Beim Boulevard-TV machte er Karriere, “Bauer sucht Frau“ war seine Idee - jetzt steht Martin Hoffmann den Berliner Philharmonikern vor.

Berlin. Es gibt drei Worte, mit denen man selbst einem so geschmeidigen Parlierer wie Martin Hoffmann schnell die gute Laune trüben kann: "Bauer sucht Frau". In seinem früheren Leben als erfolgreicher Film- und Fernseh-Produzent hat er sich die Agrar-Kuppler-Sause für RTL ausgedacht, und das klebt ihm nun im Lebenslauf wie unsereins das Kaugummi an der Sohle.

Reden mag Hoffmann über diesen Quotenfischer-Erfolg im Seichten nicht mehr, das ist ihm zu vereinfachend. Kann man verstehen, es gibt ja jetzt Anspruchsvolleres, um das sich der Terminkalender des 51 Jahre alten Medienmanagers dreht, der bei Sat.1 Chef war und anschließend beim TV-Zuliefer-Betrieb MME. Seit Beginn dieser Spielzeit ist der klassikbegeisterte und -kundige Jurist, der in Hamburg sein Examen abgelegt und sich als Roadie in der Laeiszhalle etwas dazuverdient hatte, auf dem Klassik-Olymp angekommen: Intendant bei den Berliner Philharmonikern und damit formal Teil der Doppelspitze mit Sir Simon Rattle. Weichensteller, Kassenwart und Zukunftsermöglicher für das bekannteste Orchester der Welt. Ein Seitenwechsel, der radikal ist und gewagt scheint.

Beworben hat sich Hoffmann für diesen Posten nicht, der für andere auch schon sehr schnell zum Schleudersitz geworden ist. Man hat ihn, den im Medienbusiness bestens Vernetzten, gefragt. Wohl auch, um den Zug der Zeit nicht zu verpassen und Tradition in Erlöse und Visionen zu verwandeln; um Großsponsoren wie die Deutsche Bank bei der Stange und bei Laune zu halten; um die Marke Berliner Philharmoniker von einem gewieften Vermarkter polieren zu lassen.

Vor Hoffmanns Büro hinter den Kulissen der Berliner Philharmonie laufen letzte Vorbereitungen für die nächste große Tournee: Es geht nach Australien, eine Premiere für das Orchester. Zehn Konzerte in 20 Tagen, Zwischenstopps in Abu Dhabi und Singapur, unterwegs in einer eigens gemieteten Boeing 747, wegen der Frachtmenge. Ein Markenartikel "made in Germany" geht da auf eine große Reise, die schon Züge einer diplomatischen Mission hat. Genau das ist dieser Klangkörper für Hoffmann - eine Marke, deren Kern und größte Stärke er griffig mit "Exzellenz" auf den Punkt bringt. "Dies ist eines der ganz wenigen deutschen Kulturgüter, die weltbekannt sind und weltweit respektiert werden." Man müsse dafür sorgen, dass klassische Musik für die Generation der 20- bis 30-Jährigen ihre Faszination behält.

Hoffmann hat sich einiges vorgenommen, um dafür zu sorgen, dass es so bleibt. Das Auftaktkonzert der Saison wurde als Public-Viewing-Event in 33 deutsche Städte und 70 weltweit übertragen; in Hamburg allerdings fiel die Idee, sich damit auf dem Spielbudenplatz zu platzieren, weitgehend unbemerkt ins Frühherbst-Regenwasser. Anfängerpech, quasi. Hoffmann nimmt's sportlich. Dafür setzt er große Hoffnungen in die Online-Konzertvermarktung. Auf ihrer Facebook-Seite hätten die Berliner rund 130 000 virtuelle Freunde in aller Welt; Branchenprimus, mit Abstand. Dieser Orchestermanager kann sich aussuchen, welche der Gastspiel-Anfragen er als erste absagt.

Beim Thema Markengestaltung greift Hoffmann zu einem erstaunlichen Anschauungsbeispiel: den FC Bayern München. Dieser Fußballclub hätte jedes Detail seiner Marke hochprofitabel im Angebot, doch "das können Sie natürlich mit einem Orchester nicht machen. Die Marke, von der ich spreche, bedeutet nur die Verankerung im Bewusstsein der Zuhörer - sie bedeutet aber nicht die Kapitalisierung."

Die Berliner Philharmoniker werden sich nicht auf dem "Altar der Popularität" opfern, hat Hoffmann kürzlich gesagt. Also nie wieder auf eine Bühne mit den "Scorpions"-Altrockern? "Das würde ich definitiv ausschließen", kontert er flott. Bei der Frage nach seinen eigenen programmatischen Pflöcken, die einzuschlagen wären, verweist er aber ebenso schnell auf den Chefdirigenten, der ja auch Künstlerischer Leiter ist. "Da ist die Kompetenz genau dort bestens verortet, wo sie hingehört. Da ich nicht vom Fach bin, sind meine Akzente andere." Schon mit seiner Idee einer Erweiterung des weltbekannten Scharoun-Konzerthauses in der Nachbarschaft des Potsdamer Platzes hat er die Kollegen in Berlin hellhörig werden lassen. Er träumt auch von einer "Black Box" für Spartenübergreifendes und Experimentelleres. Noch mehr Aufregung verursachte allerdings seine Ansage, das Konzertorchester mit Opern-Produktionen in direkte Konkurrenz zu einem Platzhirsch wie Daniel Barenboim in der Lindenoper zu positionieren. Aber auch da wirkt Hoffmann ganz entspannt. Leisten kann er es sich, der Markt in der Hauptstadt ist groß.

Auf die Frage, was die Musikstadt Berlin habe, was die Elbphilharmonie-Metropole Hamburg nicht bieten könne, hat der Ex-Hanseat eine ernüchternd wahre Antwort parat: "Wir haben eine vielseitige, abwechslungsreiche Qualität - bei den Orchestern, bei den drei großen Opernhäusern, und sie alle haben ein sehr treues Publikum."

Er habe sich diese Frage zu Hamburg auch schon gestellt. "Die Laeiszhalle und zukünftig auch die Elbphilharmonie zu füllen, das ist eine programmatische Aufgabe, dafür muss man die Zuhörer auch erst finden. Hier in Berlin ist es eine gelernte, vielfältige, akzeptierte, von sehr treuer Zuhörerschaft geprägte Orchesterlandschaft." Auf die Frage, ob es nach mittlerweile mehreren Anläufen in den letzten Jahren nun eine Terminbuchung für den Antrittsbesuch der Berliner Philharmoniker in der Hamburger Elbphilharmonie gäbe, duckt sich Hoffmann gekonnt diplomatisch weg: "Ich will auf jeden Fall zur Eröffnung." Und auch einem anderen kleinen Stolperdraht weicht er geschickt aus - für ihn sind die Orchestermitglieder natürlich keine Egomanen, diese Charakterisierung von außen korrigiert er amüsiert zu "Virtuosen". Martin Hoffmann hat seine Hausaufgaben gründlich gemacht.

Ein Bildband, für den der Fotograf Jim Rakete alle Mitglieder des Orchesters porträtiert hat, ist auf www.berliner-philharmoniker.de bestellbar (18,95 Euro).