Steppenwolf Peter Maffay blickte mit seiner Band und dem Philharmonic Volkswagen Orchestra in der ausverkauften O2 World auf 40 Jahre zurück.

Hamburg. Bei meinem ersten Maffay-Konzert muss ich vier Jahre alt gewesen sein. 1981, die Freilichtbühne am Kalkberg in Bad Segeberg. Viel weiß ich nicht mehr, außer dass mein Vater - einem Schaukelpferd gleich - mich auf den Schultern trug. Es war laut, und die Menschenmassen um mich herum rochen irgendwie nach ... Mon Chéri.

Seitdem war Maffay für mich ein Rocker. Eine Meinung, die bis heute im Freundeskreis exklusiv geblieben ist. Aber wer als Kind auf den grimmig blickenden Peter, sprich auf die Plattenhüllen von "Revanche" oder "Carambolage" blickte, der wurde für immer geprägt - und hörte lieber die harmlosen "Tabaluga"-Alben. Rauf und runter.

Auf der Bühne steht Peter Maffay , 61, mittlerweile seit 40 Jahren. Und liefert immer zuverlässig ab. Ob im engen Docks bei einem kompakten Klubgig, beim weltumspannenden "Begegnungen"-Projekt, akustisch reduziert im tantigen CCH oder bei einem bombastischen Arena-Spektakel wie am Dienstag in der ausverkauften Hamburger O2 World - der Hintergrund wechselt, die Songs, die Arrangements. Maffay aber bleibt Maffay, eine knorrige Eiche. Böse Zungen würden sagen: ein knorriges Bonsai-Bäumchen. Aber die Wildschweine, die sich daran gerieben haben, sind Legion und haben doch nichts erreicht. Für das aktuelle Album "Tattoos" wird nach dem Hamburger Konzert Doppel-Platin überreicht.

Offiziell 11 000, aber optisch deutlich mehr Fans aller Jahrgänge drängen sich in der Halle vor der riesigen Bühne. Maffay aber beginnt gegenüber am Mischpult, ganz einsam, mit "Steppenwolf", bevor das mitgereiste Philharmonic Volkswagen Orchestra , das sich auf der Bühne zwei Stockwerke vor der LED-Leinwand teilt, mit seiner Ouvertüre anfängt.

Kaum sind die ersten Streicher-Streichler verklungen, donnert Maffay mit seiner Harley über die Bühne. Das soll wild wirken wie einst bei Judas Priest, aber am vergangenen Sonnabend fuhr bereits Schlagerstar Andrea Berg mit ihrem Bock bei "Willkommen bei Carmen Nebel" auf. Geschenkt!

Denn danach gibt es wirklich Saures. Zusammen mit seinem altgedienten Bandrudel rotzt das Kraftpaket "Schatten in die Haut tätowiert", "Sonne in der Nacht" und "Kein Weg zu weit" so laut und bretthart in die ersten Reihen, dass denen die Haare waagerecht nach hinten gepustet werden - ein Zuschauer mit Wacken-Shirt grinst selig auf der Videowand. Klasse! Das 35-köpfige Werksorchester spielt tapfer mit, Dirigent Hans Ulrich Kolf (in Bikerhose) rudert wie ein Ertrinkender mit den Armen. Und doch kann er zu Beginn nicht verhindern, dass seine Schützlinge an die Wand gespielt werden wie einst das San Francisco Symphony Orchestra bei Metallicas "S&M"-Projekt. Ein ironischer Moment, der deutlich macht: Hier wird gerockt.

Mit viel Selbstironie und akustisch harmonischer nimmt Maffay sich selber ins Visier. Bei "Und es war Sommer" werden alte "Bravo"-Titel gezeigt: Maffay im orangefarbenen Ganzkörperkondom mit - ausgerechnet! - Plateausohlen. Das Publikum übernimmt die markante Gitarre: "Düö-düö-düö". Jetzt darf sich bei "Eiszeit", "So bist du", "Ewig", "Du" (Maffay: "Ein schönes Lied ... na ja, ein altes Lied") und "Über sieben Brücken musst du geh'n" auch das Orchester entfalten, ohne zu dick aufzutragen, bevor es bei einem kleinen, aber feinen Akustikset von Maffay und seinem baumlangen Gitarristen Carl Carlton, wieder mitten im Publikum, leise wird.

Und auf seine Band, auf Carl Carlton, Jean-Jacques und Pascal Kravetz, Bertram Engel, Peter Keller und Ken Taylor, kann der Chef wieder stolz sein. Jeder darf bei einem breiten Coverprogramm von Paul McCartneys "Live And Let Die" bis Golden Earrings "Radar Love" mal an das Mikrofon, Maffay steht im Hintergrund und drischt auf seine abgeliebte Sandberg-California-Gitarre ein. Fans stürmen die Bühne.

Nach 150 Minuten und der "Tabaluga"-Zugabe "Nessaja" ist ein famoser "Querschnitt durch die letzten und ersten 40 Jahre" zu Ende. "Der Kreis hat sich geschlossen", sagt Maffay. In der Tat. Jetzt rieche ich auf dem Heimweg nach Mon Chéri und singe leise die sieben Brücken: "Manchmal wünsch ich mir mein Schaukelpferd zurück."