Warum es wenig aussagt, die staatlichen Zuschüsse auf die Besucherzahlen der jeweiligen Häuser herunterzurechnen - eine Analyse.

Hamburg. Glaubt man den aktuellen Umfragen, werden die Karten in der Hamburger Museumsszene nach den Wahlen am 20. Februar 2011 neu gemischt. Die jetzige Regierung könnte gehen, und damit würden wohl auch die rigiden Sparvorgaben, die die Kulturbehörde unter Präses Reinhard Stuth (CDU) der Stiftung Historische Museen Hamburg gemacht hat, gegenstandslos. Sollte die SPD die Wahl gewinnen, wäre es kaum vorstellbar, dass sie die Museumspolitik des jetzigen Senats fortsetzt, den sie ja heftig kritisiert. Andererseits ist die wirtschaftliche Lage der ehemals staatlichen Museen, die 1999 unter einem SPD-Senat zu Stiftungen öffentlichen Rechts umgewandelt wurden und dabei von vornherein unterfinanziert waren, ein Dauerproblem, das dringend gelöst werden muss.

Im Fokus steht zurzeit vor allem die Stiftung Historische Museen Hamburg, in der seit 2008 das Museum für Hamburgische Geschichte, das Altonaer Museum, das Helms-Museum und das Museum der Arbeit zusammengeschlossen sind. Die ursprünglich in der herbstlichen Sparklausur beschlossene und auf dem Kulturgipfel vom 25. Oktober dann doch wieder zurückgenommene Schließung des fast 110 Jahre alten Altonaer Museums war ein bundesweit beachtetes Fanal. Nun ist es ein Problem für die ganze Stiftung, die den Sparbeitrag von 3,5 Millionen Euro gemeinsam zu tragen hat, wenn auch zeitlich gestreckt.

Dazu wird es nach einem Regierungswechsel wahrscheinlich nicht kommen, trotzdem will Stiftungsalleinvorstand Kirsten Baumann wie gefordert bis April ein neues Konzept sowohl für das Altonaer Museum als auch für die gesamte Stiftung vorlegen. "Der Auftrag ist weit gefasst, und die Stiftung braucht tatsächlich ein neues Konzept. Wir werden jetzt auf keinen Fall die Hände in den Schoß legen", sagte Baumann dem Abendblatt.

Ein solches Konzept ist vor allem für das Altonaer Museum dringlich, auch weil die Leistungsfähigkeit dieses traditionsreichen Hauses in letzter Zeit mehrfach in Zweifel gezogen worden ist. Da ging es nicht nur um den sehr pauschalen Vorwurf, dass das Museum, das übrigens einen außerordentlich hohen Kinderanteil unter seinen Besuchern aufweist, verstaubt sei. Mehr oder weniger bewusst gestreute Zahlen erweckten zudem in der Öffentlichkeit auch den Eindruck, das Haus sei eigentlich schon so gut wie tot.

Den Auftakt hatte Noch-Bürgermeister Christoph Ahlhaus gemacht, als er im Oktober die Aufregung um die damals angekündigte Schließung mit dem Hinweis relativieren wollte, es kämen ja ohnehin nur maximal 30 Vollzahler ins Haus. Mit noch alarmierenderen Zahlen wartete jüngst der "Spiegel" auf, der von "an manchen Wochenenden nur sechs zahlenden Besuchern" zu berichten wusste. Außerdem würde der Steuerzahler jede Eintrittskarte pro erwachsenen Besucher mit 300 Euro bezuschussen. "Das ist ein ziemlicher Wahnsinn", folgerte das Magazin. Auf Abendblatt-Nachfrage nennt Pressesprecher Matthias Seeberg allerdings völlig andere Zahlen. "Im Jahr 2009, in dem wir durch den Umbau der Fassade unser Programm stark einschränken mussten, hatten wir im Haupthaus 53 588 Besucher, von denen 27 698 gezahlt haben. Legt man das auf 312 Öffnungstage um, kommt man auf täglich 89 zahlende Besucher." Dass Kinder bis zum Alter von 18 Jahren nicht zahlen müssen, ist eine Vorgabe der Kulturbehörde.

Weitaus problematischer ist es, den staatlichen Zuschuss für das Museum auf jede Eintrittskarte herunterzurechnen. Was bei Opernproduktionen vielleicht sinnvoll erscheint, ist bei einem Museum schon deshalb nur sehr bedingt aussagekräftig, weil Museen keine reinen Ausstellungshäuser sind. Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln sind die vier Kernaufgaben, die Museen laut gesetzlichem Auftrag zu erfüllen haben. So müssen sich Restauratoren zum Beispiel auch um Kunstwerke kümmern, die vielleicht niemals ausgestellt werden, die aber für die Forschung oder als Vergleichsstücke Bedeutung besitzen. Auch die Erstellung von Bestandskatalogen ist nur in jahrelanger wissenschaftlicher Arbeit zu leisten, von der kein Besucher jemals etwas mitbekommen wird. Gerade in letzter Zeit sind Museen dazu aufgefordert, die Provenienzen, also die Herkunft und Erwerbungsgeschichte ihrer Kunstwerke, zu erforschen, um zu klären, ob sich Raubkunst in den Beständen befindet. Auch diese Aufgabe ist nur in akribischer Forschungsarbeit zu leisten, von der ein Museumsbesucher nichts mitbekommt.

Die Aufgabe, Kulturgüter zu sammeln, können die Hamburger Museen mit den vom Staat zur Verfügung gestellten Mitteln schon lange nicht mehr leisten, weil es keine Ankaufsetats mehr gibt - eigentlich ein Skandal, doch darüber regt sich schon niemand mehr auf. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass viele Museumsaufgaben nur noch mit Drittmitteln finanziert werden können, also durch Gelder, die von Stiftungen, Spendern und Sponsoren zur Verfügung gestellt werden. Wichtig ist aber auch, dass Museen eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen haben, die in keinerlei Beziehung zur Zahl ihrer Besucher stehen. So wird zum Beispiel die gesamte Bodendenkmalpflege in Hamburg vom Helms-Museum geleistet, weil es als Archäologisches Museum Hamburg dafür zuständig ist. In der Öffentlichkeit ist so etwas kaum bekannt.

Kein Wunder also, dass Helmut Sander, der Geschäftsführer der Stiftung Historische Museen Hamburg, die Bezuschussung pro Besucher als Milchmädchenrechnung bezeichnet. "Aber auch Milchmädchen sollten korrekt rechnen", meint Sander und nennt für das vorige Jahr die folgenden Zahlen: "Abzüglich der Miete hat das Altonaer Museum 2,54 Millionen Euro Zuwendung erhalten. Legt man diese Summe auf die 91 624 Besucher um, die wir im Haupthaus und den Nebenstellen verzeichnen konnten beträgt der Zuschuss pro Besucher 27,30 Euro."