Am Wochenende begeisterte das Junge Schauspielhaus mit zwei Inszenierungen. Die eine spielte im HVV-Bus, die andere im Rangfoyer.

Hamburg. Es sind bezaubernde und berührende Geschichten, die das Leben schreibt, ob sie von einer quirligen Eintagsfliege oder einem heimatlosen Zirkuskind handeln. Es sind Fabeln über die Glückssuche und das Glücklichsein, über den unvermeidlichen Tod und die Freude am Leben. Und beide erzählte das Junge Schauspielhaus am Wochenende: In Nadine Schwitters Monolog "Das Kind, das in der Polenta kocht" im Utopia-Mobil-Bus und Martin Baltscheits "Nur ein Tag" im Rangfoyer. Sie bescherten Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern viel Vergnügen, aber auch Nachdenklichkeit.

Der Fuchs und sein Freund, das Wildschwein, entdecken beim Angeln eine Eintagsfliege, die gerade ausschlüpft. Sie hat nur bis Mitternacht zu leben, was die beiden traurig stimmt, zumal sie die lustige Fliege ganz süß finden. Darum verheimlichen sie ihr das Schicksal und geben vor, der Fuchs hätte nur noch einen Tag zu leben.

In ein blaugrün schillerndes Tutu mit Flügeln gekleidet, spielt Christine Ochsenhofer einen drallen, vor Vitalität sprühenden Brummer, der dem armen Füchslein einen schönen letzten Tag und "das ganze Glück in 24 Stunden" schenken will: mit Schule und Hühnerjagd, mit Geburtstagsfeier, Heirat und Kinderkriegen - bis sich der Fuchs verplappert. Wie Kinder spielen die drei die Situationen nach, probieren das Leben aus. Statt in einem Zimmer toben sie zwischen Blumen, Blättern, Halmen und Insekten im Rasenstück am Fuß eines roten Containers (Ausstattung: Lena Hinz). Das schlaue Füchslein (Thorsten Hierse) tanzt Flamenco aus Freude über einen Papphuhnschmaus. Marios Gavrilis macht mit Stachelfrisur den dicken Borstenclown. Am Schluss singen beide ihrer Freundin ein Gute-Nacht-Lied - und sie beschenkt sie mit einem im Lichtstrahl tanzenden Schwarm von Maifliegen.

Das Leben geht auch für das heimatlose Mädchen im Bus weiter. Das einsame Artistenkind lebt in Hotels oder Wohnwagen. Es träumt sich in ein großes eigenes Haus. In eine eigene Welt als Filmstar. "Aber in der Fremde ist die Familie zerbrochen wie Glas." Vom toten Vater, einem Clown, sind nur seine Hobbyfilme geblieben. Das Mädchen zeigt sie den 28 Zuschauern im HVV-Bus, hat auch das Album seiner Schwester mit den Papierpuppen dabei. Hing die Mutter mit den Stahlhaaren in der Zirkuskuppel, erzählte sie ihm das Märchen vom "Kind, das in der Polenta kocht", um die Kleine von der Angst um die Mutter abzulenken. Aber sie muss immer an den Tod denken.

Nadine Schwitter bringt in ihrer Inszenierung den wunderbar poetischen, aus ebenso skurriler wie schonungslos aufrichtiger Kindersicht erzählten Text zum Blühen. Sie setzt in Katrin Plötzkys Bus-Installation mit Monitor und Gaze-Vorhängen für die Projektionen Akzente durch Philipp Stangls Musik und Video. Spielend bewahrt Schwitter dem missbrauchten Mädchen eine natürliche Unschuld und kindlichen Charme, entdeckt mit ihm in den Schrecken seines schweren Lebens auch die schönen Momente.

Schwitter ist forsch, frech, todtraurig und wütend, vor allem aber nie sentimental. Sie schwingt sich an den Sätzen entlang, hält erschrocken inne, um dann mutig in die schmerzhafte Erinnerung abzuspringen und sich hoffnungsfroh lächelnd ein besseres Leben auszumalen, an das sie doch nicht mehr glaubt. Die beiden glückhaften Inszenierungen vertrauen auf die Kraft von Wort und Spiel und die Fantasie der großen und kleinen Zuschauer. Mehr benötigt das Theater nicht, um seinen ganzen Zauber zu entfalten.

Das Kind, das in der Polenta kocht, nach dem Roman von Aglaja Veteranyis, 15., 20., 29.11., 19.00 Utopia-Mobil-Bus; Nur ein Tag 8., 9., 10.11., 11.00, 30.11.,12.30, Rangfoyer, Schauspielhaus, Karten T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de