In “Von Menschen und Göttern“ erzählt Xavier Beauvois behutsam und ohne Pathos von neun tiefgläubigen Mönchen im Atlasgebirge.

Schwer rascheln die Stoffe, als sich die Mönche ihre Talare überstreifen, Choräle erklingen, die Fußschritte in dem kargen Kloster hallen deutlich und doch friedlich durch die Gänge. Das Leben der Trappistenmönche im algerischen Atlasgebirge ist ein Leben der Einkehr, der Meditation und der Besinnung auf Gott. Es ist aber auch ein sehr praktisches Leben, in dem die Geistlichen das unwegsame Gelände kultivieren, sich selbst versorgen und in friedlicher Eintracht mit den muslimischen Dorfbewohnern leben, die sie medizinisch und wirtschaftlich versorgen, bei Behördengängen begleiten und mit denen sie auch mal über das Leben und die Liebe philosophieren.

Vor allem ist es aber ein Leben der Toleranz und des freundschaftlichen Zusammenlebens von Christen und Muslimen, von dem der französische Regisseur Xavier Beauvois in "Von Menschen und Göttern" erzählt. Eine Idylle, die ein jähes Ende findet. Am Donnerstag kommt der Film, der bei dem Festival im Mai in Cannes den Preis der Jury gewann, in die deutschen Kinos.

Aktueller hätte Beauvois seinen Stoff kaum wählen können, schwelt der Konflikt doch weltweit zwischen Muslimen und Christen. Erst Anfang November waren bei einer blutigen Geiselnahme in einer Kirche in Bagdad mehr als 50 Menschen ums Leben gekommen. Islamische Terroristen hatten die Christen als Geisel genommen und dann ihre Sprengstoffgürtel gezündet. Auch Beauvois' Film basiert auf einer wahren Begebenheit: Im März 1996 wurden sieben von neun Mönchen eines Klosters in Algerien von Terroreinheiten entführt und wenig später geköpft am Wegesrand entdeckt.

Doch für Beauvois liefern die historischen Ereignisse nur den Rahmen für eine ganz andere Geschichte, nämlich die von der Zerrissenheit zutiefst gläubiger Menschen, die durch die brutalen Ereignisse in schwere Gewissenskonflikte geraten, Todesfurcht erleiden und an ihrem Glauben und Gott zweifeln.

Denn als kroatische Bauarbeiter in der Nähe des Klosters brutal von Fundamentalisten getötet werden, hat die Realität des Terrors das Kloster erreicht. Die Regierung bittet die Mönche, das Land zu ihrem eigenen Schutz zu verlassen, die Dorfbewohner bitten sie zu bleiben.

Behutsam und ohne Pathos erzählt Beauvois diese Geschichte, porträtiert die Geistlichen um den Prior Christian (großartig Lambert Wilson) in ihren unterschiedlichen Stadien der Angst, der Zweifel und der eigenen Schwächen, zeigt sie als Menschen, die nicht in einem theologischen Elfenbeinturm leben fernab der Realität und doch nicht von dieser Welt zu sein scheinen. Ihr Leben gleicht einer Utopie. Und genau das macht dieses poetische Werk so verstörend. Das Ungewöhnliche dieser Eintracht beschreibt Beauvois mit einer Selbstverständlichkeit, dass der aufkommende Konflikt geradezu schmerzt.

Beauvois zeigt diese Mönche nicht als Missionare und schon gar nicht als Märtyrer, sondern als Menschen, die aus tiefster Überzeugung Toleranz, Nächstenliebe und ein Leben mit Gott praktizieren. "Wir sind nicht um unseren eigenen Willen hierhergekommen", heißt es einmal in dem zweistündigen Film. Und doch sind diese Mönche keine vergeistigten Eigenbrötler, die in ihrem theologischen Elfenbeinturm leben. Auch wenn sie irgendwann feststellen, dass sie in das normale Leben nicht mehr passen. Eine Beziehung zu der Zivilisation Frankreichs, zu ihren Familien, haben sie längst verloren.

Diese eindringliche Auseinandersetzung zeigt Beauvois in ruhigen Bildern und mit sachter Langsamkeit, die von christlichen Ritualen mit stillen Gebeten und meditativen Chorälen getragen wird. Großartige Landschaftsaufnahmen und die der in Askese lebenden Mönche angepasste Bildsprache tauchen den Zuschauer in das stille und kontemplative Leben der Ordensbrüder, die niemals platt oder gar zu einer schrillen, sensationsheischenden Verurteilung der Muslime gerät. Bei all diesen eindringlichen Bildern stört dann nicht einmal die doch etwas plakative Anspielung auf religiöse Renaissance-Malerei. Die Nahaufnahme der Gesichter und ihre Anordnung um den Tisch, als die Mönche eine Weinflasche öffnen, erinnern allzu stark an da Vincis "Das letzte Abendmahl" und fügt sich dennoch wie selbstverständlich ein.

"Von Menschen und Göttern" ist ein Plädoyer für Toleranz und für den Glauben, welcher Konfession auch immer. Ein durchaus heikles Thema, nicht erst seit die Missbrauchsfälle die katholische Kirche erschüttern. "Es ist leichter, über Sexualität zu reden als über den Glauben", sagte Lambert Wilson, der den hochintelligenten, absolut bedachten und manchmal allzu ernsthaften Prior Christian spielt, unlängst in einem Interview.

Xavier Beauvois ist es gelungen.