Das starke Hamburger Protestnetzwerk traf sich bei der Rote-Flora-Soliparty. Punk und Politik mit Donner-Sound von 1000 Robota und den Zitronen.

Hamburg. Das Klingeln der roten Eieruhr mit einem Elch darauf unterbricht die vielen Redner bei der "Rote Flora bleibt!"-Party in der Hamburger Fabrik. Dazu schlägt Ted Gaier von den Goldenen Zitronen den Gong: Die Redezeit ist um. Man will das Publikum nicht in politischem Gelaber ertränken, so scheint es. Also fallen die Anti-Gentrifizierungsbeiträge kurz aus. Es geht auf der Bühne vor allem um die Demonstration eines starken Hamburger Protestnetzwerks, das es so dicht gewoben lange nicht mehr gab - "Komm in die Gänge", "Leerstand zu Wohnraum", "Rote Flora bleibt!" - alle sind sie da, auf und vor der Bühne, in den Kurzfilmen, die zwischen den Gigs gezeigt werden - oder rein ideologisch.

Dementsprechend ist auch die Musikauswahl: Viele Gäste sind sicher für "Die Goldis" gekommen, die wie kaum eine andere Hamburger Band für links-politisches Engagement stehen. Das fordernde Set der Goldenen Zitronen hängt zwischen Punk und Ethno, 80er-Jahre-Sound und der intellektuellen Kraft ihrer alles hinterfragenden Texte.

Doch nicht nur die Band um Schorsch Kamerun und Ted Gaier gibt ihren musikalisch-solidarischen Protest-Kommentar ab. Zum Garagen-Soul-Punk von Hoodoo Girl tanzt eine etwa 70-jährige Alt-Aktivistin mit Gaza-Button und Federhut. Der exzentrische Anarcho Jens Rachut (Dackelblut, Angeschissen, Oma Hans, Kommando Sonnenmilch) trägt mit seiner kratzigen Hassstimme einen skurrilen Text über die Suche nach Gott vor sowie ein unheilig gebrülltes "O Tannenbaum". Es ist ja schließlich Weihnachten.

Davon merkt man beim Auftritt der 1000 Robota nichts. Passend zum Anlass verkündet Sänger Anton Spielmann im ersten Stück ein proklamatisch hervorgebrachtes "Trocknet eure Tränen, es gibt Grund zur Freude" und produziert dazu mit seiner Band den Donner-Sound, für den die Robota bekannt sind: pumpender Bass, krawallendes Schlagzeug, sich überschlagende Gitarren und dazu Textzeilen, die sich nie festlegen lassen und dadurch auf viele politische Kontexte übertragen werden können. So auch auf die Flora, das symbolträchtige, besetzte Haus in der Sternschanze, das den in den letzten Jahren aufgekommenen Werber-Schick der Café-Piazza noch immer krass konterkariert. Die Rote Flora gilt als das Aushängeschild linkspolitischer Energien.

Doch es droht Gefahr für die umstrittene Bastion: Klausmartin Kretschmer - Besitzer der Roten Flora - ist nach dem Auslaufen einiger Vertragsklauseln nicht mehr an eine Zustimmung der Stadt gebunden, wenn er das "Objekt" verkaufen will. Durch die "Rote Flora bleibt!"-Festspielwoche, bei der sich außer den Künstlern dieses Abends auch Jan Delay, das Uebel & Gefährlich, Kampnagel und der Golden Pudel Club beteiligt haben, soll schon im Vorfeld ein politisches Bewusstsein geschaffen werden, das die eventuell anstehende Räumung des Gebäudes unmöglich macht. Damit die Eieruhr der Gentrifizierung nicht für die Rote Flora klingelt.