen Grundstückswert.

In einem Schreiben an die Senatskanzlei erklärte Rosbach tags darauf, dass die 1952 gezahlte Entschädigung "in keinem Verhältnis zum Wert der Grundstücke stand". Maßgebend sei, dass die Erben beim Abschluss des Vergleichs von einem Testamentsvollstrecker vertreten worden waren, "der unter Entlassung der testamentarisch eingesetzten Testamentsvollstrecker auf Betreiben der nationalsozialistischen Behörden eingesetzt wurde, um sich an dem Erbe zu bereichern".

Dass den Budge-Erben auch in der jungen Bundesrepublik Unrecht widerfahren ist, liegt auf der Hand. Daher ist zu begrüßen, dass auch für die Finanzbehörde formaljuristische Argumente offenbar an Relevanz verlieren. "Angesichts des Verjährungstatbestandes müsste die Behörde eigentlich nicht mehr tätig werden", sagte Stricker, fügte jedoch hinzu: "Wir gehen aber davon aus, dass die Bürgerschaft dieses Problem letztlich politisch bewerten wird."