In Neil LaButes “Wie es so läuft“ gibt der in Leipzig lebende Nikolaus Okonkwo an den Kammerspielen sein Hamburg-Debüt.

Hamburg. Natürlich hätte Nikolaus Okonkwo den "Othello" spielen sollen. "Seit vier Jahren bekomme ich Angebote", pariert der Bühnen- und Fernsehschauspieler höflich die allzu naheliegende Frage. "Ich habe Gert Voss mehrmals gesehen, fand ihn perfekt und habe enorm Respekt. Ich will nicht irgendeinen Othello machen, sondern meinen." Zur Rolle finden, wie es mit Cody Phipps war, dem schwarzen Geschäftsmann in Neil LaButes Beziehungs-Thriller "Wie es so läuft". Der sei wie für ihn geschrieben, meint Okonkwo, stellt sich den Hamburgern als prügelnder Ehemann in den Kammerspielen vor und hat Spaß daran. "Denn Cody ist das genaue Gegenteil von mir."

Von 1993 bis 2000 lebte der Schauspieler hier, träumte, im Thalia auf der Bühne zu stehen. "Ich war aber immer nur Publikum, habe 'Ghetto' und 'Lulu' von Peter Zadek gesehen", erzählt er und schwärmt von Ulrich Wildgruber: "Ich liebte dieses Schauspieler-Tier, weil ich das scheinbar nicht hatte oder leben konnte." Nun könne er in Torsten Fischers Inszenierung als "wilde Sau" latente Aggressionen und Seiten seines Temperaments ausleben, die er sich privat nie erlauben würde. "Früher hätte man den bösen Schwarzen im Theater nicht gewagt, der Schwarze musste nett sein. Ansonsten wäre das Rassismus."

Doch LaBute pfeift auf die Political Correctness, er entlarvt uneingestandene Vorurteile. Nach der Premiere im Berliner Renaissance-Theater hatte eine Zuschauerin Okonkwos Frau, die Schauspielerin Cheryl Shepard ("In aller Freundschaft"), entsetzt gefragt: "Haben Sie denn nicht Angst vor Ihrem Mann?" Sie habe nur herzlich gelacht, und er habe das als größtes Kompliment verstanden und sich gefreut.

Der Sohn einer Krankenschwester und eines nigerianischen Arztes, 1963 in Hannover geboren und in Rendsburg aufgewachsen, ist ein netter, kultivierter Bilderbuchdeutscher. Damals, in der Kleinstadt, ist er allerdings aufgefallen. "Alle haben sich umgedreht. Die Omis fanden mich süß, und schon hatte ich ihre Hände in meinem Haar." Er war Mittelpunkt, wo immer er hinging. "Wohl mit ein Grund, warum ich Schauspieler geworden bin", kommentiert er grinsend. "Wenn die Leute sich schon ständig umdrehen, dann sollen sie wenigstens etwas zu sehen bekommen."

Für etwas aufzufallen, was ihm und seiner Familie selbstverständlich ist, hat Okonkwo lange irritiert. "Ich war nett und freundlich, konnte mich gut ausdrücken, sprach in ganzen Sätzen." Eine Spur Ironie schwingt in seiner sympathischen Stimme. Kein Wunder, denn der Waldorfschüler liebte es, Goethe und Schiller zu rezitieren. Übertraf vermutlich spielend so manchen Mitschüler. "Mein Lieblingsgedicht war Rilkes 'Der Panther', das habe ich meiner Mutter mit Tränen in den Augen vorgetragen." Es schildert das Gefangensein eines von allen bestaunten schönen Tieres: "Ihm ist als, ob es tausend Stäbe gäbe/und hinter tausend Stäben keine Welt".

Nikolaus Okonkwo hat sie sich trotz etlicher Widerstände erobert, sich eine positive Einstellung zu Land und Leuten bewahrt, verweist auf das Erreichte und kritisiert das Schüren von Ängsten in der Integrationsdebatte . Körperlich überträgt sich seine Begeisterung für die Sprache und seine Lust am Spielen. Über den Umweg des Waldorfpädagogen kam er zum Theater, studierte an der Hochschule in Stuttgart und wurde 1991 in Saarbrücken engagiert. "Der Intendant hat mir aber gleich gesagt, du spielst hier keinen Schwarzen. Er hat das gut gemeint, aber ich habe es damals als rassistisch empfunden, so gut es war, die Literatur rauf und runter spielen zu dürfen, ohne auf die Hautfarbe reduziert zu sein."

Die Fixierung darauf ist ihm später nicht erspart geblieben. Er hat im Land rauf und runter "Kampf des Negers und der Hunde" von Bernard-Marie Koltès und in Thomas Vinterbergs "Das Fest" den Gbatokai gespielt, spielt das noch heute. "Ich habe zwar viel zu tun, komme aber von der Schiene nicht runter."

Da zeigte sich der Sender RTL viel fortschrittlicher, meint er. "In der Serie 'Großstadtträume' habe ich den ostdeutschen Sportjournalisten Paul Köpcke gespielt." Dann wurde er doch wieder nach Aussehen besetzt: "Damals futterte ich 112 Kilo an, ein dicker Schwarzer war selten und eine Marktlücke." Jetzt ist er wieder schlank.

Trotz der Maxime "Ich will spielen" unterrichtet er an der Baden-Württembergischen Filmakademie in Ludwigsburg Regiestudenten und macht sich Gedanken über das Inszenieren. "Ich finde, man muss auf der Bühne die Menschen mit dem Spielen verführen, wer will denn belehrt werden? Hab' ich doch auch keine Lust dazu." Die Zuschauer in Schwingung zu versetzen, sei das Geheimnis, habe ihm der große Will Quadflieg verraten. "Und mit dem Atem zu arbeiten."

Nikolaus Okonkwos Traum geht in Erfüllung. Er spielt nun in der Stadt, in der er unvergessliche, ihn tief prägende Erlebnisse im Theater hatte. Und der Othello? "Vielleicht im nächsten Jahr." Na, bitte: Der Mann steht künstlerisch wie privat ganz zu sich.

Wie es so läuft: heute, 20.00, Kammerspiele, Karten: T. 0800/413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de