Auf dem Filmfest stellte Franka Potente ihren neuen Film “Valerie“ vor, ein Monolog. Im Erzählband “Zehn“ beweist sie sich auch als Autorin.

Hamburg. Es ist ja immer heikel, von der Kunst auf den Künstler zu schließen. Verweise auf den Schriftsteller in seinen Romanfiguren zu vermuten, führt bisweilen ebenso arg in die Irre wie die einfallslose Standardfrage an Schauspieler: "Und wie viel steckt so von Ihnen in dieser Rolle?"

Wer nun Franka Potente sucht und dazu erst ihren kürzlich im Piper-Verlag erschienenen Erzählband "Zehn" liest und dann ihren neuen Film "Valerie" anschaut, den sie gestern beim Filmfest in Hamburg präsentierte , der kommt ihr und ihrem Wesen durchaus nah. Greifbarer allerdings, gar irgendwie einsortierbar wird Franka Potente, über die man doch so viel zu wissen glaubt, dadurch nicht. Was vielleicht am allermeisten über sie verrät.

Franka Potente also, das ist doch die rennende Lola, die Exfreundin des Regisseurs Tom Tykwer, die, die mal mit Matt Damon (für "Die Bourne Identität") und mal mit Johnny Depp (für "Blow") und zuletzt mit Hugh Laurie (für "Dr. House") gedreht hat und anschließend nicht nur in Frauenmagazinen erzählen musste, wie es eigentlich so ist, Tom, Matt, Johnny oder Hugh geküsst zu haben. Eine öffentliche Person. Präsent, deutlich, kraftvoll, da.

Oder doch eher der verschlossene, intellektuelle Typ? Nach der Lektüre von "Zehn", ebenso vielen sehr schönen, sehr dichten, und sehr melancholischen Kurzgeschichten aus Japan, und dem von Hubertus Meyer-Burckhardt produzierten Film "Valerie" (Regie: Josef Rusnak), dem Monolog einer jungen Berlinerin, die allein in ihrer Wohnung für ihren Freund im Koma ein Videotape aufnimmt und darin über ihre Liebe erzählt, kann man diesen Eindruck bekommen. Zu Recht, denn das ist sie auch. Unter anderem. Im Interview wirkt sie unbekümmert und zugewandt, kein bisschen misstrauisch oder distanziert, wie es manche ihrer berühmten Kolleginnen bisweilen gegenüber Journalisten sind. "Wenn ich mit Freunden beim Essen sitze, bin ich bestimmt nicht die Lauteste", sagt sie. Und dass ihr beim Schreiben besonders das "Autarke" daran gefallen habe, dass sie weniger das Geschehene erzählen wollte, als vielmehr "die Pausen dazwischen".

Eine schöne Formulierung. Vielleicht sind es häufiger, als man gemeinhin vermutet, diese Pausen dazwischen, die einen Menschen ausmachen. "Ich bin ja nicht nur meine Arbeit", sagt Franka Potente auch jetzt und, dass sie sich vielleicht am ehesten "über Konstanten im Privatleben" definieren würde. "Eine schwierige Frage, wodurch ich werde, was ich bin", findet sie und hebt die Arme mit den Tattoos über den Kopf, als läge da eine Antwort, "aber auch eine interessante Frage."

Das "Tolle am Schreiben" zum Beispiel, hat Franka Potente kürzlich gesagt, sei: "Man macht es dann einfach." Oder der "Valerie"-Monolog, 100 Seiten teils sperriger Text und alles ihrer, "das war eine echte Herausforderung, ich dachte: Das machste jetzt mal." Solche unbefangenen Sätze über die Rollenarbeit oder gar den Prozess des Schreibens hört man doch eher selten. Nicht Schreiben ist schön, geschrieben haben ist schön, so klingt das in der Regel.

Sie hingegen habe das Gefühl, vom Feuilleton "mit offenen Armen empfangen" worden zu sein, sagt Franka Potente. Klar freue sie sich auch, wenn in People- oder Frauenzeitschriften zu ihren Filmstarts große Geschichten erscheinen, aber "ich unterhalte mich auch gern über Inhalte - und nicht nur die Inhalte meiner Handtasche".

Valerie spricht ihrem Freund im Film eine Liebeserklärung auf Band: "Die Reise ist vorbei, ich bin angekommen." Angekommen, ein Zustand, der auf Franka Potente überhaupt nicht zu passen scheint. Sie verbringt Zeit in Amerika, in Bolivien, in Japan, ist mal Schauspielerin, mal Regisseurin, jetzt - auch wenn sie selbst sich nicht so nennen mag - also auch Schriftstellerin. Vor ein paar Jahren, als sie glaubte, alles, was nach ihrem Durchbruch "Nach fünf im Urwald" kam, sei nur noch "das Sahnehäubchen", das "Klassenziel" längst erreicht, da fand sie die Vorstellung des "Irgendwie-fertig-Seins" noch "ganz fürchterlich". Sie lacht. Vielleicht sind es genau die Widersprüche, die kreative Vielfalt, die sie ausmachen. Es muss halt raus aus ihr. "Angekommen sein", sagt sie und lässt die Wörter eine Weile im Raum stehen, "jetzt klingt das nur noch halbschrecklich."

+++ Das Dossier zum Filmfest Hamburg 2010 +++

+++ HIER GEHT'S ZUM FESTIVALBLOG +++